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Risiken und Nebenwirkungen in der Cybermedizin
Interview mit Dr. med. Gunther Eysenbach
(Druckversion)
Sabine Meyer
E-Mail: enibas.m@t-online.de
Einführung
Gunther Eysenbach ist Mediziner an der Universität Heidelberg und beschäftigt sich mit den Möglichkeiten der Einbindung des Internets in die medizinische Beratung und als Informationsmedium. Ein Schwerpunkt in der Entwicklung von Qualitätskriterien für medizinische Websites und Einführung eines "Gütesiegels". Zu diesem Themembereich haben wir ihn interviewt.
Sabine Meyert
Cybermedizin
Herr Eysenbach, Sie beschäftigen sich schon seit längerer Zeit mit dem Nutzen von medizinischen Angeboten und Informationen im Internet. Aber zunächst, was bedeutet Cybermedizin?
Mein Anliegen ist, dass das Internet als sinnvolles Informationsmedium genutzt werden kann. Cybermedizin ist nach meiner Definition eine neue wissenschaftliche Disziplin, die zwischen der Medizininformatik und Public Health angesiedelt ist. Aufgabe des Cybermediziners ist es, das Internet für Gesundheitsförderung nutzbar zu machen bzw. Chancen und Gefahren der Webangebote zu evaluieren und öffentlich zu machen. Das Internet bietet Möglichkeiten, das Gesundheitswesen zu verändern.
...wozu?
Sie haben auch untersucht, wer überhaupt das Internet konsultiert, um sich in medizinischen Fragen zu informieren. Was haben Sie herausgefunden?
Ja, in meiner Studie am zum Vorschein, dass 81% der Interessenten chronisch krank sind und eine "zweite Meinung" einholen möchten. Sie sind oft unzufrieden mit ihrem behandelnden Arzt und möchten überprüfen, ob sie eine optimale Behandlung erhalten. Die Ärzte haben oft nicht genug Zeit, auf die Unsicherheiten und Fragen der Betroffenen einzugehen. Letztlich trägt aber auch die gestiegene Allgemeinbildung dazu bei, dass das Internet auch in diesem Bereich genutzt wird.
Welche medizinischen Angebote sind denn im Internet sinnvoll?
Anerkannte Institutionen, Unikliniken und auch non-profit Selbsthilfe-Organisationen liefern sicherlich die glaubwürdigsten Informationen. Für chronisch Kranke bieten sich Möglichkeiten, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und sich bei Selbsthilfegruppen zu informieren.
Sprachkenntnisse
Was ist darüber hinaus noch interessant?
Viele suchen auch nach neusten Forschungsergebnissen. Die meisten Forschungsberichte sind allerdings in englisch, so dass Sprachkenntnisse vorhanden sein müssen. Um diese neuen Erkenntnisse auch einordnen zu können, sind Erfahrungen mit Forschungsberichten von Vorteil. Sonst besteht die Gefahr auf ominöse Werbeangebote zu stoßen. Wer sich im Internet als Fachmann ausgibt, muss keiner sein. Deshalb ist es am besten sich an die Unikliniken zu wenden, da hier meistens Experten vorhanden sind.
Experten findet man auch in der Literaturdatenbank MEDLINE.
Aber bei akuten medizinischen Problemen, sollte immer einen Arzt aufgesucht werden.
E-Mail-Beratung?
Wie sieht es inzwischen mit eine ärztlichen E-Mail-Beratung aus?
Die deutsche Berufsordnung für Ärzte sieht vor, dass eine individuelle Behandlung oder Beratung nicht ausschließlich über das Internet erfolgen darf. Somit ist eine Email-Beratung unzulässig.
Die amerikanische Ärztevertretung warnt lediglich davor klinische Diagnosen zu stellen oder Medikamente zu verschreiben. Andere Ratschläge sind erlaubt.
Kriterien
Wie kann ein Patient sich sicher sein, dass die medizinischen Informationen im Internet zuverlässig sind?
Ich rate dazu die Seiten folgenderweise zu überprüfen:
1. Auf mehreren Websites den Sachverhalt nachlesen, so lassen sich schnell Außenseitermeinungen oder gar völlig exotische Meinungen erkennen.
2. Wenn nur wenig Seiten zur Auswahl stehen, dann sollte versucht werden die vertrauenswürdigste herauszufiltern. Wer ist der Autor und welche Qualifikation hat er? Möchte diese Seite nur verkaufen oder auch aufklären? Auch vertraute Logos sind kein Garant für richtige sichere Informationen.
3. Sind die Informationen noch aktuell? Achten Sie auf das Datum der Seite!
4. Entscheidungen, die die eigene Gesundheit betreffen, sollten immer mit dem eigenen Hausarzt abgesprochen werden.
Vorsicht
Wann sollten Web-Seiten mir Vorsicht betrachtet werden?
Hier sind eine Reihe von Anhaltspunkten zu nennen. Die wichtigsten sind:
· Es ist keine Kontaktadresse oder kein Autorenname angegeben.
· Die Sprache ist aggressiv auf Werbung ausgerichtet.
· Worte wie Wunderheilung, wissenschaftlicher Durchbruch und Geheimformel sollten skeptisch machen.
· Wenn Literaturhinweise fehlen oder Zitate von begeisterten und zufriedenen Kunden auftauchen, lässt es auf unseriöse Angebote schließen.
Gütesiegel?
Können Sie eine Web-Seite empfehlen, die dafür bürgt, dass Informationssuchende auch richtige Informationen erhalten?
Leider kann ich das noch nicht. Auch der Qualitätssiegel der "Health on the Net Foundation" ist nicht zuverlässig, da hier keine Qualitätskontrollen durchgeführt werden. Es gibt lediglich eine Selbstverpflichtung, sich an vereinbarte Regeln zu halten. Allerdings wird demnächst ein EU-Projekt med-CERTAIN (Certification and rating of Trustful an Assessed Health information on the Net) gefördert. Hier soll der Konsument von einer zentralen Datenbank Informationen abrufen können, die zuvor von Medizinern bewertet wurden. Im Rahmen meiner Projekte bin ich auch sehr an Berichten von Patienten interessiert, die (positive oder negative) Erfahrungen mit Informationen im Internet gemacht haben.
Zukunft
Wie könnte das Internet im medizinischen Bereich zukünftig genutzt werden?
Zunächst muss sich die Ausbildung von Medizinern dahingehend ändern, dass für diese Inhalte schon während des Studiums sensibilisiert wird. Die älteren Ärzte sollten sich in diesem Bereich fortbilden, nicht zuletzt, um auch ihre Patienten mit den notwendigen Informationen zu versorgen.
Es sollte ermöglicht werden, dass Ärzte Alltagsfragen ihrer Patienten auch per Internet beantworten dürfen. Nach meinen Erfahrungen würden chronisch Kranke dieses gerne nutzen.
Wir an der Uni-Klinik in Heidelberg wollen versuchen ein virtuelles medizinisches Zentrum aufzubauen, welches Hilfestellung bei der Bewertung von medizinischen Informationen im Internet bieten soll.
Links
Prinzipien für medizinische Informationsangebote im Internet
http://www.hon.ch/HONcode/German/
Homepage Gunther Eysenbach
http://yi.com/home/EysenbachGunther/