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LernCafe 17 vom 15. April 2002: "Mit Behinderungen leben"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
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WEB for ALL - Barrierefreiheit im Internet

(Druckversion)

Stefan Berninger
E-Mail: s.berninger@webforall-heidelberg.de  

Einführung
Für viele Menschen ist der Begriff der Barrierefreiheit an bauliche Gegebenheiten geknüpft; die Notwendigkeit von Rampen an Gebäuden, Hebebühnen in Bussen und für Rollstuhlfahrer benutzbare Toiletten ist allmählich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen. Doch auch im Internet gibt es für unterschiedliche Gruppen von Menschen, z. B. Blinde und Sehbehinderte, aber auch Mobilitätsbehinderte oder Gehörlose, Barrieren, die die Zugänglichkeit zum World Wide Web erschweren oder sogar unmöglich machen. Die Probleme, die auf Internetseiten entstehen, sind unterschiedlich, aber allen Seiten ist ge-meinsam: Wenn bestimmte Grundregeln der Barrierefreiheit eingehalten werden, können alle Menschen das Internet nutzen.

Bebildertes Internet
Viele WebdesignerInnen verwenden zunehmend Methoden oder bewegte Bilder, die eine Informationsweitergabe nur für Sehende anbieten. Blinde Menschen arbeiten aber mit Programmen, die ausschließlich Text wiedergeben. Oft steht für AuftraggeberInnen mehr das Aussehen der Seiten als die Übermittlung von Information im Vordergrund. Das hat zur Folge, dass viele Behinderte, aber auch SeniorInnen oder Menschen mit älteren Computern und Anwendungsprogrammen für das Internet (Browsern) die Seiten nicht oder nur un-vollständig lesen können.

Chancen für Behinderte
Das Internet gewinnt in immer mehr Bereichen unseres Lebens an Bedeutung. Gerade für Menschen, die in Ihren Möglichkeiten eingeschränkt sind, bietet es neue Chancen: So könnte manche/r Mobilitätsbehinderte/r von zu Hause aus arbeiten oder einkaufen, blinde Menschen, die bisher nur sehr eingeschränkt tagesaktuelle Ereignisse in der Presse verfolgen konnten, könnten plötzlich mitlesen und mitreden. Menschen mit Sinnes- oder Körperbehinderung könnten durch und mit den neuen Informations- und Kommunikationstechniken auch einen Arbeitsplatz finden. 

Oder, wie Anna Courtpozanis, blinde Mitarbeiterin bei WEB for ALL, von Ihrem ersten Kontakt mit Computer und Internet erzählte: „Ich saß in einem kleinen, engen Wohnzimmer, der Computer mittendrin und ich hatte auf einmal das Gefühl von unendlicher Weite.“ Und das sollte ihr keiner mehr nehmen dürfen. 

„WEB for ALL“
WEB for ALL ist ein Projekt des Vereins zur beruflichen Integration und Qualifizierung e.V. (VbI) in Heidelberg. Der VbI hat das Ziel, behinderte Menschen zu qualifizieren und zu beschäftigen. Das Projekt wird mit Unterstützung der Bundesanstalt für Arbeit, des Europäischen Sozialfonds, dem Land Baden-Württemberg (Sozialministerium) und weiterer Sponsoren durchgeführt. Im Projekt sind fünf schwerbehinderte MitarbeiterInnen beschäftigt, darunter eine blinde Kollegin.

Blinde & Internet
Das Internet – unendliche Weiten? Aber leider nicht für alle!
Auf Webseiten entstehen in Abhängigkeit von den verwendeten Gestaltungsmitteln verschiedene Barrieren für unterschiedliche Arten von Behinderungen. Besonders blinde und sehbehinderte Menschen haben Schwierigkeiten. Da der Bildschirm visuell nicht erfasst werden kann, nutzt ein blinder Mensch eine Sprachausgabe oder eine Braillezeile: der Text wird vom Computer vorgelesen bzw. kann in Punktschrift umgesetzt und ertastet werden.

Sehbeeinträchtigte
Viele sehbehinderte Menschen können kleine Schriften nicht erkennen und benutzen eine Vergrößerungs-Software. Ein Mensch mit Rot-Grün-Blindheit kann natürlich eine rote Schrift auf grünem Hintergrund nicht wahrnehmen. Viele ältere Menschen nutzen das Internet nicht, weil sie sich aufgrund einer Sehschwäche nur schlecht auf einer Seite orientieren können.

Andere Behinderungen
Auch bei anderen Behinderungen können Probleme auftreten. So verwenden nicht nur blinde, sondern auch manche mobilitätsbehinderte Menschen ausschließlich die Tastatur, also keine Maus. Beim entsprechenden Einsatz des HTML-Codes kann man sich mit der Tabulatortaste von einem Link zum nächsten fortbewegen. Oder bei speziellen flackernden Effekten besteht die Gefahr, dass ein Mensch mit Epilepsie bei einer Bildfrequenz von ca. 20 Hertz einen Anfall erleidet. Im Zuge der immer stärkeren Leistungsfähigkeit der Computer und des Internets ist zu befürchten, dass immer mehr multimediale Effekte Einzug halten. Dies ist so lange kein Problem, wie alle grafischen und akustischen Informationen gleichzeitig auch alternativ als Text auf dem Bildschirm zur Verfügung stehen. Problematisch ist es aber, wenn der Besucher einer Webseite eine Information ausschließlich über die Lautsprecher seines Computers (als Audio-Datei) erhält. Dies schließt gehörlose Menschen aus.

Lösungen
Man kann eine Internetseite auch z. B. als blinder Mensch gut erfassen. Dabei hilft speziell entwickelte Soft- oder Hardware, die viele Möglichkeiten bietet, die aber nur einwandfrei arbeitet, wenn sie spezielle – eben barrierefreie – Bedingungen vorfindet. Damit das funktioniert, müssen bestimmte Regeln bei der Gestaltung von Webseiten beachtet werden. Das Projekt hat hierfür Empfehlungen für ein barrierefreies Webdesign erarbeitet, die auf den Webseiten des Projekts zu finden sind. 

Angebote von
„WEB for ALL“

Das Projekt WEB for ALL richtet sich an alle, die für Webseiten verantwortlich sind, diese gestalten und programmieren sowie an jene, die die Gestaltung und entsprechende Techniken dazu unterrichten. 
In Form von Informationsveranstaltungen wird das Thema und seine Bedeutung dargelegt: Wer in der Gesellschaft ist von Barrieren im Internet betroffen? Wie groß ist diese Gruppe? Welche politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen gibt es? Wo liegen technische Probleme?
In Fortbildungen und Kursen wird das Thema und seine Bedeutung vertieft behandelt. Hier werden konkrete Lösungen aufgezeigt und die technische Programmierung und Gestaltung von barrierefreien Webseiten erläutert. 
Organisationen und Institutionen wird angeboten, einzelne Webseiten und ganze Homepages auf Barrierefreiheit hin zu überprüfen. Bei der Überprüfung werden auch blinde und sehbehinderte Menschen einbezogen.
Das Projekt erstellt und pflegt ebenso barrierefreie Webseiten.

Links & Kontakt
Über die konkreten Angebote von WEB for ALL und bei Fragen, kann man sich auf der Website www.webforall.info informieren. Informationen zu dem Kongress erhält man unter www.kongress.webforall.info. 

Kontakt:
WEB for ALL
Alte Eppelheimer Straße 38
69115 Heidelberg
Tel.: 06221/27089
Fax: 06221/970322
Web: www.webforall.info 
E-Mail: kontakt@webforall-heidelberg.de