In der Diaspora
               ,                     von Beate Rögels, Gast
Unsere Presse konfrontiert uns täglich mit Problemen, die durch Minderheiten entstehen, die Schwierigkeiten haben, sich zu integrieren

Katholiken in Thüringen
Oft habe ich mich gefragt, was geht in Menschen vor, die sich weigern, unsere für uns so selbstverständliche Lebensweise zu übernehmen? Bis mir einfiel, dass ich in meiner Jugend auch zu einer Minderheit gehörte und dass diese Zugehörigkeit Probleme, aber auch Vorteile mit sich brachte.
Wir lebten in Erfurt, in Thüringen, unsere Familie war katholisch. Unter dem Einfluss der Nazis traten viele Menschen aus ihrer Kirche aus, um sich bei SA und SS „Liebkind“ zu machen. Aber die Mehrheit der Thüringer blieb protestantisch. So stellten wir Katholiken in unserer Stadt eine Minderheit dar.

Katholiken in der Nazizeit
Wir fühlten uns in dieser Minderheit wohl, denn jeder kannte jeden und am Sonntag trafen wir uns alle zum Gottesdienst in unserem Dom und danach zu einem ausgiebigen Plausch.
Illustration
Dom und Severi

Aber auch Schwierigkeiten fehlten nicht. Denn jeden Sonntagmorgen gab es auf dem Domplatz auch Appelle der Hitlerjugend und des BDM. Als eines Tages unsere BDM-Führerin bei uns zu Hause aufkreuzte um zu fragen, warum wir am Sonntags-Appell nicht teilnähmen, musste unsere Mutter allen Mut zusammen nehmen, um ihr zu sagen: “Sonntagsfrüh gehen wir in die Messe, vielleicht solltet ihr euren Appell mal verschieben.“
Wir hatten Glück, dass unsere „Führerin“ nicht aggressiv reagierte, sonst hätte unsere Mutter bestimmt Schwierigkeiten bekommen.

Vielerlei Minderheiten
Trotz unseres Zusammengehörigkeitsgefühls gab es auch Situationen, die Hilfe unmöglich machten. So gehörte zu unserer Gemeinde ein Offizier des 1. Weltkrieges, dessen Frau zwar auch katholisch, aber Jüdin war. Man kann nicht beschreiben, was wir empfanden, als wir hörten, dass Frau R. „abgeholt“ und nach Auschwitz verschleppt worden war, wo man sie ermordete. Sie gehörte zu einer weiteren Minderheit, die keinerlei Chancen in der damaligen Gesellschaft hatte.
Nach diesen Erfahrungen aus meiner Kindheit wünsche ich mir nichts mehr als Toleranz auf beiden Seiten, die zwischen „Minderheit“ und „Mehrheit“ ein entspanntes „Miteinander“ möglich macht.

 
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