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Minderheiten mit Erkennungszeichen

                                      von Roswitha Ludwig

Minderheit – Mehrheit. Jeder Mensch spielt verschiedene Rollen und erlebt verschiedene Zugehörigkeiten. Wer sich mit bekannten Zeichen von Gruppen ausstattet und so identifiziert wird, fällt auf. Auch erzwungene Kennzeichnung gibt und gab es.

 

Auswählende Wahrnehmung
Versetzt man sich beobachtend in eine Fußgängerzone, so unterscheidet man: alte - junge Menschen, mobile – immobile; verschiedenartige Kleidung fällt auf, von nachlässig bis elegant. Der Hut wird heute nur noch selten getragen. Provozierend auffallen wollen Jugendliche, wenn sie von Kopf bis Fuß mit Frisur, Kleidung, Schmuck und Schuhwerk die Blicke auf sich ziehen. Unterwegs sind auch Uniformierte, etwa als Polizisten oder Wachdienstleute. Sie tragen ihre Berufskleidung. Blickt man auf Ordensleute, so verweist ihr Habit darauf, dass sie einer besonderen Glaubensgruppe angehören und das augenfällig machen möchten
Der Beobachter ordnet ein, was er sieht, strukturiert nach seinem Eindruck. Manche Auffälligkeit ist Mode, manches entspringt einer Gruppenzugehörigkeit. Gerade diese unterscheidet sich von einer andersartigen Mehrheit mit der Botschaft: „Hallo, ich gehöre zu diesen“. Die Zugehörigkeit kann durch Freizeit, Berufstätigkeit oder den Glauben bestimmt sein.

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Fußgängerzone Erlangen,Stadt Erlangen, gen.
 

Kleidung, die zweite Haut
Kleidung gehört zur Sozialisation und wirkt in dieser Hinsicht wie eine „zweite Haut“, weil wir damit Außenwirkung erzielen und Botschaften aussenden. Unsere stark auf das Visuelle ausgerichtete Wahrnehmung veranlasst uns dazu, den Körper und augenfällig die Kleidung für das gewünschte Erscheinungsbild einzusetzen. Sind wir im Trend oder trendy fragen sich viele Zeitgenossen? Kurse für das Auftreten, für Farb- und Stilberatung werden angeboten.
Pubertierende etwa beschäftigen sich mit ihrer Wirkung sehr intensiv aus der Fragehaltung heraus: Wer bin ich? Wie werde ich wahrgenommen? Wo ist mein Platz in dem Gemeinschaftsgefüge? Oft experimentieren sie mit ihrem Aussehen und testen ihre Wirkung und oft auch die Toleranz der Eltern. Wenn Jugendliche ihre Gruppe finden, sich solidarisieren können und das in gemeinsamer Kleidung augenfällig machen, so gibt ihnen das Sicherheit.


Erfolgsgeschichte eines Hemdes
Die von Baden Powell (1857-1941) begründete Pfadfinderbewegung sieht sich hohen ethischen Werten verpflichtet. Seine Ziele waren: „Eine Bruderschaft für friedliche Zwecke, ohne Trennung durch Gesellschaftsklassen, Rasse, Nationalität oder Religionsgemeinschaft“ zu begründen.
Selber im Militärdienst tätig, übernahm er das Hemd von der Kleidung der berittenen Schutzpolizei in Südafrika. Das Wappenzeichen ist die Lilie als Symbol für Reinheit und Frieden, bei den Mädchen das dreiblättrige Kleeblatt. Abwandlungen und Kombinationen werden von den einzelnen Großgruppen vorgenommen.
Hinzu kommen weitere Abzeichen. Das Halstuch in verschiedenen Farben, je nach Alter oder erreichter Stufe zeigt die Stellung in der Gruppe.
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Scoute dich; DPSG gen.

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Pfadfinderhemd, St.Georg Böblingen gen.


Die Pfadfinder stehen für eine über 100-jährige erfolgreiche internationale Jugend-bewegung. 2011 wird das nächste Weltpfadfindertreffen in Schweden stattfinden. Beim letzten Treffen waren mehr als 150 Nationen vertreten.

Unterscheidung

Jugend sucht Unterscheidung von der Erwachsenenwelt. Eine systemkritische oder ablehnende Haltung drückt sich auch im Outfit aus. Beabsichtigt ist der Ausruf Erwachsener: „Wie du wieder aussiehst!“.
In einer Schülerzeitung werden neben anderen folgende Gruppen genannt: Die Punks fallen durch bewusst schäbige Kleidung und Accessoires wie Sicherheits-nadeln, Vorhängeschlösser oder Hundehalsbänder auf, sowie durch wilde Frisuren und rebellisches Verhalten.
Die Gothic-Subkultur ging Anfang der achtziger Jahre aus der Punk-Bewegung hervor. Goths distanzieren sich demonstrativ von der Gesellschaft, sie setzen auf die Farbe schwarz in Kleidung und Schminke.
Mit Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln versuchten zunächst rechtsradikale Jugendliche aufzufallen und auch Furcht zu verbreiten! Inzwischen sind die Kleidungsstile durchmischt. Es gibt Erkennungszeichen, die oft nur Insidern bekannt sind, über 100 wurden gezählt. Verbindung stiftet auch die Musik-Szene.


Roben und Talare
“Der Muff von tausend Jahren steckt in den Talaren“, war ein Leitsatz der rebellierenden 68er. Sie opponierten gegen die NS-Vergangenheit der Väter und gegen obrigkeitliche Strukturen.
Talare mit dazugehörigen Kopfbedeckungen haben ihren Ursprung im mittelalter-lichen Lehrbetrieb. Die knöchellangen Gewänder waren nützlich, weil sie warm hielten. Weltliche und geistliche Lehrer ähnelten sich damit.
Die Reformation lehnte die Messgewänder ab. Stattdessen predigen die Pfarrer im Talar.
Roben bei Gericht sind ähnlich geschnitten. Das Barett als Kopfbedeckung gibt es jeweils abgewandelt in Form und Farbe.
Zu feierlichen Anlässen werden Talare wieder von akademischen Lehrern getragen, und bei Abschlussfeiern zeigt sich die heutige Studentengeneration gerne in solchen traditionellen Gewändern, die Turnschuhzeit ist vorbei.
Talare und Roben legitimieren autorisierte Amtsträger und verweisen über deren Person hinaus auf Recht, Weisheit und Gottes Wort.


Ordensgewand – Habit

Seit Jahrhunderten in unveränderter Form haben manche Orden ihre Gewänder. Das Zweite Vatikanische Konzil gestattet moderate Modernisierungen. Doch die meisten Orden blieben bei den traditionellen Zuschnitten, wenn klimatische Verhältnisse oder Arbeitssituationen nicht dagegen sprachen. Sie wirken in ihrer Fremdheit zur modernen Kleidung als etwas Besonderes, vor allem wenn temperamentvolle, ihren Glauben überzeugend lebende Menschen, sie tragen. Selbst Filme und Fernseh-serien nutzen diese Effekte.
Das Fest der Einkleidung, die ewige Profess, ist der Beginn eines neuen Lebens mit einem neuen Namen, dem Ring und dem Gelübde: Armut, Gehorsam, Ehelosigkeit.
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Feierliche Einkleidung,Heiligkreuzkloster,gen.
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Dieses Leben steht ausschließlich im Dienst des Glaubens. Die Individualität ist in der Kongregation aufgegangen. Dafür steht das Ordensgewand, nur in diesem zeigen sich die Mitglieder künftig. Überspitzt gesagt leben sie nur noch in dieser „zweiten Haut“.

Das Kopftuch als Glaubenszeichen

Das veranlasst mich zu Wünschen für muslimische Frauen. Ich wünsche ihnen Selbstbewusstsein und Autonomie, um eigene freie Glaubensentscheidungen zu treffen – für oder gegen das Kopftuch.
So erhoffe ich für die Zukunft eine Gesellschaft mit politischen Strukturen, die religiöse Vielfalt tolerieren, gleichgültig, wer die Mehrheit ausmacht. Dann können den Glauben zeigende Attribute verschiedener Religionen getragen werden, wo auch immer es.auch sei.
Die Diskussion um die Zulassung von Lehrpersonal an unseren Schulen würde sich erübrigen.
Ob Ordensleuten, Diakonissen, muslimischen Lehrer/Innen oder Kippaträgern, keinem soll wegen solcher Zeichen die Schultüre verschlossen bleiben, wenn sie sich verpflichten, nach freiheitlich demokratischen Grundsätzen zu unterrichten und auf Glaubensindoktrination zu verzichten. Die Modellversuche zum islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache sind ein wichtiger Entwicklungsbereich, dazu die Forschungen an Universitäten

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Institut der Universität Tübingen; Homepage


Zeichen und ihr Bedeutungswandel

Ohrringe sind beliebte Schmuckstücke, inzwischen auch für manches Männerohr. Das wurde noch 1986 bei einem Polizisten in Rheinland-Pfalz von seinem Dienstvorgesetzten als so anstößig angesehen, dass es ihm gerichtlich untersagt wurde.
Bei Männern sei das ein „bekenntnishaft vorgetragener Ausdruck einer nonkonformistischen und betont individuellen Geisteshaltung“. Der Ohrring diente  als ein freiwillig getragens Erkennungszeichen in der „Schwulen“-Szene.
Ohrringe haben es in sich. Im Spätmittelalter galten sie in Oberitalien als eindeutiges Erkennungszeichen der weiblichen jüdischen Bevölkerung. Doch sie fanden so viel Gefallen bei Christinnen, dass auch sie sich damit schmückten. Der Ohrring war nun Mode-Detail der Mehrheit. Die „Lesbarkeit der ständischen Welt“ war in Frage gestellt, deshalb verboten Stadtväter von Bologna 1521 den Ohrring für Jüdinnen.

Fazit
Die ständische Ordnung des Mittelalters sollte sichtbar sein durch Kleidervorschriften und weiteren Erkennungszeichen. Bei randständigen Gruppen führte das zeitweise zur Diskriminierung und Stigmatisierung.
Solche Vorschriften für das äußere Erscheinungsbild gibt es längst nicht mehr. Doch die meisten Zeitgenossen überlegen, wo sie wie erscheinen wollen, damit sie keinen Anstoß erregen und vielleicht zur abgelehnten Minderheit werden
Bestimmte Gruppen kleiden sich gerne einheitlich und wollen als Gruppe wahrgenommen werden. Manche Schulgemeinschaften vereinbaren Schulpullis und -shirts, um dem Diktat von Modemarken zu begegnen und das Wir-Gefühl der Schule zu stärken.
Offenbar kommt es bei aller Offenheit der heutigen Gesellschaft gut an, sich als Gemeinschaft sichtbar zu machen und so zur beachteten Minderheit zu werden. Manch einer Gruppe genügt dafür auch ein angesteckter Button.


Bildquelle:
Nachweis des Copyright: Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg
 www.dpsg.de

Verwendete Literatur:
Hrsg. Borst Otto: Minderheiten in der Geschichte Südwestdeutschlands, Tübingen 1996; *) S. 26


Links:

St. Georg Böblingen informiert über Pfadfinder
 
Vortrag zu Jugendkultur 2002 Loccum

Joachim Wolf: Symbolwandel – Neonazis und ihr Lifestyle

Lebendig und authentisch geschriebene Beiträge zur Jugendszene
 
Roben und Talare

Information zum Ordensleben der Zisterzienser

Zum Kopftuch
(Video)

Randständige Gruppen im Mittelalter


 
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