LernCafe 16 vom 15. März 2002: "Sprache"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
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Wortschatztraining
(Druckversion)
Christian Carls
E-Mail: christian.carls@zawiw.uni-ulm.de
Einführung
Ich lerne Deutsch. Nicht als Fremdsprache, sondern um den Gebrauch meiner Muttersprache zu verbessern. Vor einigen Jahren habe ich mit diesem "privaten Lernprojekt" begonnen, das wohl nie zum Abschluß kommen wird... Das ist nicht weiter schlimm, das Lernprojekt macht Spaß und von den Erträgen profitiere ich jeden Tag. Damit tröste ich mich, wenn Freunde italienisch, spanisch, ein Bekannter jetzt sogar Chinesisch lernen und ich statt dessen deutsche Vokabeln "pauke"... Wie ich das mach und wie ich dazu gekommen bin, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Vorgeschichte
In meiner Schulzeit hatte ich die elfte Klasse als Austauschschüler in England verbracht. "Wenn man einen Sprache lernen will, muß man in das Land...", so hieß es, und ich wollte englisch lernen und das Land interessierte mich auch. In Lincolnshire angekommen, lernte ich vor allem eines sehr schnell: wie ich mit den vielleicht 3000 englischen Worten, die ich aktiv beherrschte, "alles" sagen konnte, was ich im Alltag und sogar in der Schule zu brauchen glaubte. Zurück auf meinem deutschen Gymnasium, waren die Erwartungen bei LehrerInnen und MitschülerInnen an meine Sprachkenntnisse hoch. Doch bei der Lektüre englischer Literatur im Leistungskurs kam ich schnell an meine Grenzen. Von 15 Punkten, die alle für selbstverständlich hielten, war ich weit entfernt. Ich verstand zwar alle Texte, aber mein aktiver Wortschatz war einfach klein geblieben. Mit neu entfachtem Ehrgeiz begann ich, systematisch Vokabeln zu lernen und erarbeitete mir allmählich
gute Englischkenntnisse...
Deutscher Wortschatz?
Viel später kam mir die Idee, daß es mit dem Gebrauch der eigenen Muttersprache ähnlich sein könnte... Wenn ich Bücher las oder anderen zuhörte, begann ich auf Worte zu achten, die in meinem aktiven Vokabular nicht vorkommen. Machen Sie selbst einmal den Test. Sie werden erstaunt sein, wie viele nützliche Worte Ihnen begegnen, die Sie zwar verstehen, aber in Ihr Gewohnheitsvokabular nicht aktiv aufgenommen haben.
Der Karteikasten
Unbeholfenheit, Plumpheit àliebevoller? Steht auf der Karte. Die "Lösung" erfahren Sie im nächsten Abschnitt.
Den Karteikasten zum Lernen englischer Vokabeln hatte ich noch. Nach dem selben System müßte doch auch mein deutscher Wortschatz zu erweitern sein. Wie auf dem Bild zu sehen, war der Kasten über die Jahre schon verschiedenen Lernprojekten dienlich (Faktenbüffeln im Studium, Lernen von Schacheröffnungen, ...).
Deutsche Vokabeln
Jetzt lerne ich mit dem Kasten deutsche Vokabeln. Immer, wenn mir ein Wort auffällt, das ich selbst (mehr) nutzen möchte, landet es im ersten Fach meines Karteikastens. Der Kasten hat fünf Fächer, das erste ist das kleinste. Wenn das voll ist,
wiederhole ich die dort gesammelten Karten.
Wörter, die mir inzwischen vertrauter sind, "wandern" ein Fach weiter, so entsteht Platz für neue Worte. Je weiter die Karten im Kasten "gewandert" sind, desto seltener werden sie wiederholt. Kann ich eine Frage nicht beantworten, wandert die Karte wieder zurück ins erste Fach :-(. Karten, die das fünfte Fach durchlaufen haben, werden in einer gesonderten Box gesammelt. Natürlich habe ich nicht immer Karten bei mir und auch nicht immer Lust, welche zu erstellen. Ich habe mir aber - nach ersten Hemmungen, in den Büchern rumzumalen - angewöhnt, beim Lesen Worte zu markieren, die mir auffallen und die in den Vokabelkasten übernommen werden sollen.
Tapsigkeit
"Sven merkte, daß mit Paula etwas nicht stimmte, und bemühte sich um sie. Er wurde aufmerksam, zugewandt, zärtlich, und er wurde es mit der rührende Tapsigkeit des Betrunkenen." Ein Satz aus einer Liebesgeschichte von Bernhard Schlink. Die "Tapsigkeit" gefällt mir. Und da ich mich nicht daran erinnern kann, das Wort selbst schon einmal benutzt zu haben, wird es markiert, um gemeinsam mit anderen Worten aus dem Buch später auf Karten übertragen zu werden.
Die Vorserseite ist mit einem schrägen Strich markiert - falls die Karten mal durcheinanderkommen und zum gezielten Wechsel der Lernrichtung.
Lernen durch Wiederholung
"Die überzeugende Anwendung in einem Marktsegment der Informationstechnologie:: Marketingjargon?!" lautet die Frage. Die erfaßte Antwort finden Sie unten.
Inzwischen ist die digitale Revolution auch in mein Lernsystem eingebrochen. Viele Vokabeln übertrage ich inzwischen in ein Programm mit einem einfachen Namen: "Lernen durch Wiederholung" von Matthias Kraus. Das Programm simuliert die Eigenschaften eines Karteikastens und ist sehr einfach zu bedienen. Ein Vorteil ist - wenn man schnell tippt - die leichtere Erfassung von neuen Fragen.
Übrigens, die Antwort in dem Beispiel lautet "Killer application". Mein Wortschatztraining erstreckt sich natürlich auch auf neue und und importierte Begriffe.
Programmtip
Das Programm ist kostenlos. Zum Lernen ist es aus meiner Sicht geeigneter als viele "Konkurrenz"-Produkte, weil es beim Abfragen keine Eingabe erwartet. Sie finden die Frage auf dem Monitor, überlegen sich die Antwort, klicken auf "Ich will die Antwort sehen" und beurteilen selbst mit einem weiteren Klick, ob Sie richtig lagen oder nicht. Falls ja, wird die Frage vom Programm ins "zweite Fach" übertragen, wenn nein, wird das Programm Sie mit dieser "Karte" bald wieder konfrontieren. Auf diese Weise lassen sich auch komplexere Zusammenhänge auf Karteikarten erfassen und abfragen - die Kontrolle über die richtige Antwort übernimmt der Lernende / die Lernende ja selbst. Wer Interesse am (erneuten) Lernen nach dem Kartensystem entwickelt hat und sich für das Programm näher interessiert: in der nächsten Ausgabe des LernCafes wird eine ausführliche Einführung in das Programm erscheinen (in der Materialienbörse).
Links
"Lernen durch Wiederholung": empfehlenswertes und kostenloses Lernprogramm von Matthias Kraus, hier zum Download:
home.t-online.de/home/Matthias.Kraus/hsoft8.htm
Das Programm wird in der nächsten Ausgabe des LernCafes ausführlicher vorgestellt.