LernCafe 12 vom 15. November 2001: "Freiwilligenarbeit II"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
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Schwungfeder
(Druckversion)
Monika Bauer
E-Mail: gemeindebezogene.altenarbeit.afg@a-city.de
Augsburger Modell
"Neues entsteht und ich bin dabei" ist das Motto des Augsburger Modellprojekts "Schwungfeder" bei dem sich Menschen nach Erwerbsarbeit und Familienzeit soziale, kulturell und ökologisch ehrenamtlich engagieren können.
Entstehung
Anfang der 90'er Jahre wurden immer mehr Menschen in den Vorruhestand oder die Arbeitslosigkeit entlassen. Viele waren gerade erst 55 Jahre alt und hatten ursprünglich geplant, noch etwa zehn Jahre lang zu arbeiten. Die Menschen waren plötzlich damit konfrontiert, gesellschaftlich scheinbar nicht gebraucht zu werden. Dies war der Ausgangspunkt für die Schaffung eines Gesprächsforum 50 plus, einem vierzehntägigen Angebot im zentralen Bürgerhaus aus dem sich dann die Idee des
Augsburger Modellprojekts "Schwungfeder" entwickelte.
Entwickelt wurde das Projekt dann gemeinsam von drei Hauptamtlichen (eine Theologin und zwei Sozialpädagoginnen) und drei Ehrenamtlichen (ein Vorruheständler/Systementwickler, ein Langzeitarbeitsloser/Verkaufs- und Werbeleiter und eine Rentnerin/Hauswirtschaftsmeisterin). Die Entstehung des Modells "Schwungfeder" ist deshalb selbst Modell für ehrenamtliches Engagement nach Erwerbsarbeit und Familienzeit.
Innovation
Innovativ ist der Aufbau mit folgenden drei Bausteinen:
Neu für die Erwachsenenbildung war dabei die enge Verzahnung von Bildung und Praxis.
Träger
Eine Besonderheit dieses Modells ist die Zusammenarbeit und Mitfinanzierung unterschiedlicher Träger. Das Sozialministerium, das Kuratorium Deutsche Altershilfe, der Regierungsbezirk Schwaben, die Stadt Augsburg, das Evang-luth. Dekanat stellen Gelder zur Verfügung. Das Evangelische Bildungswerk, das Diakonische Werk, das Freiwilligenzentrum der Caritas konnten für die Kooperation gewonnen werden.
Die Gabe
Seinen Namen verdankt das Modell dem Gedicht "Die Gabe" von W. Kuprjianow.
Einstmals
sich Flügel schaffen
und
frühmorgens
fortfliegen
Oder
einfach
an alle Flügellosen
eine Feder
austeilen.
Symbol
Zum Fortfliegen braucht der Vogel die Schwungfeder, ohne sie kann er sich nicht in die Lüfte erheben. Die Schwungfeder bringt aber auch die Mechanik einer Uhr in Gang, setzt Kraft frei. Damit war ein Symbol gefunden, das den neuen Anfang, die Dynamik und den Freiheitswunsch dieser Lebensphase repräsentieren kann.
Das Motto setzt auf den Wunsch nach Beteiligung und Innovation. "Neues entsteht und ich bin dabei".
Vita activa
Das Ideal des Schwungfeder-Projektes ist die Verwirklichung einer "Vita activa" (Hannah Arendt), eines tätigen Lebens in der Gemeinschaft. In diesem Sinne ist das Modellprojekt "Schwungfeder" ein Angebot zur persönlichen und sozialen Orientierung in einer völlig neuen Lebensphase und ergebnisoffen angelegt.
Ziel ist nicht eine möglichst hohe Vermittlungsquote in ehrenamtliches Engagement.
Erfolg messen wir daran, ob Menschen in die Lage versetzt wurden, im Bewußtsein ihrer eigenen Kompetenz sich zu entscheiden: was möchte ich in der jetzigen Lebensphase lernen und tun für die Bewältigung meines eigenen Lebens und im Sinne von Gemeinwohl.
Erfolge
Das Augsburger Modellprojekt übernimmt die Lernberatung und leistet die Begleitung dieses Entscheidungsprozesses. Eigeninitiative und Engagement sollen gefördert werden, damit es gelingt, persönliche und berufliche Ressourcen neu in die Gesellschaft zu integrieren.
Dabei kann das Projekt auf eine erfolgreiche Arbeit stolz sein. In Augsburg findet zur Zeit der 10. Orientierungskurs mit zwanzig Teilnehmerinnen statt und die Zahl der Kurse steigt stetig an. Fast 200 "Studierte Schwungfedern" gibt es seit dem Beginn vor fünf Jahren in Augsburg.
Evaluation
Eine wissenschaftliche Untersuchung durch Dr. Peter Guggemos, Universität Augsburg, hat nachgewiesen, dass etwa 75 % der "Schwungfedern" sich langfristig in den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern engagieren: im Seniorenkreis von Kirchengemeinden, in Wohngemeinschaften psychisch kranker Menschen, in einer Gemeindebücherei, in Alten- und Pflegeheimen, im Krankenhaus, Sozialstation und Hospizarbeit, im Sprachunterricht für Aussiedler, in der Hausaufgabenhilfe
für neue Wohnprojekte im Alter, in der Nachbarschaftshilfe, im Kinderschutzbund, in der Selbstverwaltung des Kreativzentrums und als Kursanbieter, in der Selbstorganisation im Gesprächsforum 50 plus, in den Orientierungskursen und Qualifizierungskursen der "Schwungfeder ", in der Strafgefangenenbegleitung,
in der Obdachlosenhilfe (Suppenküche, Verwaltung und Verkauf im Second hand-Laden)
Netzwerke
Während ursprünglich zwar mit der großen Bereitschaft zum freiwilligen Engagement gerechnet wurde, überrascht und erstaunt, wie viele Prozesse der Selbsthilfe und Selbstorganisation durch das Projekt angestoßen wurden. Viele neue Netzwerke, Selbsthilfe und Selbstorganisation sind nach dem Motto "Gemeinsam freie Zeit gestalten - für einander Sorgen" enstanden.
Schwungfeder aktiv nennt sich die Selbstorganisation der "Studierten Schwungfedern". In eigener Initiative werden an jedem 3. Montag im Monat Vorträge und Diskussionen zu aktuellen Themen angeboten. Städtereisen, Fahrradtoren, Sprachkurse und Spielnachmittage werden organisiert. Neben den offiziellen Engagements gibt es eine große Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung in Krisensituationen (Begleitung ins Krankenhaus, Pflege im Krankheitsfall, Betreuung der pflegebedürftigen Mutter in Urlaubszeiten, Trauerbegleitung).
Die Augsburger Wohninitiative "Neue Wege"für generationsübergreifendes Wohnen wird wesentlich von Schwungfeder-Absolventinnen getragen, die ihr Leben im Alter mit anderen zusammen gestalten wollen. Zwei Wohnblöcke mit 38 Wohnungen wurden im Herbst 2000 bezogen.
Modellfunktion
Bereits im Herbst 1997 wurde das Schwungfeder-Projekt auch in München angeboten. Inzwischen sind weitere Modellstandorte dazugekommen: Kempten, Ulm/Neu-Ulm, Memmingen, Weilheim, Neumünster. In Vorbereitung ist das Projekt für Würzburg, Bayreuth, Erlangen, Lindau, Schwabach.
Auch an öffentlicher Anerkennung fehlt es nicht. 1999 war die " Schwungfeder" Preisträgerin der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Bayern (AEEB). Alle vier Jahre wird dieser Preis für innovative Projekte verliehen. Vom Preisgeld wurde eine eigene Homepage gestaltet.
Kontakt
Die Leitung für das Gesamtprojekt liegt beim Amt für Gemeindedienst, Außenstelle Augsburg.
Gesamtprojektleitung:
Amt für Gemeindedienst
Außenstelle Augsburg
Monika Bauer
Heilig-Kreuz-Str. 22a
86152 Augsburg
Tel. 0821/15 88 93
Fax 0821/15 88 53
Zur Homepage der "Schwungfeder" kommt man hier www.schwungfeder.de