LernCafe 14 vom 15. Januar 2002: "Politik
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Frauen in der Politik
(Druckversion)
Christa Boeger
E-Mail: christa.boeger@gmx.de
Frauenwahlrecht
"Fordert das Stimmrecht, denn über das Stimmrecht geht der Weg zur Selbständigkeit und Ebenbürtigkeit, zur Freiheit und zum Glück der Frau." So schrieb Hedwig Dohm im Jahre 1873. Aber es dauerte noch 45 Jahre bis am 12. November 1918 die damalige Revolutionsregierung verkündete; "Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten und allgemeinem Wahlrecht....für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen."
Weimarer Verfassung
Die Weimarer Verfassung von 1919 legte in ihrem Artikel 22 fest: "Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten". War das Wahlrecht für Frauen nun ein Geschenk der Männer? Keineswegs, denn seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts kämpften die Frauen in Wahlrechtsvereinen, mit Petitionen, Schriften und Demonstrationen für ihr Recht auf politische und gesellschaftliche Teilhabe. Dazu kamen ihre unübersehbaren Leistungen im 1.Weltkrieg: sie ersetzten die an der Front kämpfenden Männer in fast allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Breichen.
Abgeordnete
Bei der ersten Wahl im Januar 1919 gingen fast 90% der wahlberechtigten Frauen an die Urnen, so viele wie später nie wieder. 41 Frauen - vorwiegend Konservative und Liberale - wurden in den Reichstag gewählt, das sind 9,6% der Abgeordneten. Erst 1983 wurde wieder ein ähnlich hoher Prozentsatz erreicht. Die Frauen waren als Staatsbürgerinnen und Wählerinnen nicht mehr aus dem politischen System wegzudenken.
Mütter des GG
Unter den 65 Mitgliedern des Parlamentarischen Rats, der sich am 1. September 1948 traf, waren nur vier Frauen, die "Mütter des Grundgesetzes": Friederike Nadig (SPD), Elisabeth Selbert (SPD), Helene Weber (CDU) und Helene Wessel (Zentrum).
Rechtschaos
Die Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter bewegte zu jener Zeit weder Politiker noch Bevölkerung. Für Elisabeth Selbert dagegen gehörte die Gleichberechtigung zu den Menschenrechten. Mit ihrem Antrag "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" stieß sie im Parlamentarischen Rat auf Widerstand. Selbst ihre drei Geschlechtsgenossinnen unterstützten sie nur halbherzig, da sie fürchteten, damit würde dem gesamten Familienrecht der Boden entzogen und ein "Rechtschaos" könne die Folge sein. Ihr Antrag wurde mehrmals abgelehnt. Darauf mobilisierte Selbert die Öffentlichkeit und fand bei Frauenverbänden., Gewerkschaften und Parteien Unterstützung.
Gleichberechtigt
Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. In Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 der neuen Verfassung steht seitdem: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Im entsprechenden Protokoll heißt es dazu: "Artikel 3 Absatz 2 hat seine jetzige Gestalt nach sehr ausführlichen und erregten Debatten gewonnen."
Damit hatte die Gleichberechtigung Verfassungsrang und war auch im privaten Recht verankert, z.B. im ehelichen Güterrecht, in der Kindererziehung, usw. Doch dauerte es viele Jahre, bis sie konkret eingelöst war. Im Zuge der Verfassungsreform von 1994 wurde Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz ergänzt um den Satz: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Daraus folgten Gleichstellungsgesetze in Bund und Ländern, Frauenbeauftragte sowie Frauenförderpläne.
Bundestag
Wie sieht es heute im Bundestag aus? Kann heute von einer gleiche Teilhabe der "anderen" Hälfte gesprochen werden? Obwohl mehr als die Hälfte aller Wahlberechtigten Frauen (1996 waren es 54%) sind, sind im Deutschen Bundestag derzeit nur 30,9% Frauen vertreten. Schlusslicht bildet die CDU/CSU mit 18,4% dicht gefolgt von der F.D.P mit 20,9%. Vorbildlich ist der Frauenanteil der PDS (58,3%) und der Grünen (57,4%), die SPD liegt mit 35,2% im Mittelfeld.
Aufwärtstrend
Doch welch ein Fortschritt, wenn man sich die Entwicklung seit 1949 anschaut: bis 1987 gab es nie mehr als 10% weibliche Abgeordnete, wobei 1972 mit 5,8% ein absoluter Tiefstand erreicht wurde. Seit 1987 geht es aufwärts! Von 15,4% Frauen im 11. Bundestag zu 30,9% im 14. Bundestag.
Der Anteil der Frauen in den Landesparlamenten schwankt zwischen 17% und 40%. In den gewählten Vertretungen der Städte und Gemeinden steigt der Frauenanteil ständig. Es wird deutlich: das politische Klima hat sich verändert, auch die politischen Parteien bemühen sich, die Zahl der Frauen in ihren Organisationen zu erhöhen. Man denke an die Quote bei SPD (40%), den Grünen, der PDS (beide 50%) und an das Quorum der CDU (30%).
Bundeskanzlerin
Es gibt inzwischen Parlamentspräsidentinnen, Ministerinnen, eine Ministerpräsidentin und viele andere Frauen in wichtigen politischen Positionen.
Auch wenn in unserem Land Frauen in der Politik im kommen sind, so scheinen wir doch noch nicht reif genug für eine Bundespräsidentin oder eine Bundeskanzlerin zu sein. Eine solche Interpretation liegt zumindest angesichts der jüngsten Personalentscheidung in Sachen "K-Frage" nahe. Vielleicht dann in vier Jahren?