von Uwe Bartholl
Ein Dokumentartheaterprojekt mit
Menschen aus Hamburg [60+], das am 05. Oktober Premiere hatte. Einer dieser
Menschen bin ich. Ich erzähle mal.
So
fing alles an
Kochvorbereitungen. Radio an, Kartoffel in die Hand, Griff zum Messer... „Das
Deutsche Schauspielhaus in Hamburg sucht für ein Theaterprojekt Menschen über
60, die ihr nachberufliches Leben aktiv gestalten, die sich um etwas kümmern.
Bewerbungen richten Sie ..." Das schlug ein bei mir. Noch am selben Tag schickte
ich meine Bewerbungs-Mail los. Das war im Februar dieses Jahres. Und nach dem Casting dann das Warten: Ob das wohl geklappt hat?
Die Probenzeit
Es hatte geklappt. Anfang April begannen 18 Frauen und Männer mit der
Probenarbeit unter einem Schirm von hervorragenden Theaterleuten. Das
Schauspielhaus wurde für ein halbes Jahr mein Arbeitsplatz. Auch dann, wenn
keine Proben waren, herrschte das Gefühl vor, du bist am Schauspielhaus. Bei
den Proben wurden Situationen geschaffen, in denen sich die Biographien von uns
öffneten. Ich selbst habe so intensiv noch nie in der Rückschau meines Lebens
gelebt. Dieses biographische Material, alles wurde aufgezeichnet, war für Regie
und Dramaturgie der Stoff, aus dem nach und nach ein Bild von Menschen über 60
entstand. Deren jetziges Kümmern ist ursächlich mit dem bisher gelebten Leben
verknüpft. Der Reichtum an Lebenserfahrung wird vielschichtig sichtbar und das
Potential, dieses zu nutzen.
Das Kümmern
In
den Verlauf der Versatzstücke aus den Biographien sind die einzelnen
Kümmerertätigkeiten eingebunden. Ich stelle meine Mitarbeit im Lernnetzwerk
ViLE e.V. vor. Das geschieht am Beispiel eines Leseprojektes, das ich leitete.
Eine schwierige Sache, denn das Theater verlangt etwas anderes als eine normale
Präsentation. Immer wieder wurde am Text gestrichen, hinzugefügt. Es musste vom
Wort her passen, sich mit meiner Person verbinden und vieles mehr. Ähnlich ging
es den anderen. Im ganzen Stück sind von mir häufig Aussagen zu finden, die mit
Lernen etwas zu tun haben. So verbindet sich mit meiner Person als Transfer, im
Alter mit dem Lernen nicht aufzuhören. Denn das bedeutet Zugewinn an Lebensqualität
und Lebendigkeit.
Das Urteil
„Ernst und berührend sind die Auftritte der Frauen
und Männer, vor allem aber sind sie aufrichtig. NDR 90,3". Das Ergebnis ist
Ensembleleistung, und die ist in den Medien von Regie und Dramaturgie her durchwachsen
besprochen worden. Das Publikum ist an den bisher gelaufenen 3 Vorstellungen
jedes Mal aus dem Häuschen gewesen. Leute wollen ein zweites Mal kommen. Immer
wieder erfahre ich in Mails und Gesprächen: Danke, danke, ein wunderbarer
Abend, der erleben lässt, dass das Alter dazu gehört. Eine Mut machende
Veranstaltung, unterhaltsam und nachdenklich.