von Mechthild Trilling
Es ist immer wieder
interessant, unter Freunden die verschiedenen Entwicklungen der wichtigsten
Werte bei den unterschiedlichen Verläufen des Lebens zu besprechen. So ging es
auch mir mit meiner Freundin Hildegard, die zu Besuch aus Lissabon hier war.
Wir sind 1945/46 geboren und in Ostwestfalen-Lippe
aufgewachsen. Beide Väter waren Handwerker und die Mütter Hausfrauen. Unsere
Freundschaft besteht seit der gemeinsamen Schulzeit. Während ich, wie von den
Eltern gewollt, in Ehe und Familie ging, wollte Hildegard in die Mission nach
Afrika und ging ins Kloster. Nach dem Studium wurde sie Missionsschwester und
Religionslehrerin.
Kindheit
Mechthild:
Für mich war in der Kinderzeit an wichtigsten, immer das zu tun, was von mir
verlangt wurde, damit ich nicht bestraft wurde. Ich wollte einfach nur ein
braves Kind sein, das den Gesetzen von Mutter und Gott folgt. Dazu gehörte
natürlich auch, fleißig zu lernen und im Haus zu helfen.
Hildegard:
Gehorsam gehörte auch für mich zu den wichtigen Werten. Aber es war auch ganz
wichtig, Abenteuer zu erleben, mal auf Bäume zu klettern, und rennen und Natur
zu erleben. Vor allen Dingen, diese Dinge mit anderen Kindern, vor allem
Jungen, zu erleben. Hier waren die Jungen Ansporn, da ich keine Brüder hatte.
Jugendzeit
Mechthild:
Jetzt wurde es schon wichtiger, was ich selbst dachte und wollte. Dadurch
tauchten viele Konflikte auf. Beliebt sein, bei der Umgebung war etwas ganz Wichtiges.
Für mich war aber auch immer wichtig, dass ich helfen konnte, wenn Hilfe
gebraucht wurde.
Jetzt wurde aber auch Materielles wichtiger, denn daran wurde der Erfolg
gemessen.
Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse waren sehr wichtig und ich konnte mir
gar nicht vorstellen, dass es richtig wäre, etwas nicht zu tun, wenn man es
doch könnte.
Und natürlich wollte ich auch beruflich erfolgreich sein, obwohl ich ohne
Ausbildung in den Beruf gegangen war, war es doch wichtig, anerkannt zu werden.
Hildegard:
Nach der Schule,
kam die Entscheidung zum Beruf, entweder
Bauer oder Lehrerin.
Nach Afrika, da wollte ich, dass die Menschen erfahren, dass Gott nicht der zürnende,
sondern der fördernde ist. Er macht Mut und lässt uns Vertrauen haben, zum
Leben. Darum habe ich versucht, zu erfahren, wo ich zur Missionslehrerin
ausgebildet werden konnte. Das war das Internat Neuenbeken, wo ich dann 5 Jahre
zu Schule ging und zum Abschluss das Oxford-Examen machte.
Mit 19 Jahren entschied ich, dass ich auch Schwester werden wollte. Weitere 4
Jahre Grundausbildung zur Schwester folgten.
Es war schwierig, die für mich seltsamen Regeln in der Klosterschule zu
akzeptieren, aber das Ziel war ausschlaggebend.
Ich wollte möglichst viel lernen, damit ich auch mein Wissen weitergeben
konnte.
Junge Erwachsene
Mechthild:
Mit der Gründung der Familie veränderte sich bei mir alles.
Ein Beispiel: War ich immer eine sehr schnelle Autofahrerin und wäre gerne
Rallye gefahren, so war das in dem Moment vorbei, als ich ein Kind erwartete.
Jetzt kam es darauf an, alles für dieses neue Wesen zu tun. So wurden
Verantwortung und Liebe die wichtigsten Werte.
Hildegard:
Die erste Stelle hatte ich dann in Lissabon als Lehrerin für Deutsch für 5
Jahre. Hier wurden meine Werte, nämlich missionarisch zu arbeiten, vergessen.
Darum habe ich mir solche Tätigkeiten selbst gesucht. In Lissabon für Portugiesisch
und sozial tätig sein, war mir ganz wichtig.
Als Missionsschwester war es wichtig, genügend zu wissen, darum habe ich 5
Jahre Theologie studiert. Danach habe ich ein Jahr als Schwester im Kloster in
Portugal gearbeitet, das weitere Studium wurde durch den Ruf nach Mosambik in
die Mission beendet.
Insgesamt beträgt meine Zeit in Mosambik ca. 4 Jahre zur Ausbildung von
Neuschwestern.
Mein wichtigster Wert war jetzt, mich in das Leben der Einheimischen einzufügen
und ihre Kultur und Tradition kennenzulernen und zu verstehen und zu
respektieren.
Neue Berufstätigkeit
Mechthild:
Nach der ausschließlichen Familienzeit gab es eine weitere Zeit, in der
beruflicher Erfolg wichtig war, denn davon hing die wirtschaftliche Situation
als Alleinerziehende ab.
Trotzdem war die Werteskala vielfältiger als früher, denn die Lebenserfahrung
hatte mich schon einiges gelehrt.
Ich lernte, Grenzen zu ziehen und trotzdem noch Werte wie Freundschaft und
Familie zu achten.
Aber jetzt lernte ich auch, mit mir selbst achtsam umzugehen.
Durch den Umgang mit Kindern im Beruf wurde mir noch mal unabhängig von meiner
Mutterrolle klar, welch wichtiger Wert die Kinder in unserer Welt sind und wie
wichtig es deshalb ist, wie wir mit unserer Welt und ihren Ressourcen umgehen.
Hildegard:
Seit 1986 bin ich in Lissabon als Lehrerin für Religion und als Neigungsfach
Sozialkunde in der Sekundarstufe I tätig. Hauptsächlich war meine Tätigkeit in
den Klassen 5-7.
Unser Leben in der klösterlichen Gemeinschaft ist vergleichbar mit einer
Frauen-Wohngemeinschaft von 5 - 10 Frauen. Mein weitere soziale Tätigkeit in
der einheimischen Bevölkerung von Lissabon mit dem Ziel, Glauben zu teilen und
gemeinsam im Glauben zu wachsen durch Bibelgespräche ist mir bis heute sehr
wichtig.
Später
Mechthild:
Durch eine Erkrankung wurde mir deutlich, dass nicht nur Leistung im Leben ein
wichtiger Wert ist, sondern, dass es sein kann, dass das Allerwichtigste ist, dass
man lernt, sich an den kleinen Dingen zu freuen. Die Begriffe Achtsamkeit und
Gelassenheit wurden für mich äußerst wichtig.
Hildegard:
Außer meiner beruflichen Tätigkeit, die in wenigen Monaten zu Ende sein wird,
versuche ich, den Umgang mit anderen Menschen zu ändern, in dem ich gelassen
und einfühlsam mit meinem Gegenüber umgehe, um das Zusammenleben auf beiden
Seiten zu verbessern. Die Kirche mit ihrem Standpunkt in unsere Gesellschaft
ist wichtig, vor allen Dingen in ihren Zielen für die Zukunft des menschlichen
Zusammenlebens.
Das Wissen über andere Religionen und Kulturen ist unabdingbar, darum halte ich
intensiv Kontakt zu allen Glaubensgruppen.
Heute als Rentnerin
Mechthild:
Heute meine ich, ist es besonders wichtig, eine positive Sichtweise zu haben
und die Menschen zu lieben. Natürlich gibt es öfter mal Ärgernisse und
unangenehme Zeitgenossen, aber mit Gelassenheit lasse ich mich nicht allzu sehr
davon herabziehen.
Jeder Tag, an dem ich Freude habe und den ich einigermaßen gesund erleben darf,
ist ein Gewinn.
Natürlich bin ich auch selbst dafür mitverantwortlich. Aber es gehört auch
dazu, für andere da zu sein und andere in ihren Zielen zu unterstützen. Da
kommt der große Wert der Toleranz ins Spiel.
Hildegard:
Gott, der uns diese Welt geschaffen hat und uns in diese Welt stellt, gibt uns
die Freiheit unser Leben selbstbestimmt zu gestalten im Zusammenspiel und der
Verantwortung für die Natur und unsere Mitmenschen. Christus hat uns gerade im
Verständnis zu anderen Menschen einen Weg des gegenseitigen Umgangs aufgezeigt.
„Ich gebe Dir Wasser des ewigen Lebens". Joh.4,14.
Hier zeigt er im Gespräch mit der Samariterin, dass er uns annimmt, wie wir
sind und uns trotz unserer Schwächen akzeptiert und unterstützt und uns hilft,
uns weiter zu entwickeln.
Ich versuche durch Lesen, Gespräche und Meditation herauszufinden, was wirklich
das Wichtigste in unserem Leben ist, um mein Leben im Dienste Gottes zu leben.
Fazit
Ich fand es total spannend, in unseren doch sehr abweichenden Lebensläufen die
Berührungen unserer Werte festzustellen, die sicher nicht nur durch unsere
katholische Erziehung bedingt sind.
Bei uns beiden ist der Mensch ungeheuer wichtig, auch wenn bei Hildegard der
Schwerpunkt mehr im christlichen liegt. Gleichermaßen wichtig erscheinen mir
bei uns beiden der Wunsch und das Ziel, uns persönlich weiter zu entwickeln und
nicht stehen zu bleiben.
Links
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