Labyrintherfahrungen |
von Anne Pöttgen Ein Labyrinth ist kein Irrgarten, auch wenn in der Sage vom Minotaurus der Ariadnefaden nötig war, um herauszufinden. Ein Spaziergang durch den Irrgarten ist sicher kein Ritual, aber ein Gang durchs Labyrinth? Ja und nein.
Chartres Eines der wenigen in Deutschland erhaltenen Rasenlabyrinthe liegt im Saalekreis in Sachsen-Anhalt, im Ort Steigra. Ich war in der Gegend, um den Fundort der „Himmelsscheibe von Nebra“ und das „Sonnenobservatorium“ Goseck zu besuchen. Auch dieses Labyrinth gehörte zum Besuchsplan. Natürlich schritt ich die elf Windungen ab. War dies ein Ritual? Keinesfalls, es war ein Besuch als Touristin, vollkommen privat und allein, es gab kein Gemeinschaftsgefühl oder eine religiöse Begründung. Ich war mir zwar bewusst, dass dieses Labyrinth zu einer bestimmten Zeit des Jahres – am letzten Aprilwochenende - von einer Gemeinschaft begangen wird, aber ich war weder an diesem Tag dort noch in Gemeinschaft. Ein gläsernes Labyrinth Ein Jahr zuvor hatte ich an einem Seminartag zum Thema Labyrinth in einer Kirche teilgenommen. Der Höhepunkt des Tages war der Aufbau eines „gläsernen Labyrinths“: ein kleines Labyrinth, dessen Ränder aus Gläsern bestanden, in denen Kerzen entzündet wurden. Wir waren aufgefordert, aber nicht gedrängt, den Weg durch dieses Labyrinth zu gehen. Eine oder einer nach dem Anderen stand auf und ging den Weg. Die Gruppe sang dazu. Ich überlegte, ob auch ich diesen Weg gehen sollte; ich hatte Bedenken, wie so oft hatte ich Einschränkungen beim Gehen und wollte keine Zuschauer beim Hinken haben. Aber dann, wie ein innerer Befehl: Auch ich stand auf und machte mich auf den Weg. Schwer zu beschreiben ist das Gefühl, mit dem ich mich am Ende auf meinen Stuhl sinken ließ. Ein Ritual wird beschrieben als Versuch, Zeitlosigkeit zu inszenieren. Für wenige Minuten war das gelungen. Mein Fazit Der Gang im Labyrinth von Chartres war sicher für den größten Teil der Gruppe ein Ritual. Obwohl alles Äußere auch für mich zutraf, war es für mich keines. Es fehlte die intentio solemnis, ich ging einfach mit. Auf den Gang durchs gläserne Labyrinth trifft alles oben Ausgeführte zu: Der Anlass war ein Tag der Besinnung für eine Gruppe von Ehrenamtlichen, wir hatten uns geeinigt, das Labyrinth zu bauen und zu begehen, es war im öffentlichen Raum, das Motiv war – wie oft bei ähnlichen Veranstaltungen – das Erleben von Gemeinschaft. Und eine Veränderung war es sicher für viele, das wurde mir bei späteren Begegnungen mit Teilnehmerinnen bestätigt.. Ich habe an diesem Tag an einem Ritual teilgenommen. Links Die fünf Komponenten von Ritualen nach Alex Michaels http://www.unicom.uzh.ch/static/unimagazin/archiv/1-98/ritual.html http://www.horst-groschopp.de/Humanismus/PDF/Rituale.pdf http://www.mymaze.de/home.htm |
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