von Anne Pöttgen
Heutzutage begegnet man dem Adel in Bunten Blättern, sozusagen auf du und du. Aber tausend Jahre lang näherten sich Bauern und Bürger dem Adel in gebückter Haltung – nicht nur bildlich gesprochen. Wie ist diese herrschende Minderheit entstanden?
Der Adel
Oberhalb der Masse der Bevölkerung und unterhalb der Herrscherhäuser entwickelte sich im heutigen Deutschland und in Frankreich eine Schicht von Grundherren, in der Reichtum und Macht verbunden waren. Sie herrschten über ihre Leibeigenen und ihre Hörigen und erhielten „von oben“ Privilegien und Rechte. Wie der Adel entstand, darüber sind sich die Gelehrten nicht einig. Dass er von Anfang an im öffentlichen Leben eine Rolle spielte, etwa als Beamte und im Gerichtswesen, scheint sicher zu sein. Zum Adel zu gehören hatte zwei Seiten, beschreibt der renommierte Historiker Jacques Le Goff so:
„Auch wenn es heute in Europa und unterschiedlich ausgeprägt nur noch Schatten des im Mittelalter geborenen Adels gibt, nehmen die Begriffe adelig und Adel immer noch eine herausragende Stellung in der abendländischen Werteskala ein. Denn schon im Mittelalter taucht neben dem Geblütsadel die Vorstellung eines adligen Charakters, Verhaltens oder einer Tugend auf, die den Menschen adelt.“
Spätantike - frühestes Mittelalter
Es war eine wirklich dunkle Zeit, was schriftliche Zeugnisse betrifft. Hier ist nur die Archäologie hilfreich: Die zahlreichen so genannten Adelsgräber zeigen an, dass es zur Zeit der Merowinger bereits Unterschiede gab. Es sind zweierlei Grabarten nachgewiesen, Reihengräber und Grabhügel.
Fraglich ist, ob die römischen Vorstellungen vom Adel übernommen worden sind, oder ob sich eigene Vorstellungen der Germanen durchsetzten. Fürsten, Herzöge und ihre Gefolgsleute gab es bei den Germanen ja schon seit langem.
Childerichs Ring
Hierzu gibt es die Überlegung, dass die Sonderrolle einiger Familien daher rührte, dass sie es verstanden, Landbesitz hinzu zu erwerben. Nicht nur an dem Ort, an dem sie lebten, sondern auch an weiter entfernten Orten. Heiraten waren dazu sicher hilfreich.
Aufstieg und Ausbau
Stieg man am eigenen Ort aus eigener Kraft auf oder wurden Ländereien und Rechte vom König oder anderen Großen verliehen? Beides gilt auf Grund der Funde in den Gräbern als wahrscheinlich. Einen Aufstieg erlebten die Adligen immer dann, wenn die Herrscherfamilien schwach waren. Ein Beispiel dafür sind die Hausmeier (major domus), die zunächst nur für die Hofhaltung zuständig waren, aber am Ende selbst zu Königen wurden. Das Merowingerreich reichte vom Pariser Raum bis zur Saale und Teile mussten verwaltet werden. Die Hausmeier waren für die zahlreichen Königshöfe, große, noch bäuerliche Anwesen, zuständig. Sie vertraten den König in allen Verwaltungsangelegenheiten, ernannten zum Beispiel Beamte und fertigten Urkunden im Namen des Königs aus.
Amt und Besitz waren die Grundlage der wachsenden Macht des Adels. Je mehr Grundbesitz desto mehr Leibeigene/Hörige, desto mehr Soldaten konnte man seinem Lehnsherrn zuführen.
Grundherrschaft
Wie sah diese Grundherrschaft aus? Aus den Verwaltern waren Eigentümer geworden, aus den Bauernhöfen Burgen, zunächst noch recht bescheidene, etwa die Motten. Das sind einfache Wohntürme, zu denen Vorburgen gehörten, in denen sich die Wirtschaftsräume befanden
Turm einer Motte
Der Grundherr, das war ein Adliger, sein Reich war der Fronhof, umgeben vom Land seiner Bauern, der Hörigen. Die Hufen, unterschiedlich große Ackerflächen, wurden vom Grundherrn vergeben, sie mussten ausreichen, um eine Familie zu ernähren. Der Grundherr herrschte in jeder Hinsicht über Land und Leute. Er war so etwas wie die heutige Polizei, auch die einfache Gerichtsbarkeit lag bei ihm. Sein Land bewirtschaftete der Grundherr mit dem Hofgesinde, den Leibeigenen und den Hörigen, die Frondienste zu leisten hatten. Aber der Grundherr hatte auch Pflichten, er hatte seinen Leuten „Schutz und Schirm“ zu gewähren.
Vielfach herrschte der Grundherr nicht nur über einen Fronhof sondern über ganze Landstriche.
Grafen und andere Herren
Im zehnten Jahrhundert lag die Struktur der Adelsherrschaft fest: Die Ämter waren erblich geworden, der Adelstitel eines Familienoberhauptes gebührte der ganzen Familie. Man lebte auf einer Burg, hatte ein Wappen und ein Siegel.
Die mittelalterliche Gesellschaft war geteilt in Freie und Unfreie. Der Adel war die Spitzengruppe der Freien. Je näher verwandt man mit dem Königsgeschlecht war, desto höher der Adelsrang: Man war Herzog, Markgraf, Pfalzgraf oder Graf. Verwaltungseinheit war der Gau, geführt von einem Gaugrafen.
Hervorgehoben unter den Grafen waren die Pfalzgrafen, ursprünglich war der Pfalzgraf ein vom König eingesetzter Beamter, ein Vertreter des Königs und ein Gegenpart zu den selbstständigen Stammesherzögen.
Ritter
Die Ritter waren ursprünglich berittene Krieger. Sie stammten meist aus adligen Häusern. Aber auch Unfreie, vorwiegend Hofbeamte oder deren Söhne, konnten zu Rittern aufsteigen. Bis zum Ritterschlag gab es eine vieljährige Ausbildung, zunächst als Edelknabe, ab dem vierzehnten Lebensjahr als Knappe. Sie lernten das Kriegshandwerk, aber auch die höfische Bildung.
Idealbild eines Ritters
Bekannt sind die Ritterorden des Mittelalters, sie dienten eher dem Schutz ihrer Mitmenschen als Kriegszwecken.
Der Niedergang des Ritters als berittener Krieger begann im vierzehnten Jahrhundert, als Kriege auf andere Weise ausgetragen wurden. Der hohe Aufwand für Pferd, Rüstung und Begleitung lohnte sich nicht mehr.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich ein Geflecht von Adligenfamilien, -rechten, -titeln und –aufgaben. Diese Entwicklungen aufzuzeigen, würde den Rahmen dieses Beitrags weit übersteigen. Am Kopf der Pyramide stand natürlich der Kaiser, es folgten die Könige, die Herzöge, die Grafen, Barone und Ritter.
Geschichtliches
Neu war die Vorstellung nicht, dass es Menschen gibt, die besondere Aufgaben übernehmen und dafür besondere Rechte genießen. Schon das so genannte Fürstengrab von Leubingen wurde für einen reichen und mächtigen Mann errichtet. Er lebte in der Bronzezeit.
Fürstengrab Bronzezeit
Der Inhalt der Grabkammer ist im Museum für Ur- und Frühgeschichte in Weimar zu besichtigen.
Bekannt sind inzwischen einige Fürstengräber der Kelten, am Glauberg in der Wetterau und in Hochdorf in Baden-Württemberg.
Keltisches Fürstengrab; Foto: Detllef Meissner
Auch die Römer kannten eine Adelsschicht. Ab ihrer Zeit gibt es schriftliche Zeugnisse. Die Patrizier gründeten ihre Ansprüche auf ihren Landbesitz. Sie übernahmen Verwaltungsfunktionen und konnten Mitglied des Senats werden. Das höchste zivile und militärische Amt, das es seit dem Jahr 509 v. Chr. gab, war das Amt des Konsuls. Eine Familie, die einen Konsul in ihren Reihen aufzuweisen hatte, war adlig. Was aber war zuerst? Der Konsul oder seine adlige Familie?
Abgeschafft?
In der Weimarer Reichsverfassung von 1919 wurden in Deutschland alle Privilegien des Adels abgeschafft. Es gibt von da an keine Adelstitel mehr, sie werden als Namensbestandteile weiter geführt. Die Adelsfamilien mit ihren unterschiedlichen Rängen und ihrem Besitz aber gibt es weiterhin.
Zu den Privilegien der Adeligen gehörten etwa Steuerfreiheit und Bevorzugung im Staatsdienst. Im Zeichen der Aufklärung und der Französischen Revolution von 1789 waren bereits Bestrebungen entstanden, die Leibeigenschaft/Hörigkeit aufzuheben. Zwischen den Bauern und den Grundherren entstanden mehr oder weniger gleichberechtigte Rechtsverhältnisse etwa Pachtverträge.
Es sei angemerkt: Die Männer, die während der Nazizeit Adolf Hitler beseitigen wollten, entsprachen alle den Vorstellungen Le Goffs vom Adel, ob mit oder ohne Titel.
Links
Antike
Adelsgräber, Hofgrablegen und Grabraub im östlichen Merowingerreich (Austrien)
Genealogie Mittelalter
Leibeigenschaft
Adelsrechtliche Begriffe
Ritter
Foto Detlef Meissner unter Lizenz CC
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