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LernCafe 12 vom 15. November 2001: "Freiwilligenarbeit II"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
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Zivilgesellschaft
(Druckversion)

Die Ministerin
Was ist Zivilgesellschaft und was kann sie leisten, so die zentralen Frage einer Rede von Bundesministerin Dr. Bergmann anläßlich der Fachtagung "Die Zukunft der Zivilgesellschaft" im Rahmen des Internationalen Jahres der Freiwilligen 2001. Im folgenden Auszüge aus ihrer Rede.

Grundgedanke
Die zivilgesellschaftliche Debatte, die wir seit einigen Jahren führen, fällt in eine Zeit, die von tief greifenden Prozessen der Neuorientierung und Veränderung bestimmt ist: Die Globalisierung der Ökonomie erfordert neue Antworten auf die Hoffnungen und Ängste der Menschen.
Die Zivilgesellschaft, deren Rahmen wir heute abstecken, basiert auf drei Grundgedanken:
1. Zivilgesellschaft kann nicht von oben verordnet werden. Vielmehr bedarf die Zivilgesellschaft aktiver Bürgerinnen und Bürger, die Verantwortung übernehmen und unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten wollen.
2. Der Staat setzt dabei den Ordnungsrahmen und sorgt für fördernde Rahmenbedingungen. Zivilgesellschaft kann den Sozialstaat nicht ersetzen. Vielmehr begreifen wir die Zivilgesellschaft als Chance, die soziale Frage wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Was heißt das?

Soziale Frage
Bislang wurde die Lösung sozialer Probleme überwiegend an den Staat delegiert. In der Zivilgesellschaft hingegen fragt sich der Einzelne: Was kann ich leisten und wie können mich unterschiedliche Gemeinschaften darin unterstützen? Parallel dazu ist es Aufgabe staatlicher Stellen, zu fragen: Was kann der Staat tun, um dieses Engagement zu unterstützen? Und: Welche Rahmenbedingungen brauchen aktive Bürgerinnen und Bürger?
Der 3. Grundgedanke lautet: Zivilgesellschaft ist nur denkbar, wenn mit ihr neue Wege gesellschaftlicher und politischer Teilhabe beschritten werden. Die Zivilgesellschaft braucht Bürgerinnen und Bürger, die sich als verantwortlichen Teil der Gesellschaft verstehen, die mitreden und mitgestalten wollen, die Verantwortung tragen.

Rolle des Staats
Zivilgesellschaft steht für eine Neubestimmung der Aufgaben von Staat und Gesellschaft und für die Lösung komplexer gesellschaftlicher Problemlagen. Zivilgesellschaft kann nicht von oben verordnet werden. Vielmehr müssen Bürgerinnen und Bürger motiviert werden, Verantwortung zu übernehmen und unsere Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Der Staat setzt dabei den Ordnungsrahmen und sorgt für fördernde Rahmenbedingungen. Zivilgesellschaft kann den Sozialstaat nicht ersetzen. Sie darf nicht als Synonym für den Rückzug des Staates missverstanden werden. 
Zivilgesellschaftliches Engagement entbindet den Staat nicht von seiner Verantwortung, auch weiterhin alles daranzusetzen, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse gerecht zu gestalten und soziale Schieflagen zu korrigieren. Gesellschaftliche Leistungen sollen sozialstaatliche Leistungen ergänzen.

Zivilcourage
Zivilgesellschaft steht für mehr Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, für mehr Demokratie, für mehr sozialen Zusammenhalt und für stärkere Solidarität. Zivilgesellschaft steht für Zivilcourage und für die Einmischung des Einzelnen. 
Beispielhaft für dieses Engagement ist die Bekämpfung von Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit. Gerade hier ist das Zusammenwirken von Staat und zivilgesellschaftlichen Initiativen unverzichtbar. Jeder und jede Einzelne ist hier wichtig. Die vielen lokalen Initiativen, die sich in unserem Land gebildet haben, zeigen, wie unabdingbar ziviles Engagement für das Klima in unserer Gesellschaft ist.

Früh anfangen
Aus den unterschiedlichen Umfragen wissen wir, dass der überwiegende Teil der Bürgerinnen und Bürger eine bessere Information über ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement wünscht. Über die beachtliche Zahl von 22 Millionen Menschen hinaus, die sich in unserem Land bereits engagieren, gibt es noch einmal etwa 20 Millionen Menschen, die dazu bereit sind. Um die in diesem Engagementpotential verborgenen Kräfte und Chancen zu wecken, ist es notwendig, bürgerschaftliches Engagement zu einem umfassenden Thema in Erziehung, Bildung und Ausbildung zu machen. Die Fähigkeit und Bereitschaft zur aktiven Beteiligung am Gemeinwesen entwickelt sich in jungen Jahren. Deshalb müssen wir früh anfangen, Kindern und Jugendlichen dieses Engagement nahe zu bringen."

Die Rede
Die Rede von Bundesministerin Dr. Christine Bergmann im Volltext findet man hier!
http://www.bmfsfj.de/dokumente/Rede/ix_57926.htm