LernCafe 14 vom 15. Januar 2002: "Politik Online"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
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Politik
(Druckversion)
Peter Joksch
E-Mail: P.Joksch@t-online.de
Markus Marquard
E-Mail: markus.marquard@zawiw.uni-ulm.de
Definition
Politik ist ein schmutziges Geschäft und verdirbt den Charakter. Eine Meinung, die heute von nicht wenigen Menschen geteilt wird. Für Aristoteles hingegen lag auf der Hand, der Mensch ist ein "Zóon politikón", frei übersetzt, ein politisches Lebewesen. Die Menschen sind nach diesem Verständnis soziale, auf Gemeinschaft angelegte und Gemeinschaft bildende Lebewesen. Der Mensch ist also ohne Politik nicht denkbar. In diesem Sinne kann man unter Politik sehr allgemein die Gesamtheit der Verfahren und Handlungen von Einzelnen, Institutionen und Organisationen verstehen, die das gesellschaftliche Zusammenleben durch Entscheidungen regeln.
Drei Dimensionen
Im angelsächsischen Sprachgebrauch unterscheidet man drei Dimensionen des Politischen:
Polity als das politische System. Politik spielt sich innerhalb eines bestimmten Handlungsrahmens ab, also in bestimmten Spielregeln, die meist in der verfassungsrechtlichen Ordnung festgeschrieben sind. Dazu gehören aber auch Gesetze, Normen und andere Regeln.
Policy ist die inhaltliche Dimension von Politik, also z.B. die Familien-, Sozial, Umwelt-, Energie oder Bildungspolitik, etc. Aufgabe der Politik ist es, die Probleme dieser Themen trotz widersprechender Interessen und knapper Ressourcen möglichst gut zu lösen.
Politics bezieht sich auf die prozesshafte Dimension, also auf die Frage, wer in welcher Weise an den Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt ist. Die Austragung von Konflikten und der Kampf zwischen verschiedenen Interessensgruppen und Personen um Macht, Machtanteile und Einflussnahme steht dabei im Vordergrund.
Übersicht
Dimension |
Erscheinungsformen |
Merkmale |
Bezeichnung |
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Form |
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polity |
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Inhal |
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policy |
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Prozeß |
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politics |
Politikverständnis
Politik wurde lange als "Kunst der Staatsverwaltung" verstanden. In diesem Verständnis ist Politik der kluge Umgang mit Macht möglichst am "Gemeinwohl" orientiert. Doch wie erkennt man das sogenannte Gemeinwohl, was ist mit sich widersprechenden Interessen?
Eine wichtige Frage für das Politikverständnis ist die Frage nach dem Akteur, wer soll eigentlich Politik machen? Die betroffenen Bürger und Bürgerinnen, die Politiker und Politikerinnen oder doch wie früher die Fürsten und Könige?
Auch heute noch gibt es sehr unterschiedliche Ausfassungen, wie und was Politik zu sein hat. Die Beteiligung aller Bürger und Bürgerinnen an der Politik, wie sie im weiteren stark gemacht wird, ist keineswegs das einzige mögliche Politikverständnis. Es ist das Politikverständnis eines Senioren und Lesers unseres Journals.
Mein Politikbegriff
"Wir sind also umgeben von Politik. Politik ist nicht nur das, was in der Hauptstadt gemacht wird, sondern sie fängt bei uns selbst an. Bin ich im Verein, betreibe ich Vereinspolitik, in der Firma verfolge ich die Firmenpolitik, oder ich bin nicht einverstanden mit ihr. Das Gleiche gilt für mein Dorf, Gemeinde, Stadt, Landkreis, Land und sogar auf Bundeseben.
Bürger ist man also nicht zur Wahl. Auch wenn es so scheint, da dann alle um meine Stimme buhlen. Nein, auch zwischen den Wahlen kann ich meine Stimme lautstark erheben.
Wissen wir eigentlich, welche Möglichkeiten und sogar Rechte wir haben, um auch zwischen den Wahlen unsere Stimme zur Geltung zu bringen? Kennen und nutzen wir die Grundrechte, die in unserer Verfassung, dem Grundgesetz (GG), verankert sind? Bis vor kurzem war mir das auch nicht bewusst.
Unsere Rechte
Die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit (Artikel 5 GG), die Versammlungsfreiheit und das Demonstrationsrecht (Artikel 8 Abs.1. GG), das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden (Artikel 9 GG), das Petitionsrecht (Artikel 17 GG), das Recht Parteien zu gründen und damit an der politischen Willensbildung mitzuwirken (Artikel 21 GG) sowie das allgemeine Wahlrecht (Artikel 38 GG) geben uns umfassende Möglichkeiten.
Wir müssen und sollten sie allerdings mit Leben füllen. Wenn wir also mit der Politik in irgendeinem Rahmen nicht einverstanden sind, dann sollten wir nicht nur schimpfen oder meckern. Wir haben viele Möglichkeiten, uns dazu zu äußern.
Öffentlichkeit
Beginnen können wir mit dem Gespräch oder dem Anschreiben der zuständigen Behörde, den Politikern und Abgeordneten. Die Parteien, auf welcher Ebene auch immer, können kontaktiert werden genau so wie die Regierungsstellen und Ministerien. Will ich dies alles nicht, oder reagiert wider Erwarten niemand auf mein Anliegen, so kann ich direkt in die Öffentlichkeit gehen. Ich kann Leserbriefe an entsprechende Medien schicken. Oder ich versuche, die Medien auf mein Problem aufmerksam zu machen, damit sie es in Zeitung, Rundfunk oder Fernsehen behandeln und zur Sprache bringen. Wenn mir das alles noch zu wenig ist, kann ich selbst an die Öffentlichkeit gehen. Sei es eine Versammlung oder die Gründung einer Bürgerinitiative, eines Vereins oder gar einer Partei.
Bürgerinitiative
Oder aber ich wähle den Weg der Beteiligung über eine Bürgerinitiative. Dieser unabhängige Zusammenschluss von Bürgern, die sich zu einer spontanen oder geplanten Aktionsgruppe zur Verfolgung gemeinsamer Ziele und Interessen zusammengeschlossen haben entstehen
meist als demokratische Selbsthilfeorganisationen, um auf staatliche Stellen, politische Parteien und andere Repräsentanten der politischen Führung Einfluss auszuüben. Im Unterschied zu politischen Parteien versuchen sie nicht, über Wahlen politische Macht zu erlangen. Von Interessenverbänden wie Gewerkschaften unterscheiden sie sich durch die heterogene Zusammensetzung ihrer Mitglieder. Inzwischen gibt es mehrere tausend Bürgerinitiativen in der Bundesrepublik. Als Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen steht ihnen in manchen Bundesländern sogar das Instrument des Volks- bzw. Bürgerentscheids zur Verfügung.
Quintessenz
Wir sind also "der Politik" gar nicht so hilflos ausgeliefert, wenn wir die uns zustehenden Rechte und Möglichkeiten auch in Anspruch nehmen. Natürlich bedeutet das aber, dass man sich mit dem Thema umfassend auseinandersetzen muss. Dies ist aufgrund der oben beschriebenen Möglichkeiten jedem gegeben, erfordert allerdings einen nicht unerheblichen Aufwand an Zeit. Aus eigener Erfahrung kann ich jedoch sagen, dass die Reaktionen schneller und häufiger kommen, als man sich im Vorhinein vorstellt."