Steinzeithandwerk

                                     von Anne Pöttgen

Früher wie heute werden genau die Werkzeuge hergestellt, die für die anstehenden Aufgaben erforderlich sind. Vom Faustkeil bis zum Elektronikwerkzeug war es ein weiter Weg.  

Faustkeile
In der Altsteinzeit gab es vor allem Bedarf an Waffen und Werkzeugen bei den Jägern. Es gibt nur Mutmaßungen darüber, wozu alles das faustgroße Stück Stein diente. Nur dass es bearbeitet wurde, das sieht man ihm an. Und dass nicht jeder Familienvater die Fähigkeit hatte, aus einem handlichen Stück Flint oder Obsidian ein Arbeitsgerät zu schaffen, leuchtet auch ein. Jeder Schlag muss sitzen, sonst wird es kein Arbeitsgerät sondern Abfall. Es muss Spezialisten gegeben haben.

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Faustkeile


Mit den abgebildeten Faustkeilen konnte man Schneiden und Schaben oder auch Hacken. Eine der ganz frühen Fundstätten in Mitteleuropa liegt bei Bilzingsleben in Thüringen. Hier fanden sich die Überreste von Besiedlung durch einen Frühmenschen nämlich seine Wohn- und Arbeitsbereiche.
In Schöningen in Niedersachsen wurden Wurfspeere gefunden, die sorgfältig bearbeitet waren. In beiden Fällen handelt es sich um das Altpaläolithikum, also eine Zeit vor etwa 300.000 bis 400.000 Jahren.

Fundplätze
Es gibt Plätze, die verraten, dass dort Werkzeuge hergestellt wurden. Zahlreiche Abfallprodukte wie Kernsteine und Abschläge zeigen das. In Nordeuropa unterscheidet man zwei Werkzeuggruppen. In der ersten Gruppe sind es Werkzeuge, die aus Abschlägen gefertigt worden sind: einmal die Schaber mit den gebogenen Arbeitskanten und die Spitzen, die wie der Name sagt, spitz zulaufen. Ein gut erforschter Fundplatz liegt bei Mönchengladbach (Ostecken). Es ist eine Lagerstätte in der Steppenlandschaft der vorletzten Eiszeit.
In der zweiten Gruppe kommen neben den Abschlagwerkzeugen auch Faustkeile vor „ aus dem Vollen herausgeschlagene Werkzeuge symmetrischer Form mit scharfen Kanten und spitzem Ende. Markkleeberg bei Leipzig, auf den Schottern und Kiesen eines eiszeitlichen Flusstales gelegen, ist in Mitteleuropa eine typische Fundstelle."
Keine Einigkeit besteht in der Wissenschaft, ob die beiden Gruppen oder vielmehr ihre Handwerker gleichzeitig nebeneinander gelebt haben.

Techniken
Im Laufe der Zeit nimmt die Zahl und die Standardisierung der Werkzeugformen zu. Nach ihrem Umriss und der Form ihrer Arbeitskanten werden sie in unterschiedliche Typen eingeteilt. Neben Faustkeil und Schabern standen dem Jäger Pfeil- oder Speerspitzen zur Verfügung. Auch Steinklingen, schmaler und länger als Schaber ergänzten den Werkzeugvorrat.

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Levallois


Der Levallois-Techniker arbeitete mit einem flachen Kernstein. An seinem Rand wurden Stücke abgeschlagen, die bereits scharf waren aber weiter bearbeitet wurden. Daraus entstanden Schaber, die für die Fell- und Holzbearbeitung benutzt werden konnten. Für andere Zwecke wurde ein dreieckiger spitzer Abschlag erstellt, die Pfeil- oder Speerspitzen.
Diese Technik war bereits zur Zeit des Beginns der vorletzten Eiszeit, also vor etwa 300.000 Jahren entwickelt. Aus den steinernen Funden ergibt sich, dass über Hunderte von Generationen ein gleich bleibendes Kulturniveau bestand. Die Aufgaben sind wohl gleich geblieben.

Entwicklung
Zu Beginn der letzten Eiszeit, etwa vor 100.000 Jahren, kommen neben den bisherigen Werkzeugen Kratzer und Stichel in Mode, dabei werden gleichmäßige dünne und lange Steinklingen mit parallelen Kanten in Serie produziert.
Bei Lichtenberg im Elbe-Urstromtal wurde ein Fundensemble ausgegraben, das zur Keilmesser-Gruppe zusammengefasst wird. Es handelt sich um spezielle Messerformen, die - wie bisher die Faustkeile - sorgfältig auf beiden Flächen bearbeitet wurden. Sie sind von besonderer Regelmäßigkeit und Symmetrie.
"Die komplizierte Herstellung in mehreren Schritten, die Existenz unterschiedlicher Symmetrie-Modelle, der Grad der Standardisierung und die Qualität der um ihrer selbst willen angestrebten und fast erreichten perfekten Achsensymmetrie belegen die Fähigkeit, bildliche Vorstellungen bewusst gestalterisch umzusetzen."
Keilmesser, Faustkeil, Faustkeilblatt und blattförmiger Schaber sind die wissenschaftlichen Bezeichnungen.

"Der moderne Mensch"
Neben dem Steinwerkzeugmacher gab es nun Handwerker, die mit organischen Werkstoffen arbeiteten: Sie stellten Schmuck her, etwa Anhänger aus durchbohrten Tierzähnen oder Perlen aus Elfenbein; andere schufen Flöten aus Knochen und Elfenbein, auf denen Melodien gespielt werden können.
Vielfach wurden Zähne und Knochen von Mammuts verarbeitet. Hölzer standen zu dieser kalten Zeit ja nicht zur Verfügung. Der Steinwerkzeugkasten wurde durch Klingen ergänzt.

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Klingen

Der Neandertaler ist nicht mehr der einzige Menschentyp in Europa, der Moderne Mensch (homo sapiens) ist nach Norden gezogen. In der norddeutschen Tiefebene war eine Jägerkultur verbreitet, die Waffenspitzen aus Feuerstein verwendeten, die geschäftet waren. Andere Gruppen nutzten Spitzen aus Geweih, auf die feine Feuersteinschneiden aufgeklebt waren, der besseren Durchschlagskraft wegen. Entweder wurden Pfeil und Bogen oder Speere eingesetzt. Beides deutet auf Steppenlandschaften.

Die letzte Phase der Steinzeit
Die Eiszeit ging zu Ende, die Landschaften veränderten sich, ebenso wie der Tierbestand. Langsam begann der Mensch, Landwirtschaft zu betreiben. Neue Werkzeuge wurden erforderlich.
Steinbeile wurden geschäftet und mit Birkenpech an Hölzern befestigt, denn es mussten Bäume gefällt werden, der Mensch baute nun Häuser. Imponierende Nachbauten sind heutzutage in Museen zu besichtigen.
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Foto Klaus Nitsche

Die Töpferei erweiterte den Hausstand der Menschen, Getreidevorräte sollten aufbewahrt werden und gekocht wurde inzwischen auch.
Fertige Werkzeuge oder Rohstoffe, insbesondere Feuerstein, wurden über weite Wege verhandelt. Es gab zwar noch kein „made in ..." aber trotzdem weiß man, woher die Feuersteine stammten, die heute gefunden werden.
Viele der heutigen Werkzeuge haben genau die Form, die unsere Vorfahren vor tausenden von Jahren erarbeitet haben.

Links
Landesmuseum Sachsen-Anhalt

Fundschicht Ostecken (Rheinland)

Techniken

Feuerstein

Quellen:

EisZeit, Begleitbuch der gleichnamigen Ausstellung in Hildesheim, 1999

Foto Matthias Kabel, Lizenz CC

 
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