von Erna Subklew
Auf einem Kongress der Caritas zum Thema „Was
Kinder starkmacht" hielt Dr. A. Etheber einen Vortrag über die Wertevermittlung
im Erziehungsprozess des Kindergartens. Mein Beitrag beschäftigt sich mit
diesem Vortrag, der wegen des Themas sehr aktuell ist.
Was Kinder
starkmacht.
Das Thema des Kongresses sollte klären, ob die Vermittlung von Werten, nach
denen unsere Gesellschaft verlangt, dazu beiträgt, Kinder stark oder aber gefügig
zu machen. Unser Alltag, auch der der Kinder, steht unter zwei sich
widersprechenden Prinzipien: Ellbogen oder Solidarität.
In verschiedenen Fernsehserien wie „Deutschland sucht den Superstar" und
ähnlichen bekommen die Kinder die Ellbogenmentalität vorgeführt. Hier herrscht
Durchsetzungskraft, Selbstdarstellung, sogar Täuschung vor. Jeder ist
Einzelkämpfer und muss immer besser sein als der andere. Der ist im Vorteil,
der seine Ellbogen zu gebrauchen weiß. Der Verlierer dagegen wird abschätzig
beurteilt, abgekanzelt, nieder gemacht.
Andere Sendungen dagegen zeigen, wie nur die Solidarität zu einem Ergebnis
führt, ein Beispiel hierfür sind Sendungen über den Mannschaftssport. Es sind
aber auch solche, die zeigen, wie den Menschen geholfen wird, die allein mit
ihren Problemen nicht fertig werden.
Was sind Werte?
In der Philosophie wird der Begriff Werte nur sehr zögerlich gebraucht, in
ethischen Argumentationsverfahren ist er fast nie zu finden. Seit Beginn des
20. Jahrhunderts ist er in Zusammenhang mit der Ökonomie in das Vokabular der
Politik gelangt und hat eine schnelle Verbreitung gefunden.
Es ist das Ergebnis von Verhandlungen, was als Wert gilt, wie der Einfluss von
Werten auf das Individuum ist und welche inneren Vorstellungen der Einzelne mit
ihnen verbindet.
Bereits bei den vier Grundwerten Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und
Solidarität sind die Vorstellungen und politischen Verhaltensweisen sehr
unterschiedlich und müssen über Eigenschaften näher bestimmt werden. So
definieren die Vertreter von Ethik sie folgendermaßen:
Werte sind emotionale Stellungnahmen des Individuums
Werte haben intersubjektive Geltung für das Zusammenleben
Werte haben Selbstverpflichtungscharakter, man kann sich ihrer Verwirklichung
nicht entziehen.
Kinder brauchen Werte.
Die Öffentlichkeit ist der Meinung, dass wir in einer Zeit des Werteverfalls
leben. Diese öffentliche Meinung löst einen Druck auf die Erziehungsinstanzen
wie Eltern, vorschulische Erziehung und Schule aus.
Laut einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahre 2007 fordern 67 % der Eltern
die Orientierung an und Vermittlung von Werten in den Kitas, 82 %
plädieren für klare Verhaltensregeln und 91 % fordern, dass Eltern ihre
Vorbildfunktion wahrnehmen.
In der deutschen Werteskala steht die Ehrlichkeit mit 91 % vor Höflichkeit
90 %, Verlässlichkeit 84 %, Pünktlichkeit 76 %, Fleiß 73 %
und Wissensdurst mit 67 %.
66 % der deutschen Bevölkerung finden, dass den Werten und der
Orientierung an ihnen zu wenig Raum gegeben wird. Ein ebenso hoher Prozentsatz
meint, dass die Kinder von sich aus nicht erkennen können, was richtig und was
falsch ist. Daher können sie auch nicht sagen, wann ihr Verhalten den Regeln
entspricht und wann nicht.
Werteverfall ja oder nein
Wie schon gesagt, beherrscht der Disput über den Wert der Werte die
Öffentlichkeit. Dabei stellen sich die Fragen, ob es überhaupt einen
Werteverfall geben kann und ob es Gruppen gibt, die daraus ihren Nutzen ziehen
und die Diskussion darüber am Laufen halten. Solche Diskussionen bringen
öffentlichen Akteuren meist Anerkennung, Ehre, politischen Einfluss und
Aufträge und damit Marktanteile an der Dienstleistungsgesellschaft, sagt der
Sozialethiker Ernst Joachim Höhn.
Die Diskussion über den Werteverfall dauert schon so lange an, wie behauptet
wird, dass es Werte gibt. Wenn man der Ansicht ist, dass Gerechtigkeit,
Freiheit, Solidarität, Frieden, Bildung und Liebe Werte sind und es sie gibt,
dann können sie nicht plötzlich verschwinden. Sie sind für den unaufhebbar, der
sie anerkennt. Sie können aber ihre Rangfolge ändern. Solidarität hat
beispielsweise jeweils eine andere Dimension, wenn sie in einem sozialistischen
oder kapitalistischen Land praktiziert wird.
Wertevermittlung im Kindergarten
Immer wenn pädagogisch richtig gehandelt wird, werden auch Werte vermittelt.
Die Wertevermittlung ist im pädagogischen Handeln enthalten und kann nicht
Thema an sich sein. Werte sind nicht kognitiv zu vermitteln, sondern sind Teil
unseres alltäglichen Tuns und Handelns im Umgang miteinander.
Man stelle sich dabei einen Streit um Förmchen oder Eimer zwischen zwei Kindern
im Sandkasten vor. Welche verschiedenen Fragen werden da angesprochen! Die
Frage des Eigentums, der Selbstbeschränkung, der Freiheit und Gleichheit der
Beteiligten. Eine richtige pädagogische Lösung vermittelt all diese Werte.
Um pädagogisch richtig zu handeln, müssen sich die Erzieher aber immer mit
ihren eigenen Wertvorstellungen, denen der Kinder und der Eltern
auseinandersetzen. Sie müssen die eigene Handlungspraxis in der Arbeit mit dem
Kind, mit den Handlungszielen in der Praxis der Einrichtung überprüfen.
Der Erfolg
Bei der pädagogischen Arbeit sollte man sich folgende Fragen stellen:
Welche Werte vertritt die Einrichtung?
Welche Werte sind für mich relevant?
Gelten sie für alle Handelnden?
Was bewirken die Werte bei den Kindern?
Gibt es ein Konzept, in dem Wertevermittlung ein Thema ist?
Sind die Eltern mit den Wertvorstellungen der Einrichtung vertraut?
Wie sind Kinder zu befähigen, Werte zu entdecken?
Der Erfolg der Wertevermittlung hängt von dem gelebten Leben und der Haltung
der Teilnehmenden ab. Erich Kästner fasst es in seinen Worten zusammen: Es gibt
nichts Gutes, es sei man tut es.
Hinweis
Dr. Alfred Etheber ist Dozent an der Katholischen Hochschule in Aachen. Seinen
20-seitigen Vortrag über die Werteerziehung finden Sie unter dem Titel:
Solidarität oder Ellbogen?
Die kritische Funktion der Wertevermittlung im Erziehungsprozess.
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