von Margret Budde
Im Alter allein und mit eingeschränkten Kräften
wünscht man sich, trotzdem lange in vertrauter Umgebung leben zu können. Früher
war selbst Glühlampenwechsel und ein verstopftes Flusensieb kein Problem. Heute
Unlösbar? Nicht so in Münster.
Zuerst die Idee, dann die Umsetzung
Im Sommer 1994 besuchte die damalige Sozialpädagogin Carla Bukmakowski das
Werkhaus Anti Rost in Berlin. Noch im gleichen Jahr gründete sie zusammen mit
fünf Männern und einer Frau die Selbsthilfegruppe Anti Rost im Seniorenbüro St.
Mauritz, Münster. Sie wussten, dass manch älterer Alleinstehender nicht mehr
auf die Hilfe derer hoffen konnte, die ihn früher einmal unterstützten. So
haben die Helfer sich eine persönliche Hilfestellung bei Kleinstreparaturen und
haushaltsnahen Dienstleistungen zur Aufgabe gemacht. Die quietschende Tür, der
tropfende Wasserhahn, eine durchgebrannte Glühbirne oder der wackelnde Stuhl
sollte nun niemanden mehr stören. Dieses Angebot wurde gern in Anspruch
genommen und sprach sich in der Gemeinde schnell herum. Jahrelang blieb die
Hilfe auf die Gemeinde beschränkt. Doch das änderte sich bald.
Aus kleiner Gruppe wächst ein Verein
Langsam steigt die Zahl der Helfer, aber auch die der Hilfesuchenden. Ab 2004
setzt sich Wolfgang Schröder als ehemaliger Handwerker aus der Elektrobranche
zusammen mit einer wachsenden Helferschar aus allen Berufszweigen für diese
gute Idee ein und übernimmt die Regie. Die Seniorenvertretung Münster begleitet
die Initiative zwei Jahre mit dem Ziel, dass alle Senioren der Stadt Münster
diese Hilfe in Anspruch nehmen können. Durch den Anschluss an die
Seniorenvertretung als Dachorganisation wird 2006 der Weg an die Öffentlichkeit
geebnet. So ist ein Sprachrohr auf kommunaler Ebene gegeben. April 2008 bringt
ihnen die Gründung des gemeinnützigen Vereins ANTI ROST MÜNSTER e.V. die
Selbständigkeit.
Logo des Vereins
Inzwischen sind in den sechs Stadtbezirken vierzehn Frauen und 46 Männer
bereit, hilfsbedürftigen, besonders älteren Mitbürgern aus akuter Notlage zu
helfen.
Organisation ist alles
Am 1. April 2009 kann ein kleines Büro im Zentrum der Stadt eröffnet werden.
Von 29 Personen, die sich für den Bürodienst eingetragen haben, stehen täglich
zwei Personen montags bis freitags von 10 bis16 Uhr bereit, persönlich die
telefonischen Anfragen entgegenzunehmen und an die Kollegen in den einzelnen
Stadtteilen weiterzuleiten. Außerhalb der Bürozeiten ist ein Anrufbeantworter
geschaltet. Bei diesem ersten Kontaktgespräch wird Art und Umfang der
gewünschten Hilfe abgeklärt.
Im Stadtteil Hiltrup haben sie aufgrund einer recht großen Anzahl von Helfern
aus dem nahen Umland die Möglichkeit, neben den Sprechzeiten im Vereinsbüro in
zentraler Stadtlage auch hier einmal wöchentlich Beratungszeiten anzubieten.
Mehr Mobilität
Durch die großzügige Spende eines Geldinstitutes im Sommer 2010 für einen PKW
Anhänger sind jetzt die vielen Probleme beim Transport der
Ausstellungsgegenstände oder bei einigen Hilfeleistungen gelöst.
Wer macht was wie oft
Die Vorstellung aus früheren Jahren, dass Frauen nicht mit schwerem
Handwerkszeug umgehen sollten, ist heute Gott sei Dank nicht mehr aktuell. So wird
immer wieder von dem großem Erstaunen und auch der Begeisterung der Senioren
berichtet, wenn Frauen mit großer Sicherheit die Bohrmaschine führen und
zielgenau den Nagel einschlagen. Ebenso wollen sich einige der männlichen
Mitglieder im Rentenalter nicht mehr mit den kopflastigen Themen zum Beispiel
eines Juristen oder Steuerberaters befassen, sondern lieber
"handfest" sprich handwerklich arbeiten. Waren 2008 fast 480
Hilfseinsätze zu verzeichnen, so steigerte sich diese Zahl 2010 auf über 850
dokumentierte Einsätze.
Die anerkennenden Worte des Oberbürgermeisters Lewe von Münster "Die
Jungen sind zwar schneller, aber die Alten kennen die Abkürzung" zeigen
eine große Wertschätzung in der Öffentlichkeit.
Wo können und dürfen sie helfen?
Nicht alle Hilfsanfragen können aus rechtlichen Gründen bearbeitet werden. Die Ziele
sind mit der Handwerkskammer abgestimmt.
So werden Wasserleitungen und Elektrokabel nicht verlegt. Doch das
Lampenanschließen und das Gardinenstangebefestigen gehören zu den oft
ausgeführten Tätigkeiten.
Alle Helfer tragen sich in eine Liste für ihre persönlichen
Einsatzmöglichkeiten und ihr gewünschtes Einsatzgebiet ein. Auf diesem gut
sichtbaren Aushang im Büro ist sofort ersichtlich, welcher Helfer angesprochen
werden kann. Erst vor Ort können diese aber entscheiden, ob sie diesen Auftrag
annehmen. Müssen sie aus bestimmten Gründen ablehnen, bleibt der Hilfesuchende
nicht allein mit seinem Problem. ANTI ROST weist dann auf die ortsansässigen
Handwerksbetriebe hin, die auf den gelben Seiten zu entnehmen sind.
Die Unterstützer
Die Arbeit in ehrenamtlichen Organisationen ist ohne finanzielle Unterstützung
schwierig auszuführen. Dankbar werden daher Mittel von Geldinstituten,
Stiftungen, Spenden und auch praktische Geschenke von Geschäften in Form von
Werkzeug, Briefmarken, Schrauben, Dübeln etc. entgegengenommen. Die teilweise
Übernahme der Druckkosten von Plakaten und Flyern ermöglichen es, dass
inzwischen an vielen öffentlichen Einrichtungen auf diese Dienste aufmerksam
gemacht werden kann.
Im Januar 2009 freuen sich die Mitglieder von ANTI ROST über die Auszeichnung
mit 1000 Euro Preisgeld bei dem städtischen Wettbewerb "Hilfe für
Helfer" der Deutschen Bank Münster. Jetzt schaffen sie zu anderen
notwendigen Dingen auch einige Werkzeugkoffer für die Handwerker an. Die
Zusammenarbeit mit der örtlichen Presse funktioniert sehr gut. Ende 2010 wird
mit großzügiger Unterstützung der PSD Bank Münster und des Grafikbüros
Freier-Bongaertz der Internetauftritt verwirklicht.
Rauchmelder retten Leben
Lebensretter
Nach Schulung durch die Feuerwehr bieten ab 2008 zwölf Helfer den Einbau
der geprüften Rauch- oder Thermomelder in den Seniorenwohnungen an. 2010 wurden
mehr als 100 Rauchmelder und 20 Thermomelder installiert. Damit haben sie
insgesamt 354 Rauch- und 82 Thermomelder
in 265 Seniorenhaushalten angebracht. Aus der Installationsdokumentation kann
das genaue Datum der jährlichen Überprüfung oder eines notwendigen Batteriewechsels
ersehen werden. Seit Juli 2010 werden nur noch Rauchmelder mit
Langzeitbatterien (10 Jahre) angebracht.
Wenn zur Weihnachtszeit die Menschen gern bei Kerzenlicht gemütliche Stunden
verbringen, startet ANTI ROST eine besondere Kampagne. In Vorträgen und
Zeitungsartikeln wird mit Unterstützung der Feuerwehr und der örtlichen Presse
auf die Notwendigkeit eines Rauch- oder Thermomelders aufmerksam gemacht. Erst
kürzlich wurde von einem verhinderten Zimmerbrand nach gerade zuvor
installiertem Rauchmelder berichtet.
Vorsorge ist also gut.
Links
ANTI ROST MÜNSTER e.V.
Werkhaus Anti Rost Berlin
Feuerwehr Deutschland
Rauchmelder - Lebensretter
Alle Bilder und Zeichnungen ANTI ROST MÜNSTER e.V.
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