LernCafe 12 vom 15. November 2001: "Freiwilligenarbeit II"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
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Beruf und Ehrenamt
(Druckversion)
Hildegard Neufeld
E-Mail: HNeu61348@aol.com
Engagement
Die Motive für ein bürgerschaftliches Engagement werden immer wieder erforscht und sind fast so unterschiedlich, wie die Menschen, die - ob im jüngeren oder älteren Alter - eine freiwillige, unentgeltliche Aufgabe übernehmen. Ein Aspekt, der im folgenden betrachtet werden soll, ist die Bedeutung von beruflichen Erfahrungen für das bürgerschaftliche
Engagement.
Erfolsfaktoren
Inwieweit berufliche Erfahrungen den Erfolg des bürgerschaftlichen Engagements beeinflussen können, kann nicht pauschal beurteilt werden, weil das Ergebnis eines Engagements in der Regel von mehreren Faktoren abhängig ist. Eine im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgenommenen Repräsentativerhebung (s.u.) kam zu folgendem Ergebnis: jeder zweite engagierte ältere Mensch hat nach eigenen Aussagen besondere Qualifikationen, u.a. Fachwissen, berufliche Erfahrung oder eine spezielle Schulung, um seiner ehrenamtlichen Aufgabe gerecht werden zu können
Erfahrungen
Erlaubt sei der Blick auf meine eigene Biographie. Nahezu 30 Jahre lang war ich als Redakteurin von Fachzeitschriften tätig, davon eine erhebliche Zeitspanne in leitender Position. Als ich mich nach Erreichen des Rentenalters in den "Ruhestand" zurückziehen wollte, wurde ich gebeten, die Lizenzausgabe einer Seniorenzeitschrift zu betreuen.
Mein Arbeitsaufwand sollte nur wenige Wochenstunden betragen, wofür ein dem Zeitaufwand angemessenes Honorar zur Verfügung stand. Einer Tätigkeit im Sinne eines freiwilligen Engagements entsprach dies nicht, entwickelte sich hierzu allerdings bald darauf.
Entwicklungen
Die Qualität der erworbenen Zeitschrift entsprach nicht den Erwartungen. Ich entwickelte ein neues Konzept, und aus der anfänglichen Regionalausgabe wurde eine überregionale Zeitschrift. Zugleich wandelte sich meine bisherige Teilzeittätigkeit zu einem Vollzeitjob und entsprach nun überwiegend einem unentgeltlichen freiwilligen Engagement. Mein Aufgabengebiet hatte sich verändert, nicht aber meine Position. Wie zuvor war ich Leiterin bzw. Chefredakteurin einer Zeitschrift. Meine beruflichen Erfahrungen konnte ich in meine neue Aufgabe einbringen, allerdings nicht im vollen Umfang umsetzen. Anstelle einer Wirtschafts-Fachzeitschrift mit sachlichen Informationen galt es eine Seniorenzeitschrift zu gestalten, die eher einer Publikumszeitschrift entsprach.
Neues Wissen
Auf meine neue Zielgruppe bereitete ich mich an der Universität des 3. Lebensalters in Frankfurt a.M. vor. Einige Jahre später setzte ich dort auch mein Engagement als Lehrbeauftragte fort, entwickelte verschiedene Projekte und erarbeitete gemeinsam mit den Senior-Studenten Studien, die wir veröffentlichten. Auch diesen Weg hatten mir meine beruflichen Erfahrungen geöffnet, allerdings nicht allein. Neues Wissen, neue Erfahrungen waren erforderlich und die Bereitschaft, sich veränderten Bedingungen anzupassen, auch in der eigenen Position. Berufliches Wissen hat keine unbegrenzte Lebensdauer, es muß laufend aktualisiert werden, besonders in Zeiten des schnellen Wandels, wie wir sie heute erleben. Das lebenslange Lernen sollte auch im Seniorenalter nicht vernachlässigt werden.
Computer
Besonders deutlich wird dies im Hinblick auf die neuen Technologien. Wie viele meiner Altersgruppe war ich beim Ausstieg aus dem Berufsleben froh, PC und Internet "entkommen" zu sein. Die Freude währte nur so lange bis ich feststellte, daß mir manche Wege, die ich im Rahmen eines Engagements hätte beschreiten können, verschlossen blieben. Als z.B. nach der Wende viele freiwillige Helfer in den neuen Bundesländern gebraucht wurden, wäre ich gern dabei gewesen, aber ich hatte mein (wirtschaftliches) Fachwissen in der Schublade abgelegt, es weder aktualisiert, noch etwas hinzu gelernt. Ich wäre keine gute Hilfe gewesen.
Chancen
Anders als auf dem Arbeitsmarkt öffnen sich heute für eine Tätigkeit im bürgerschaftlichen Engagement viele Wege. Ob berufliche Erfahrungen oder entsprechende Kenntnisse mitgebracht werden, kann für die Wahl des Betätigungsfeldes hilfreich oder auch entscheidend sein. Für 'das Engagement an sich' sind sie eher unbedeutend. Wer sich freiwillig engagiert, hat die Chance das einzubringen, was er kann, gerne tut bzw. immer schon gern getan hätte. Mit seinem Engagement kann er seine Neigungen und Fähigkeiten verbinden, entdecken oder auch vervollkommnen. Zu Beginn meines Engagements haben meine beruflichen Erfahrungen eine teils dominierende Rolle gespielt. Inzwischen haben sie neuen Erfahrungen und Interessen Platz gemacht, die nun in meine Lebensgestaltung und Zukunftsplanung einfließen. Das bürgerschaftliche Engagement steht vor einer großen Herausforderung, um die Zukunft bewältigen zu können. Ich wünsche mir an dieser Zukunft teilzuhaben.
Verweis
Die zitierte Repräsentativerhebung zum Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement (1999) vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Bd. 194.1, Schriftenreihe BMFSFJ, S.163)
kann beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Postfach 20 15 51, 53145 Bonn oder telefonisch Tel.: 01 80/5 329 329 angefordert werden.
Im Internet kann man die Repräsentativerhebung hier bestellen:
http://www.bmfsfj.de/dokumente/Bestellservice/ix_27757.htm