von Uwe Bartholl
„Das
Deutsche Schauspielhaus in Hamburg sucht für ein Theaterprojekt ältere
Menschen, die ..." So oder ähnlich begann eine Ansage auf NDR-Kultur im
Spätherbst 2007. Ich hielt beim Gemüseputzen inne.
Das Theaterprojekt
Ältere Menschen, Schauspielhaus! Ich war ganz Ohr. Und so etwa ging es weiter
in der Ansage: „... die sich in der nach dem Berufsleben neu verfügbaren Zeit
ehrenamtlich engagieren. Worum und warum kümmern sich diese Menschen um andere?
Und wer sind diese Menschen selber? Das soll als Dokumentartheaterstück
erarbeitet werden und im Herbst 2008 zur Aufführung gelangen. Interessenten
wenden sich bitte ..." Noch am gleichen Tage schrieb ich an das Deutsche
Schauspielhaus und nannte meine Kümmerertätigkeiten. Dabei stellte ich die Mitwirkung
im Virtuellen und realen Lern- und Kompetenznetzwerk älterer Erwachsener (ViLE)
e.V. und im LernCafe besonders heraus. Damit, so war ich mir sicher, kam das Schauspielhaus
nicht drum herum, sich für mich zu interessieren.
Das Casting
Längst hatten andere Tagesereignisse die Oberhand gewonnen, als im Februar die
Einladung zum Castingtermin kam. Ich war aus dem Häuschen. Hamburg, Probebühne Bahrenfeld,
Gewimmel von Theatervolk und Castingleuten. „Wir werden Sie voraussichtlich
erst in zwei Stunden um Ihre Vorstellung bitten." Macht überhaupt nichts. Ich
genoss die Atmosphäre, Becher Kaffee in der Hand. Die Hochstimmung hielt an. „Herr
Bartholl, bitte."
Die persönliche Vorstellung
Probebühne, ein Riesenraum. Hinten an langem Tisch etwa zehn Theaterleute,
Regisseur, Dramaturgie, Assistenzen ... Der eine Stuhl davor war meiner. (Wann
hatte ich mich das letzte Mal bewerben müssen?) Ich zog alle Register. Mein
Stichwort: Gesellschaftliche Teilhabe bis ins hohe Alter. Kompetenzen
einbringen und lernen, um wach zu bleiben in gesellschaftlicher Verantwortung ...
Das zündete. Später sollte mein Auftritt mit dem Vermerk notiert werden:
Energiebündel. - Na, ja. -
Es war ein Erlebnis der besonderen Art. Unbeschreiblich. Und wenn hieraus
nichts weiter folgen würde, weil Konkurrenten mich aus dem Feld schlugen, ich
feierte beim Griechen mit Wein und Lamm. Ein Jammer, dass ich alleine war.
Arbeitsplatz: Schauspielhaus
Und dann im März 2008 der Anruf: „Wir würden uns freuen, wenn Sie sich für das
Theaterprojekt verpflichten könnten. Am ersten April beginnen wir mit der Arbeit
..." Ich wusste, dies stellt alles, wofür ich mich bisher engagierte, in den
Schatten. Das Schauspielhaus übernahm die Führung in meinem Terminkalender und
weitgehend über das, was mich gedanklich beschäftigte. Biografisches Material
musste gehoben werden, Textentwürfe galt es zu erstellen, Umsetzung auf der
Probebühne im Ensemblespiel, und immer wieder üben, üben. Unsere Truppe bestand
aus 18 Frauen und Männern im Alter zwischen 60 und 90 Jahren.
Auf der Bühne, Foto A.T. Schaefer, genehmigt
Dazu kamen dann noch Regisseur und andere Theaterfachkräfte, alle hoch professionell.
Die Kümmerer
Unser Betriebsausweis füllte die letzte Lücke, um uns ganz zum Schauspielhaus
gehörig zu fühlen. Wir setzten uns ein mit Haut und Haaren. Am 05. Oktober ging
der Vorhang auf für „Die Kümmerer", 10 weitere Aufführungen in der Planung. Eine
Zeitung titelte: Ängste und Glücksmomente - Melancholische Revue „Die
Kümmerer": Alte zeigen soziales Engagement.
Zwei Jahre danach
Wenn wir uns heute treffen, dann hat uns alle der Alltag wieder und das, was
das Älterwerden begleitet. Einige leben schon nicht mehr. Doch dieser Elan, der
uns damals zu Hochform auflaufen ließ, er ist nicht verbraucht, sondern zeigt
sich in dem, was heute an Engagement möglich ist. In unserem Alter kann sich in
den persönlichen Bedingtheiten schnell etwas ändern und damit auch in den
Möglichkeiten, sich für eine Sache oder andere Menschen zu engagieren. Doch,
wenn es irgend geht, wir machen alle weiter. Darin waren und sind wir uns
einig: Bürgerschaftliches Engagement tut einfach gut, dem Zweck und dem, der
sich engagiert.
Information und Trailer zum Dokumentartheaterstück „Die Kümmerer"
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