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LernCafe 17 vom 15. April 2002: "Mit Behinderungen leben"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
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Schlaganfall-Selbsthilfe
(Druckversion)

Helga Over & Werner Brodeßer
E-Mail: HelgaOverTrd@aol.com

Einführung
Die 'Selbsthilfegruppe Schlaganfall' in Troisdorf-Sieglar (Nähe Bonn/Köln) hat sich 1995 gegründet. Die Gruppe dient dazu, dass Betroffene sich gegenseitig unterstützen, die Krankheit Schlaganfall und deren Folgen zu akzeptieren und die verbliebenen Möglichkeiten zu nutzen und weiterzuentwickeln. Derzeit treffen sich die Mitglieder einmal im Monat zu Gesprächen und zum Erfahrungsaustausch, planen gemeinsame Unternehmungen und laden Ärzte, Psychologen, Therapeuten und Vertreter von Organisationen, wie z.B. von Krankenkassen ein, um durch Vorträge und Diskussionen das Wissen um den Schlaganfall und die Patientenbetreuung zu ergänzen. Helga Over und Werner Brodeßer, die die Gruppe gemeinsam mit anderen initiiert haben, berichten über die Arbeit der Gruppe und ihre Erfahrungen. 
Christian Carls

Vorgeschichte
Im Mai 1995 erlitt Helgas Vater im Alter von 72 Jahren unmittelbar nach dem plötzlichen und viel zu frühen Tod seiner Ehefrau einen schweren Schlaganfall. Wohl nur dem Umstand, daß es in unserem Ort eine dem Krankenhaus angeschlossene Schlaganfall-Station gibt, ist es zu verdanken, daß Herr Over diesen massiven Hirnschlag überlebt hat - wenngleich auch mit gravierenden psychischen und physischen Beeinträchtigungen.
Wir haben Helgas Vater seinerzeit über Wochen und Monate hinweg durch viele Krankenhaus- und Reha-Stationen begleitet, oft einen 24-Stunden-Wachdienst am Krankenbett verbracht und alleine dadurch viel über die Thematik 'Schlaganfall' erlernt. Doch auch über die Probleme, die sowohl einen Patienten als wie auch einen Angehörigen in Kliniken und Rehas begegnen können, haben wir in den vergangenen Jahren so manches erfahren müssen.

Gruppengründung
Es ergab sich, daß zur gleichen Zeit, als Helgas Vater in Behandlung war, am St. Johannes Krankenhaus in Troisdorf (Nähe Köln / Bonn) ein Schulungskurs für pflegende Angehörige angeboten wurde, den wir besuchten. Bei dieser praxisnahen Anleitung zur Pflege, Betreuung und Lagerung betroffener Schlaganfallpatienten und ähnlicher Krankheitsbilder wurde alsbald deutlich, daß viele Betroffene, aber auch und insbesondere die pflegenden Angehörigen mit der meist plötzlich eintretenden Problemsituation überfordert waren und um Unterstützung eines potentiellen Ansprechpartners ersuchten. Durch die Gründung einer Selbsthilfegruppe haben wir uns dieser Aufgabe gestellt. Das war 1995.

Zusammenkünfte
Nach anfänglichen Problemen und nur wenigen Besuchern unserer Gruppe zählen wir heute bei jedem Treffen bis zu 30 und mehr Mitglieder und Gäste, wobei die Betroffenen zwischen 12 und 80 Jahre alt sind. Insgesamt haben wir bereits über 80 Adressen in unserer Kartei und dabei sind die Anfragen, die uns telefonisch oder per Email erreichen, nicht eingerechnet. 
In die Gruppe kommen unmittelbar "Betroffene", aber auch "Pflegende", die sich um Angehörige oder Freunde kümmern. Die meisten Treffen finden gemeinsam statt. Ab und an splitten wir unsere Gruppe in Betroffene und Pflegende auf, um dann in getrennten Räumen Themen zu diskutieren, die im Beisein des Partners sonst nicht angesprochen würden. So hat sich schon manch pflegender Angehöriger viel Frust und Ärger, die oftmals mit der Betreuung eines Behinderten verbunden sind, von der Seele reden können. Und auch die Patienten haben untereinander häufig ganz andere 'heiße Eisen' angefaßt als sie es im Beisein ihrer Angehörigen kundtun würden.

Informationen für die Gruppe
Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, daß von den 'Neuzugängen' in der Gruppe zumindest in der Anfangsphase zumeist die gleichen Fragen zum Thema gestellt werden, zu denen dann Informationen ausgetauscht oder Vorträge organisiert werden:

- Welche Rehabilitationskliniken gibt es in der Nähe des Wohnortes, welche Erfahrungen wurden mit diesen Kliniken gesammelt, 
- welche Hilfsmittel Medikamente und Zuschüsse gibt es für die Patienten,
- wie kann man einer Depression vorbeugen,
- wie gehe ich als Partner / Familienmitglied mit dem Patienten um,
- was kann ich als Patient zur Entlastung der Pflegenden unternehmen,
- wo finde ich aktuelle Informationen rund um die Problematik des Schlaganfalls, usw.

Schier endlos sind die Probleme, die den Patienten und deren Familie vor allem in den ersten Tagen und Wochen der Krankheit regelrecht überfallen.


Information der Öffentlichkeit
Als weiteres Ziel betrachten wir die Aufklärung und Information der Öffentlichkeit, um über die warnenden 'Vorzeichen' eines möglichen Hirninfarktes zu informieren, aber auch und insbesondere, um weitere Kontakte zu Betroffenen und anderen interessierten Personen zu knüpfen. Bei dieser Arbeit werden wir in vielerlei Hinsicht durch die bundesweit tätige und bekannte Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, deren Gründerin und Präsidentin Liz Mohn (Bertelsmann) ist, unterstützt. So bietet die Stiftung umfangreiches Informationsmaterial quasi als 'erste Hilfe' an, organisiert Seminare für Selbsthilfegruppen bzw. deren Leiter und führt vielbeachtete Öffentlichkeitsarbeiten durch.

Gespräche & Freizeit
Das mittlerweile aufgebaute Vertrauensverhältnis innerhalb unserer Selbsthilfegruppe ermöglicht es darüber hinaus, selbst privateste Probleme zu besprechen. Viele Mitglieder und Besucher finden vor allem bei diesen Gesprächen Trost und Rat und erhalten so eine wertvolle Hilfestellung, um mögliche Konflikte, die durch die Behinderung des Patienten auftreten können, zu lösen und zu verarbeiten. Insbesondere die bei vielen Schlaganfallpatienten auftretenden Wesens- oder Charakteränderungen sind dabei häufig Grundlage vieler Diskussionen. Auch unsere telefonische 'Hotline' hat sich sehr bewährt und ist mittlerweile eine regelrechte 'Seelsorge' geworden.
Doch neben diesen Hilfestellungen veranstalten wir auch Freizeitaktivitäten wie Tagestouren mit behindertengerecht ausgestatteten Reisebusen z.B. zu Lesungen im Aachener Dom, haben schon einige Schiffstouren auf dem Rhein unternommen und so manch gemütlichen Abend in beschaulichen Gaststätten oder auf großen Grillfesten verbracht, was mitunter auch zu neuen echten Freundschaften innerhalb der Gruppen führt.

Webseite
Da wir als ehrenamtlich Tätige uns zunächst nur auf eine ortsansässige Unterstützung konzentrieren können, unser Wissen und unsere Erfahrungen aber gerne darüber hinaus bekannt machen wollen, haben wir mit der Veröffentlichung unserer Internet-Präsenz diesbezüglich einen weiteren Schritt nach vorn gewagt. 
Unter www.Schlaganfall-Selbsthilfe.de bieten wir seit kurzem jedem Interessierten die Möglichkeiten, sich mit Erstinformationen zu versorgen. Neben aktuellen Events wie z.B. kostenlose öffentliche Vorträge, die häufig von Krankenkassen, Ärzten u.a. durchgeführt werden, verweisen wir auf interessante, auch dem Laien verständliche Literatur, auf Hilfsmittel und deren Bezugsquellen oder berichten über TV-Beiträge und Zeitungsartikel. Über unser Forum ist zudem der Gedankenaustausch mit anderen Internetbenutzern möglich. Anfragen, die uns per Email sogar aus Japan und Australien erreichten zeigen, daß diese Möglichkeit in der Tat weltweit beachtet und genutzt wird.

Angebot für neue Gruppen
Sicherlich ist es nicht jedem, der sich für die Gründung einer Selbsthilfegruppe interessiert, möglich, ein solch breites Spektrum an Information und Engagement zu präsentieren. Doch das ist ja auch nicht die primäre Aufgabe. Vielmehr wünschen wir uns, daß sich mehr und mehr Betroffene zusammen finden, um in regionalen Gesprächskreisen ihre persönlichen Belange, Probleme und Erfahrungen auszutauschen. Denn nur Sie 'vor Ort' sind in der Lage, über die ansässigen Behörden, Ärzte, Therapeuten und Klinken zu diskutieren und anderen Mitbürgern bei spezifischen Problemen mit eben Ihren regionalen Vertretern zu helfen. Sollten Sie bezüglich einer geplanten Gründung einer Selbsthilfegruppe Fragen haben, können Sie sich gerne mit uns in Verbindung setzen.

Link und Kontakt
www.Schlaganfall-Selbsthilfe.de  
E-Mail: HelgaOverTrd@aol.com