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Weiße Sklaven für Barbados
                                     von Lore Wagener
Sippenlos, lautlos, namenlos,
Besitzlos, heimatlos, ruhelos,
Wandern nun Deine Kinder
Ziellos hin und her“.
So beklagte der irische Dichter Eogan Ruadh O’Sullivan das Schicksal seiner Landsleute.


Versklavung der Iren


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Auswanderer verlassen Irland (Doyle)

Der Leidensweg der Iren begann 1649, als Oliver Cromwell die Führung des englischen Inlandfeldzuges gegen sie übernahm. Sogar in England regte sich Opposition. In einem 1647 herausgegebenen „Newsbook“ wurde befürchtet, dass Cromwells Vorhaben das Ziel verfolge, die irische Nation zu versklaven. Und so kam es auch. Nach dem Sieg von Cromwell begann ein Exodus der Iren nach Übersee. Schon 1649 ließ Cromwell etwa ein Sechstel der irischen Männer, das waren etwa 34000 Leute, auf Schiffe verschleppen und in Übersee als Sklaven verkaufen. Er selbst beschrieb seine Vorgehensweise so: „Jeder Zehnte unter den Soldaten umgebracht und der Rest nach Barbados verschifft.“ Dieses Zitat und die Fakten finden sich in dem Buch „Die vielköpfige Hydra“ (s. Linkliste). Soweit nichts anderes vermerkt, stammen auch die folgenden Zitate daraus.

Kolonisation Irlands

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Oliver Cromwell, englischer Regent

1603 hatte der englische König Jakob I. mit seiner „Ulster-Plantation“ - der gezielten Ansiedlung von puritanischen Engländern in der irischen Provinz Ulster - den Protestanten dort die Mehrheit verschafft. Dagegen rebellierten die Iren. In den Konföderationskriegen (1641 -1653) standen die römisch-katholischen Iren den protestantisch-britischen Siedlern und deren Unterstützern aus England und Schottland gegenüber. Beide Parteien richteten wechselseitig schlimme Massaker an, bis Cromwell siegte. Dieser schickte nicht nur Tausende von Iren in die Sklaverei, er vertrieb auch Tausende gälischer Grundbesitzer von ihren Höfen und vergab diese als Sold an seine Soldaten und an die englischen Investoren der Aktion „Adventures for land in Ireland“. Der Besitz der neuen englischen Grundherrenklasse wurde in einem Kataster festgeschrieben. Den enteigneten Iren blieb nur übrig, nach Connaught zu gehen oder auszuwandern.

London um 1649

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Schiffe auf der Themse, Isaac Sailmaker

Auch in England selbst rekrutierte man um diese Zeit weiße Sklaven. Die erste Schiffsladung mit englischen Sträflingen erreichte Barbados 1642. Ab 1652 konnten englische Friedensrichter Landstreicher oder Bettler umstandslos aufgreifen und nach den Plantagen verschiffen. Auch Prostituierte aus Londoner Gefängnissen wurden zum Kinderkriegen nach Barbados verkauft. Eine andere geduldete Form von Menschenraub pflegten die Spirits. Ein Handelsexperte schrieb: „Die Knechte werden von Männern aufgegriffen, die man hierorts „Spirits“ nennt… und nach Amerika verkauft“. Die Spirits hatten sogar ein spezielles Vokabular. „to spirit“ bedeutete: Entführung nach Übersee, „barbadosed“: verschleppt nach Barbados, „kidnap“ Ergreifung eines Kindes. Zeitgenossen berichteten, dass bis in die 1660er Jahre arme Eltern weinend bis Gravesend den Schiffen folgten, die mit ihren Kindern nach Westindien segelten, und niemand half ihnen.

Zeitzeugen
Berichte von Betroffenen gibt es kaum. Erhalten ist eine Petition der Engländer Marcellus Rivers und Oxenbridge Foyle aus den Jahren 1659/1660. Danach sind beide 1654 nach einem Aufstand ohne Gerichtsverhandlung eingesperrt worden. Nach einem Jahr fanden sie sich als Hab und Gut eines Kaufmanns und Parlamentsabgeordneten an Bord eines Schiffes wieder und dort unter Deck mit den Pferden eingesperrt. In Barbados wurden sie „an höchst unmenschliche und barbarische Personen verkauft für eintausendfünfhundertfünfzig Pfund Zucker das Stück.“ Sie wurden gezwungen, „in den Mühlen zu mahlen, Öfen zu versorgen oder Seite an Seite mit anderen Sklaven aus England, Irland, Schottland, Amerika und Afrika Felder umzugraben“. Sie lebten in Schweineställen, sie aßen Kartoffeln und tranken Kartoffelwasser, wurden ausgepeitscht und verkauft. Ihre Petition löste im englischen Parlament eine Debatte aus. Ob die Bittsteller freikamen, ist nicht zu erkennen.

Indentured Servants (Schuldknechte)
Viele Europäer, besonders Religionsflüchtlinge, gingen auch aus freiem Entschluss nach Übersee. Diejenigen, die für ihre Überfahrt selbst bezahlten, konnten in Übersee machen, was ihnen passte. Diejenigen aber, die kein Geld hatten, wie die enteigneten Iren, wurden auf Kosten der Schiffseigner transportiert. Sie mussten zuvor Verträge abschließen, die sie verpflichteten, nach ihrer Ankunft in Amerika zuerst ihre Schulden abzuarbeiten. Diese Menschen wurden auf der Überfahrt sorgfältig behandelt, weil ihre Verträge drüben mit erheblichem Gewinn verkauft werden sollten. In der Karibik kauften Plantagenbesitzer die Verträge auf. Damit gerieten die Ankömmlinge in eine Schuldknechtschaft und mussten - wie Sklaven - schwere unbezahlte Arbeit verrichten. Unterkunft und Verpflegung stellte ihr Eigner. Die Schuldknechtschaft dauerte bei Erwachsenen bis zu 7 und bei Kindern bis zu 8 Jahre. Danach kamen die Leute frei. Etwa 40 Prozent überlebten die Zeit der Knechtschaft aber nicht.

Die ersten Siedler
Leute, die Geld hatten, konnten ihr Glück machen. 1624 kamen die ersten 80 Siedler nach Barbados, ein buntes Völkchen, dem bald weitere folgten. Bis etwa 1640 bauten unabhängige kleine Produzenten vor allem Tabak an. Dann kam die Zuckerrevolution, und die Bevölkerungsstruktur wandelte sich. Vermögende Engländer organisierten den Aufbau von Zuckerrohrplantagen mit zentralisierter Produktion. Zucker konnte nämlich nicht in kleinem Maßstab gewonnen werden. Für die großen Plantagen waren riesige Geldbeträge nötig. Da die Feld- und Fabrikarbeit sehr hart war und es Schwierigkeiten gab, Europäer dazu zu zwingen, kauften die Pflanzer zunehmend afrikanische Sklaven, zunächst von den holländischen Kaufleuten.
Der Zuckeranbau auf Barbados war sehr einträglich, auch für Englands Steuersäckel. Als die royalistischen Siedler gegen Cromwell opponierten, schickte dieser umgehend einen Flottenverband, der sie 1651 zur Kapitulation ihm gegenüber zwang.

Die Zuckerrohrplantagen


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Zuckerrohr

Als nach 1650 der letzte Wald gerodet war, gab es auf Barbados etwa 145 Großgrundbesitzer, die insgesamt Tausende von Sklaven hielten. In einem Brief von 1645 heißt es: “Wenn Ihr nach Barbados geht, so werdet Ihr eine blühende Insel und viele fähige Männer vorfinden. Ich glaube, dass sie dieses Jahr nicht weniger als 1000 Neger eingeführt haben, und je mehr sie kaufen, desto mehr werden sie zu kaufen imstande sein, denn diese bringen in 1½ Jahren so viel ein als sie kosten“.
Als Beispiel für eine tropische Karriere gilt Thomas Modyford. Der Sohn des Bürgermeisters von Exeter kaufte 1645 eine Plantage auf Barbados mit 500 Acres Land. Er fing mit 28 englischen Servants und einer größeren Zahl von Sklaven an. 1647 hatte er bereits ein Vermögen von 100000 Pfund. Er wurde Gouverneur, und als er 1679 starb, war er Besitzer einer der größten Plantagen in der Karibik mit 600 Sklaven und Dienern.

Puritanische Arbeitsdisziplin

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Bridgetown heute

Aus Angst vor Aufstanden lebten die Pflanzer selbst nicht auf ihren Gütern, sondern in den befestigten Städten. Das erklärt, warum Barbados nur zwei alte Landsitze zeigt. Die Pflanzer erzwangen aus sicherer Entfernung und mit Gewalt eine puritanische Arbeitsdisziplin: „Der Teufel steckt in dem Engländer, dass er alles zum Arbeiten zwingt: Er zwingt den Neger zur Arbeit, er zwingt den Esel, das Pferd, das Wasser und den Wind.“ Pater Antoine Biets berichtete 1654, dass er Auspeitschungen und Brandmarkungen sah. Die Sklaven versuchten, mit Flucht, Brandstiftung, Mord und Revolte Widerstand zu leisten. 1655 zogen Iren und Neger als Vagabunden auf Barbados herum und verweigerten die Arbeit. Sie hatten allerdings auf der kleinen Insel kaum eine Chance. (Anders auf Montserrat oder Jamaika, wo tief in den Wäldern die ethnische Gruppe der „Black-Irish“ entstand.) Auf Barbados wurden wieder eingefangene Flüchtlinge in den Käfig der Hauptstadt Bridgetown geworfen und öffentlich gefoltert.
 
Die Folgezeit
Hier wurde die Anfangsphase der Kolonisation beleuchtet. Sklavenhandel und Sklaverei setzten sich fort und machten Barbados zu einem wohlhabenden „Little England“. Als 1807 der Sklavenhandel abgeschafft wurde und 1834 die Sklavenbefreiung kam, war das für Händler und Plantagenbesitzer der Insel verheerend, denn nicht nur die Zuckerwirtschaft, sondern inzwischen auch der Afro - Sklavenhandel, waren profitable Einnahmequellen.
Heute sind 92 Prozent der Bürger von Barbados afrikanischer Abstammung, die übrigen Weiße und Mulatten. Die Queen ist immer noch ihr Staatsoberhaupt, denn Barbados ist seit 1966 selbständiger Staat im Commonwealth of Nations.
Die Iren sind 1949 als selbständige Republik aus dem Commonwealth ausgeschieden. Ihnen erging es ab 1690 besonders unter Wilhelm II. von Oranien noch schlechter. Eine erneute militärische Niederlage führte wiederum zu Vertreibungen. Heute sind die Nachfahren der Iren in der Neuen Welt zahlreicher als die Iren im alten Europa.

Links
Das  Leben Oliver Cromwells

Eine Vorlesung über die Plantagenkolonien der Karibik: - Die europäische Weltwirtschaft, - ca. 1500-1850“- (Abschnitt 3)

History of Barbados“ mit Bildern - in Englisch

Eine deutsche Version der History

Alle Bilder Wikipedia (gemeinfrei)
Das Buch "Die vielköpfige Hydra " wird in dieser Ausgabe in der Rubrik "Medien" vorgestellt.
 
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