Ausdrucken

LernCafe 12 vom 15. November 2001: "Freiwilligenarbeit II"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
http://www.lerncafe.de

Gesellschaftliches Altern
(Druckversion)

Stefan Pohlmann
E-Mail: weltaltenplan@t-online.de

Einführung
Der demografische Wandel wird die Politik und Gesellschaft zukünftig weltweit beeinflussen und erfordert damit in zunehmendem Maße gesellschaftliches Handeln. Um diese These zu belegen werden im folgenden drei Schlüsselfragen diskutiert. Die Fragen lauten: 
1. Was ist der demografische Wandel und welche Bedeutung hat er für verschiedene Kontinente?
2. Welche Herausforderungen sind damit verbunden?
3. Welche Handlungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten bieten sich?

Bevölkerungsentwicklung
Zunächst zu der ersten Frage: Mit welcher Dynamik der Bevölkerungsentwicklung ist in den einzelnen Regionen zukünftig zu rechnen? Obwohl sich vorliegende Prognosen von Fall zu Fall unterscheiden, zeichnet sich hier ein eindeutiger Trend ab. Die Population Division der VN hat diesen Trend klar verdeutlicht. In der für 1999 gezeigten Weltkarte geben die einzelnen Farben die jeweiligen Prozentanteile der ab 60-Jährigen in der Bevölkerung wider. Die Farbe Gelb zeigt einen Anteil von 0-9 Prozent. Die Farbe braun entspricht einem Prozentsatz von 10-19 Prozent. Die Farbe lila repräsentiert einen Anteil von 20 bis 24 Prozent. 

Jahr 2050
Für das Jahr 2050 ist demgegenüber ein dramatischer Wandel zu beobachten. Die Farbe Gelb ist deutlich zurückgegangen und durch Anteile zwischen 10 und 24 Prozent ersetzt worden. Andere Regionen erreichen bereits einen Anteil von 24-29 Prozent. Kanada, Europa und China liegen sogar bei über 30 Prozent.

Entwicklungsländer
Besonders rasant verlaufen die Veränderungen in den am wenigsten entwickelten Ländern, in denen bereits bis zum Jahr 2030 ungefähr drei Viertel aller älteren Menschen leben werden. Der demografische Wandel vollzieht sich zudem in der sogenannten dritten Welt ungefähr viermal so schnell wie beispielsweise in Westeuropa.
Zusammenfassend machen diese Daten deutlich, dass die Weltbevölkerung insgesamt altert, die Intensität und Zeitperspektiven in den einzelnen Ländern aber durchaus unterschiedlich ausfallen können.

Wirtschaft
Diese Entwicklungen führen zwangsläufig zu einer Vielzahl gesellschaftspolitischer Herausforderungen. Damit komme ich zu der zweiten eingangs gestellten Frage. In der Wirtschaft sind Anpassungen der Personalpolitik erforderlich. Dazu gehört die Durchsetzung einer altersneutralen Beschäftigung, die nicht das Alter, sondern ausschließlich die Qualifikation von Bewerbern berücksichtigt. In den Betrieben werden zunehmend altersgemischte und zukünftig sogar vornehmlich ältere Belegschaften anzutreffen sein, die vermehrte Angebote zur Fort- und Weiterbildung erforderlich machen. Unternehmen tun außerdem gut daran, sich durch entsprechende Marktanalysen auf den demografischen Wandel einzustellen. Der Markt der Senioren bildet einen der größten Wachstumsmärkte in Europa. Die Kaufkraft der älteren Menschen eröffnet neue Absatzmöglichkeiten für Produkte und Dienstleistungen, die eine erhöhte Lebensqualität im Alter bedeuten können.

Ältere Arbeiter
Auch für Arbeitnehmer gilt es, sich mit zunehmendem Alter auf neue Herausforderungen vorzubereiten. Aufgrund von zunehmend befristeten Arbeitsverhältnissen ist ein stärkerer Arbeitgeberwechsel zu erwarten. Selbst bei einem konstanten Arbeitsverhältnis ist auch innerhalb eines Arbeitsplatzes mit veränderlichen Arbeitsanforderungen zu rechnen, die eine hohe Flexibilität und Lernmotivation auch älterer Beschäftigter voraussetzen. In vielen Ländern wird aufgrund eines zurückgehenden Erwerbstätigenpotentials auch die Lebensarbeitszeit steigen und der Zeitpunkt des Ruhestands weiter nach hintern verlegt.

Vielfalt
Eine besonders wichtige Botschaft des demografischen Wandels besteht in der Vielfalt des Alterns. Hinter der Gruppe von Senioren verbergen sich unterschiedliche Generationen mit individuellen Bedürfnissen, Handlungsmöglichkeiten, Ressourcen und Defiziten. Erforderlich ist hierbei eine differenzierte Betrachtung, die eine realistische Beurteilung des Alters erlaubt.
Obwohl mit zunehmendem Lebensalter das Risiko der Pflegebedürftigkeit ansteigt, führen dennoch immer mehr ältere Menschen immer länger ein aktives und weitgehend gesundes Leben. Prävention und Rehabilitation bilden wichtige Schlüsselbereiche, um Selbständigkeit und Wohlbefinden im Alter zu erhalten und neu aufzubauen. Vorbeugende Maßnahmen sollten hierbei in allen Lebensaltersphasen einsetzen. Auch bei Pflegebedürftigkeit ist das Ausmaß der Unterstützung durch entsprechende Maßnahmen zu mindern. Rehabilitationsmaßnahmen können auch bei chronischen Erkrankungen Verschlimmerungen verhindern.

Generationenverhältnis
Durch die deutlichen Verschiebungen der Zahlenverhältnisse zwischen verschiedenen Altersgruppen wird vielfach die Solidarität zwischen den Generationen in Frage gestellt. Die Solidarität zwischen den Generationen ist erfreulicherweise jedoch deutlich besser als ihr Ruf. In Deutschland und anderen Staaten existieren dafür eine Vielzahl ermutigender Belege. Zunehmend problematisch erscheint demgegenüber das Verhältnis der Generationen außerhalb der Familien. Hier fehlt es an Austausch- und Kontaktmöglichkeiten. Darüber hinaus sind entsprechende Rahmenbedingungen erforderlich, damit die Generationenverträge im Rahmen der sozialen Sicherungssysteme den demografischen Entwicklungen stand halten. 
Das Wissen und die Erfahrungen älterer Menschen sind für eine alternde Gesellschaft unverzichtbar. Das gegenwärtige Internationale Jahr der Freiwilligen unterstreicht diesen Aspekt. Die gesellschaftspolitische Teilhabe von Senioren bedeutet aber nicht nur ein Recht, sondern zunehmend auch eine Verpflichtung für ältere Menschen, sich aktiv einzubringen.

Handlungsbedarf
All diese Überlegungen verdeutlichen, dass ein klarer Handlungsbedarf besteht.
Sie erfordern die Entwicklung politischer Leitlinien, die Identifizierung unterstützender Akteure und den Auf- und Ausbau geeigneter Rahmenbedingungen.
Da der demografische Wandel sich jedoch nicht auf nationale Grenzen beschränkt, kommt angesichts der Globalisierung internationaler Kooperation zunehmende Bedeutung zu. Die Vereinten Nationen bereiten für eine derartige Zusammenarbeit ganz wesentlich den Weg.
Um die internationale Altenpolitik weiter zu forcieren, wurden Ende 1999 wesentliche Weichen gestellt. Auf ihrer 54. Generalversammlung fassten die Vereinten Nationen den Beschluss, den bereits vor knapp 20 Jahren verabschiedeten Weltaltenplan neu aufzugreifen und der aktuellen Situation anzupassen. Dieses Dokument beinhaltet zentrale seniorenpolitische Themenfelder und soll als Basis für nationale Empfehlungen dienen. 

Weltaltenplan
Im April 2002 wird der bis dahin völlig überarbeitete Weltaltenplan auf der zweiten Weltversammlung zu Fragen des Alterns vorgestellt. In dem Bemühen, die für den Weltaltenplan angesprochenen Prinzipien und globalen Empfehlungen weiter zu konkretisieren, findet auf Anregung von Frau Bundesministerin Dr. Bergmann im September 2002 eine ECE Ministerkonferenz in Berlin statt, die direkte Umsetzungsstrategien für den primär europäischen Raum liefern soll. Bei dieser Wirtschaftskommission für Europa handelt es sich um ein Organ der Vereinten Nationen, das sich hauptsächlich aus europäischen Staaten zusammensetzt, aber auch Nationen aus Nordamerika und Asien einbezieht. Die deutsche Bundesregierung richtet die ECE-Konferenz als Gastgeber gemeinsam mit der ECE aus und setzt sich aktiv für die Erarbeitung konkreter Handlungsempfehlungen ein.

Lösungswege
Damit werden im nächsten Jahr zwei altenpolitische Ereignisse realisiert, die von höchster internationaler Bedeutung sind, weit über die bislang umgesetzten Maßnahmen der Vereinten Nationen hinausgehen und die weiteren internationalen Ansätze nachhaltig prägen werden. 
Vor allem die Berliner Ministerkonferenz gestattet die Entwicklung gemeinsamer Lösungswege und die Gestaltung konkreter Handlungsansätze. Im Vordergrund steht ein politisches Signal, dass man die Herausforderungen des demografischen Wandels erkennt und sich ihnen stellt. Die ECE-Implementierungsstrategie soll daneben eine Umsetzung von Empfehlungen auf nationaler und lokaler Ebene erlauben. Damit diese Maßnahmen eine nachhaltige Wirkung haben, ist die Einhaltung von Evaluationskriterien erforderlich, die eine Überprüfung der festgesetzten Ziele in einem klar definierten Zeitrahmen erlaubt.

mica2002
Durch die aktive Beteiligung aller Mitgliedsländer rückt die Vision einer Gesellschaft für alle Lebensalter in greifbare Nähe. Die erfolgreiche Umsetzung der Ministerkonferenz in Berlin ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.

Weitere Informationen und andere wichtige Links erhalten Sie auf der Website www.mica2002.de