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Grenzmodell Schleswig Holstein

                                     von Margret Budde

Die Deutschen im Süden Dänemarks und die Dänen im nördlichsten Teil Deutschlands haben eine wechselvolle Geschichte. Das inzwischen friedliche Zusammenleben zweier Völker nach langen schwierigen Jahren ist zum Modellprojekt im Norden Europas geworden.

 

Geschichte des Grenzlandes

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Das südliche Schleswig, Lizenz abgelaufen

Von 1864 bis 1920 gehörte Schleswig zu Preußen. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg erzwangen die Siegermächte im Versailler Friedensvertrag durch zwei Plebiszite eine neue Grenzlinie. Die Stimmabgabe in dem in zwei Zonen eingeteilten Gebiet wurde unterschiedlich gehandhabt. Nördlich der 69 km langen Grenze durften die Menschen nur en bloc abstimmen. Dadurch wurde die Mehrheit der deutschen Bevölkerung in einigen Städten wie Aabenraa, Haderslev und Tønder nicht berücksichtigt. Die Gesamtheit Einwohner stimmte für Dänemark.
Südlich der Grenze sollte jede Gemeinde für sich ihre Stimme abgeben. Hier bekam Deutschland in der Endabstimmung die meisten Stimmen. So wurde 1920 dieses Gebiet in das dänische Nordschleswig und das deutsche Südschleswig geteilt.
Die Ergebnisse dieser unterschiedlichen Abstimmungsmodalitäten sorgten in den nächsten Jahren für erhebliche nationale Spannungen, die einer Lösung bedurften.

Die neue Grenzlegung
Eine internationale Kommission CIS (Commission Internationale Slesvig) unter Vorsitz des Briten Charles Brudenell Bruce und je einem Vertreter, der sich neutral verhaltenden Staaten Norwegen und Schweden, wurde eingesetzt. Sie hatten die Aufgabe, nach Artikel 109, für Sicherheit und Ordnung in diesem Grenzgebiet zu sorgen. Unter Beachtung wirtschaftlicher, kultureller und geographischer Gesichtspunkte sollten sie unter anderem einen Vorschlag zum neuen Grenzverlauf erarbeiten.

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Deutsch-dänisches MInderheitengebiet

Dieser Grenzplan der CIS wurde im Mai 1920 in Paris mehrheitlich anerkannt und anschließend durch die CIS realisiert. Die Grenze verlief so, wie wir sie heute kennen.
Das Mandat dieser internationalen Kommission erlosch am 15. Juni 1920. Nach dem sofortigen Abzug der alliierten Truppen, die das Gebiet besetzt hatten, wurde auch die Kommission CIS unter großem Beifall der Bevölkerung verabschiedet.

Versuche einer Annäherung

In den Jahren nach 1920 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 war das Zusammenleben der beiden Völker durch viele Schwierigkeiten geprägt. Durch die Hinwendung vieler Nordschleswiger als Deutsche zu den Nationalsozialisten, gleich nach deren Machtübernahme, entstand eine feindliche Stimmung bei der dänischen Bevölkerung.
Der "Haderslebener Kreis", eine weitgehend unbekannte Gruppe um Friedrich Prahl und Matthias Hansen aus Hadersleben, sah aber schon vor Kriegsende die Notwendigkeit, ein neues Verhältnis zwischen Dänen und der deutschen Minderheit herzustellen. Im November 1943 legten sie die Bedingungen für ein gutes Zusammenleben mit den dänischen Mitbürgern auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens und absoluter Loyalität fest. Dieses Vorhaben konnte allerdings nicht sofort in die Tat umgesetzt werden. Die Auseinandersetzungen und Spannungen bestanden weiter.
Für die Minderheiten gab es wenig Möglichkeiten zur Ausübung ihrer kulturellen und politischen Arbeit.

Minderheitenregelung nach 1945
Auf der Pariser Außenministerkonferenz der NATO 1954 sprach die Dänische Regierung  eine Regelung der Minderheitenfragen im deutsch-dänischen Grenzland an. Anfang 1955 folgten bilaterale deutsch-dänische Regierungsverhandlungen über dieses Thema. Das Ergebnis waren die im März 1955 abgeschlossenen "Bonn-Kopenhagener Erklärungen". Diese zwei separaten Regierungserklärungen bestätigten eine Anerkennung der Minderheit im jeweiligen Staat. Im Mittelpunkt stand dabei das oberste Prinzip: "Minderheit ist, wer will." Niemand erhält Sonderrechte. Die Schulen beiderseits der Grenze erhalten Examensrechte. Zusätzlich befreit die Schleswig-Holsteinische Landesregierung die dänische Minderheitenpartei von der Sperrklausel bei Wahlen.
Die Inhalte dieser Erklärungen wurden von beiden Staaten anerkannt und sofort  umgesetzt, obwohl sie völkerrechtlich nicht bindend sind.

"Bonn-Kopenhagener Erklärungen"
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Gedenkbriefmarke, gemeinfrei

Die Erklärungen beginnen mit dem ausdrücklichen Wunsch nach einem freundschaftlichen Zusammenleben der Völker auf beiden Seiten der Grenze. Beide Staaten wollen ein freundschaftliches Verhältnis pflegen.
Mit Verweis auf den Artikel 14 der europäischen Menschenrechtskonvention legen beide Staaten fest, dass alle bürgerlichen Freiheitsrechte, die in den Verfassungen der beiden Staaten festgelegt sind, auch für die Personen gelten, die der dänischen oder der deutschen Minderheit angehören. Aus diesen Rechtsprinzipien wird abgeleitet, dass sich jeder zu seiner Kultur und Nationalität bekennen darf, sprich "frei ist und nicht von behördlicher Seite bestritten oder kontrolliert werden darf."
Minderheitenregelungen sollen zu den inneren Angelegenheiten des jeweiligen Landes gehören. Weitere wichtige Artikel werden zugefügt. Zusätzlich verankert die Bundesregierung die Bestimmung zu Gunsten nationaler Minderheiten im § 9 Absatz 5 im Bundestagswahlgesetz vom 8.7.1953.

Regelungen im Alltag
Den Status einer nationalen Minderheit haben beide Staaten mit der Staatsangehörigkeit verknüpft. So muss ein Däne in Deutschland wohnen, um der dänischen Minderheit anzugehören.
Schon seit 1920 war die deutsche Minderheit in Nordschleswig zu den Wahlen zum Folketing zugelassen worden. Aber erst 1949 verankerte die schleswig-holsteinische Landesregierung die Minderheitenrechte mit den "Kieler Erklärungen" in der Landessatzung.
Durch den Wegfall der 5 Prozent-Klausel konnte die dänische Minderheit im südlichen Teil mit der notwendigen Stimmenanzahl ein Mandat im Landtag erreichen. Beide Vertragsseiten hatten das Recht, an weiterführenden Schulen, wie an der Duborg-Skolen in Flensburg und an einem neuen deutschen Gymnasium in Apenrade, anerkannte Abschlüsse anzubieten.
Im Artikel 5 der neuen Schleswig-Holsteinischen Verfassung von 1990 heißt es, dass die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe "Anspruch auf Schutz und Förderung" haben.

Das Leben mit Minderheiten

Das Verhältnis zwischen Minderheit und Mehrheit hat sich seit 1955 positiv entwicklelt. Nach der sprunghaften Verbesserung Mitte der achtziger Jahre legt die Landesregierung nun in jeder Legislaturperiode einen Minderheitenbericht vor. Seit 1988 gibt es in Schleswig-Holstein Grenzland- bzw. Minderheitenbeauftragte. Die Bundesregierung richtete nach der Bundestagswahl 2002 das Amt des Bundesbeauftragten für nationale Minderheiten ein. Am Vereins- und Verbandsleben nehmen Minderheiten und Mehrheiten gleichermaßen teil. Im Alltag und Beruf leben die Menschen in diesen Gebieten meistens friedlich und konfliktfrei zusammen. Wie überall entstehen Konflikte oft nur aus Unverständnis oder kulturellen Unterschieden.

Kultur und Bildung
Beiderseits der Grenze identifizieren sich die Menschen in Sprache, nationaler Zugehörigkeit und Kultur mit dem jeweiligen Nachbarland. Jede Minderheit hat ein weitreichendes Netzwerk von Verbänden und Institutionen aufgebaut, das mit staatlichen Mitteln unterstützt wird. Diese nehmen, neben den Schulen und Kindergärten, die meisten Aufgaben im Bereich Bildung und Kultur wahr. Büchereien und Tageszeitungen aus den Regionen werden rege genutzt. In Nordschleswig wird Deutsch als Fremdsprache angeboten. In Südschleswigs Schulen ist Dänisch ein Wahlfach. Zu bemerken ist, dass fast alle Schüler die Sprache des Aufenthaltslandes lernen.
Das kirchliche Leben wird so geregelt: ein deutscher Pastor als Angestellter der dänischen Volkskirche und ein Vertreter der Nordschleswigschen Kirchengemeinde der Nordelbischen Kirche arbeiten in unterschiedlichen Gemeinden. In Südschleswig hat die Dansk Kirke i Sydslesvig die Gemeindeaufgaben übernommen.

Ausblick
Inzwischen hat sich die Wirkung der Regierungserklärungen als so erfolgreich erwiesen, dass sie als einzigartig gelten kann. Das friedliche Zusammenleben von deutscher und dänischer Minderheit in einer jeweils anderen nationalen Bevölkerungsmehrheit kann man als ein gelungenes Beispiel mit Vorbildfunktion bezeichnen.
Wahrscheinlich ist es nicht auf alle Grenzländer anzuwenden. Es bleibt aber zu hoffen, dass andere Völker mit ähnlichen Grenzsituationen, zumindest in Europa, sich dies zum Vorbild nehmen und danach handeln. Eine wichtige Voraussetzung dabei ist: beide Völker müssen demokratisch regiert werden und die Bereitschaft zu gegenseitigem Verständnis und gewaltfreiem Zusammenleben zeigen.
Im Laufe der Zeit zeigte es sich im Norden, dass bei allgemeiner Verantwortung auch im finanziellen Bereich und bei Gegenseitigkeit, die auf Freiwilligkeit beruht, ein weites Feld für Entfaltungsmöglichkeiten beider Minderheiten gegeben ist.


Links:

Deutsches Historischen Museum Berlin


Bundeszentrale für politische Bildung bietet Schulungsmaterial


Dänische Landeskunde im Außenministerium


Schleswig-Holsteinische Geschichte

Grafik deutsch-dänisches Minderheitengebiet: Roke unter der Lizenz CC
http://www.creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/ 

Grafik Das südliche Schleswig:
Kort tegnet 1934 af Johannes Chr. Nielsen, Haderslev. Gengivet efter: Karl N. Bock: Et Menneskeliv. Nakskov 1972. ( Karte gezeichnet 1934 von Johannes Christian Nielsen, Hadersleben. Wiedergabe nach Karl N. Bock: "Et Menneskeliv" (Erinnerungen), hrsg. Nakskov 1972.) Lizenz abgelaufen; 

 
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