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Ein Vortrag im SWR2: Aula
                                    von Erdmute Dietmann-Beckert
Ich möchte auf diesen Vortrag Jürgen Wertheimers hinweisen, weil das Thema zum neuen LernCafé passt. Die Frage: Wieviel ist der Mensch wert? wird mit Beispielen aus der Literatur beantwortet. Einige mir wichtige Aspekte fasse ich im Folgenden zusammen.

Der Autor
Jürgen Wertheimer ist Professor für neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik (vergleichende Literaturwissenschaft) an der Universität Tübingen. Ich habe den Vortrag am 13. Juni 2011 im Radio gehört.

Ohne Geld bist du nichts wert
Bei Gustav Freitag und Gottfried Keller scheitern die Hauptpersonen, weil sie am Ende ohne Geld dastehen. Nach McLuhan, dem Kommunikationswissenschaftler, ist Armut „schädlich, schändlich und schandbar". Nur im Märchen ist der Arme glücklich. Auch Gustave Flauberts Madame Bovary steht zuletzt ohne finanzielle Mittel da und begeht deshalb Selbstmord. Schließlich erleidet auch Lucien Chardon, der Held in Honoré de Balzacs „Illusions perdues nicht allein den gesellschaftlichen Tod.

Ist der Preis des Menschen Verhandlungssache?
Mitarbeiter eines Betriebs werden nicht nach ihren einfühlsamen menschlichen Qualitäten beurteilt, sondern nach ihrem Wert für ein erfolgreiches Wirtschaften. Das gilt auch für das Verhältnis Autor und Verleger. Der Verlag will verkaufen, einen Gewinn erzielen. Nicht der hohe ethische Wert oder ihre wunderbare Sprache zählen, sondern die Aussicht auf einen gewinnbringenden Verkauf. Nach Wertheimer hat sich diese Entwicklung im 19. Jahrhundert angebahnt und schließlich durchgesetzt.

Die Opfer des kapitalistischen Systems
Der wachsende Unterschied zwischen Armen und Reichen wird bagatellisiert. Das System wird nicht hinterfragt. Arme hat es immer schon gegeben. Schuld und Verantwortung sind Vokabeln geworden. Stefan Weigl, Jahrgang 1962 und Autor des Hörspiels Ein Leben in Kontoauszügen beschönigt nicht, wenn er das Geld und seine Gesetze als das vorrangige Interesse bestimmt. Auch die überfüllten Flüchtlingsboote, die kentern und die Toten dem Meer überlassen, sind Zeichen der Geldgier von verantwortungslosen Schleppern.

Gesetze des Marktes verdrängen Verantwortung

Zwei nicht europäische Autoren, Wole Soyinka aus Nigeria und Derek Walcott aus der Karibik beschreiben in ihren Theaterstücken die verheerende Wirkung der Gesellschaftssysteme, die nach dem Gesetz der Geldwirtschaft funktionieren. „Die Spekulation ist unantastbar, die Menschenwürde sehr wohl." Wertheimer stellt die rhetorische Frage: „Was sollen wir tun?" Die Literatur hat keine Antwort. Sie stellt nur die Fragen.

Literatur und die soziale Frage
Charles Dickens hat im 19. Jahrhundert mit seinen Texten über Ausbeutung und Kinderarmut das Unrecht in der Gesellschaft beklagt. Heute werden wir auf vielfältige Weise mit Nachrichten über Elend und Not unterrichtet. Meist handelt es um Ereignisse, die sich weitab unserer Zivilisation zutragen. Sie bringen uns nicht um den Schlaf. Es gibt so viel Schreckliches in der Welt, wir wären überfordert, wenn wir uns anrühren ließen.
Im Augenblick sind es die Nachrichten über das Sterben der Menschen und Kinder in den afrikanischen Dürregebieten, die uns erschrecken. Aber mehr als die Naturkatastrophe bewegen uns die Nachrichten über die machtgierigen verantwortungslosen Clans, die keine Hilfe von außen zulassen.

Ist der Wert des Menschen eine Fiktion?
Nein. Der Wert des Menschen ist weder Fiktion noch Gegenstand von
Verhandlung. Er ist keine Frage von Angebot und Nachfrage. Wir können uns daran beteiligen, dass die Würde des Menschen unantastbar bleibt und der Wert des Menschen nicht dem Gesetz des Marktes unterworfen wird.

Link
Eine Ausstellung in Gießen

 
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