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Das Fahrzeughandwerk

                                     von Berhard Peitz

Vom Stellmacher zum Mechatroniker ist es ein weiter Weg. Dieser Artikel beschreibt die wichtigsten Einflussgrößen und Entwicklungsschritte des Fahrzeug-Handwerkes von seinen Ursprüngen bis heute.

 

Der Stellmacher
Das wichtigste Verkehrsmittel in der vorindustriellen Zeit war die Kutsche.

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„Die Lieferung"


Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert produzierten die Stellmacher/Wagner die Kutschen und Leiterwagen für die Ochsen- oder Pferdefuhrwerke und sorgten auch für deren Instandhaltung.

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Stellmacher


Sie bauten und reparierten Räder, Deichsel, Rahmen und Aufbauten. Dieser spezialisierte Ableger des Schreinerberufes erforderte ganz eigenes Wissen und Können:
Das Wissen um die geeignete Holzart für die jeweilige Anwendung am Fahrzeug.
Das Wissen um die jeweils richtige Verarbeitungsmethode des verwendeten Holzes.
Das handwerkliche Können zur richtigen Verarbeitung des Materials.
Die Fähigkeit, Auftragsarbeiten finanzkräftiger Kunden in die Realität umzusetzen.

Der Schmied
Der Schmied erledigte die Eisenarbeiten. Er lieferte und reparierte Radreifen, Radlagerzapfen, Nägel, Bänder und beschlug auch die Pferde. Metalle aller Art, hauptsächlich aber Eisen war sein Material. Später kamen dann noch die diversen Stahlarten dazu. Er hatte fast unbegrenzte Möglichkeiten dieses zu formen (Sägen, Feilen, Schweißen, Biegen und Schlagen). Ganz wesentlich für ein erfolgreiches Wirtschaften war die Fähigkeit aus Auftragsskizzen der Kunden reale Bauteile zu gestalten. Sein Fundus waren das Wissen um die Verhaltensänderungen des Materials durch chemische, thermische und mechanische Einflüsse, sowie die Anwendung der persönlichen Kreativität wenn es darum ging Schlösser, Beschläge, Zäune, und vieles mehr zu gestalten.

Neue Berufe entstehen.
Mit der Industrialisierung, um 1900, änderten sich die Berufsbilder gewaltig. Konstruiert wurden die Maschinen und Fahrzeuge jetzt von Ingenieuren, die in Form von technischen Zeichnungen detaillierte Bauanweisungen lieferten. Gebaut wurden sie von angelernten Arbeitern/Arbeiterinnen in spezialisierten Fabrikanlagen.
Aus den Berufen der Stellmacher und Schmiede heraus entwickelte sich ein neuer Beruf: Schlosser/Mechaniker, deren Aufgabe es war, Wartung und Instandhaltung der Industrieprodukte zu übernehmen.

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Autoschlosser


Sie mussten in der Lage sein, komplexe technische Zeichnungen zu verstehen, um die Maschine fachgerecht zu zerlegen und zusammenbauen zu können. Bei Bedarf mussten sie das eine oder andere Bauteil selbst herstellen oder anpassen. An dieser Arbeitsteilung hat sich bis heute nichts geändert.

Kraftfahrzeugschlosser.

Der Kraftfahrzeugschlosser/-mechaniker musste zunächst einmal alle Anforderungen erfüllen, die allgemein an Schlosser gestellt wurden. Die Wartung und Instandsetzung von Verbrennungsmotoren aber forderte neue zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten. Die Kenntnisse über chemische und physikalische Vorgänge bei der Verbrennung und die Fähigkeiten diese Vorgänge durch Einstellungen an den Vergaser-, Einspritz- und Zündsystemen gezielt zu beeinflussen. Anfangs standen ihm dazu nur sein Gehörsinn, sein Geruchsinn und sein „Popometer" (das Gefühl) zur Verfügung. Zunehmend wurden im Laufe der Jahre die Sinne durch Prüfgeräte ersetzt. Die Prüfergebnisse dieser Werkzeuge richtig zu interpretieren war wiederum eine ganz besondere Herausforderung.

Die Entwicklung
Die ersten Kraftfahrzeuge hatten nur eine Karbidlampe zur Ausleuchtung der Straße. Mit der Optimierung des Generators und der Batterie hielt die Elektrik Einzug im Kraftfahrzeug. Schnell wuchs die Zahl der Anwendungen. Zeitweilig trennten sich die Berufsbilder des Kraftfahrzeug-Mechanikers und des Kraftfahrzeug-Elektrikers. Auf Dauer war aber diese Trennung nicht haltbar, zu eng sind Elektrik und Mechanik miteinander verknüpft. In den 1970er Jahren kamen mit dem Einzug der Elektronik in das Kraftfahrzeug neue Herausforderungen auf das Handwerk zu, während gleichzeitig hergebrachte Kenntnisse und Fähigkeiten an Bedeutung verloren. Defekte oder verschlissene Bauteile lassen sich heute meistens kostengünstiger tauschen als reparieren. Damit haben handwerkliche Fähigkeiten wie das präzise Bearbeiten von Werkstoffen nur noch eine geringe Bedeutung.

Der aktuelle Stand
Im heutigen Kraftfahrzeug ist eine Vielzahl von elektronischen Systemen miteinander vernetzt, so dass allein durch die intelligente Nutzung der vernetzten Informationen neue Komfort- und Sicherheitsfunktionen angeboten werden können. Durch die gegenseitige Beeinflussung muss ein angezeigter Fehler nicht unbedingt in dem System zu suchen sein, in dem er angezeigt wird. Die neuen Fähigkeiten die dem Kraftfahrzeug-Handwerker abverlangt werden sind:
Das Wissen um Aufbau und Wirkungsweise von elektronischen Regelsystemen.
Das analytische Denken bei der Fehlersuche. (Um die Ecke Denken können.)
Die Anwendung von elektronischen Messgeräten und die richtige Interpretation der Messergebnisse.

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Der Mechatroniker


Aus dem Kraftfahrzeug-Mechaniker ist seit 2001 der Kraftfahrzeug-Mechatroniker geworden (Ein Kunstwort aus Mechaniker und Elektroniker).

Die Zukunft
Beim Blick in die Zukunft wird klar, das Elektromobil und die Wasserstofftechnik werden den Verbrennungsmotor langsam aber sicher ablösen und der Einfluss der Systeme zur Datenverarbeitung wird immer größer. Das wiederum hat Einfluss auf Aufbau, Funktion und Wirkungsweise der diversen Assistenz- und Diagnosesysteme. Das Handwerk hat sich diesen veränderten Anforderungen erneut anzupassen. Ganz neue, bisher noch unbekannte Fähigkeiten müssen deshalb entwickelt und vorgehalten werden. Vielleicht brauchen wir demnächst auch die Kenntnisse eines Informatikers und der Beruf hieße dann Kraftfahrzeug-Info-Mecha-Troniker. Die Entwicklung des Kraftfahrzeug-Handwerkes ist noch lange nicht abgeschlossen - und wird es wohl auch niemals sein.


Links:

Das Stellmacherhandwerk

Eine moderne Stellmacherei


Zum Beruf des Mechatronikers


Bildquellen für „Die Lieferung" und „Der Stellmacher",
Gesellschaft für Volkskunde Schleswig Holstein e.V. genehmigt

 
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