LernCafe 17 vom 15. April 2002: "Mit Behinderungen leben"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
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Der [im]perfekte Mensch. Vom Recht auf Unvollkommenheit
(Druckversion)
Sabine Meyer
E-Mail: enibas.m@t-online.de
Einführung
Diese (virtuelle) Ausstellung wurde konzipiert von der Deutschen Behindertenhilfe - Aktion Mensch und der Stiftung Deutsches Hygiene-Museum Dresden. Hier werden Bilder von Körpern gezeigt, die ihre Unvollkommenheit sichtbar machen. Jede Gesellschaft konstruiert eine Vollkommenheit der Körper und so versuchen viele Menschen ihren eigenen Körper zu perfektionieren. Die Ausstellung zeigt, wie diese Bilder entstehen können. Die interaktive Darstellung basiert überwiegend auf Texten, einigen Bildern und mehreren Interviews, die angehört werden können. In Planung ist eine Panorama-Ausstellung in digitalisierter Form, aber auch jetzt schon wird ein guter Überblick über die Ausstellung ermöglicht.
Die Ausstellung läuft vom 16. März bis 02. Juni im Martin-Gropius-Bau in
Berlin.
Virtuell
Die Website bietet bezüglich der Ausstellung vier Rubriken bzw. Einblicke mit verschiedenen Darstellungsarten: den Prolog, die Welten, die Raster und die Lichtung. Jeder Einblick ist mit Text und Bild versorgt. Zur Erleichterung des Verständnisses gibt es aber auch einen "leichten Text". Die verschiedenen Kapitel sind auch mit Bildern versehen, die hier Panoramen heißen. Sie sollen nach Beginn der realen Ausstellung vervollständigt werden. Darüber hinaus gibt es, wie in jedem guten Museum, verschiedene Informationsangebote - von Lehrmaterial und Katalog bis hin zu Forum und Gästebuch.
Prolog
Im Prolog wird auf die Körperbilder eingestimmt, die Grundlage dieser (interaktiven) Ausstellung sind. Es sind Altäre der Vollkommenheit sowie ein Archiv der Mängel. Sie sollen darauf hin deuten, dass es den perfekten Körper nicht gibt. Dennoch spielt der visuelle Eindruck bei der Bewertung von Menschen eine entscheidende Rolle. Immer wieder hat es Versuche gegeben, aus körperlichen Merkmalen wissenschaftliche, überprüfbare Kategorien einer Bewertung des Menschen abzuleiten. Immer sind sie gescheitert. Und dennoch gibt es eine Art Alltagssystem des visuellen Urteilens, das jeden Blick prägt. Jede"Musterung" des Gegenübers schließt dessen Klassifikation ein. Ausgehend von visuellen Signalen"machen wir uns ein Bild".
Welten
Unsere Welt ist geprägt von Kommunikation. Menschen, die sich nicht an der Mehrheitskommunikation beteiligen können, werden ausgegrenzt, so zum Beispiel auch Gehörlose. Aber auch Menschen mit anderen "Behinderungen" erfahren Ausgrenzungen. Verschiedene Bereiche der eingeschränkten Kommunikation werden hier eindrücklich vorgestellt. Wie erfährt man die Welt, wenn man nicht sieht, nicht hört, Dinge anders versteht? Welche Bedeutung haben Berührungen in der Kommunikation? Und was bedeutet es, wenn man sich nur eingeschränkt bewegen kann? Die verschiedenen Welten werden hier beschrieben und es wird auf Möglichkeiten zur besseren Verständigung hingewiesen.
Raster
Jede Gesellschaftsform versucht die Menschen in Raster einzuordnen. Menschen werden in Normen eingeordnet. "Mauern" werden errichtet um die "anderen" Menschen -so wird es begründet - vor sich selber zu schützen. Dennoch werden außergewöhnliche Körper zuweilen instrumentalisiert. Ihnen werden dann außergewöhnliche Eigenschaften zugeschrieben. "Es ist normal verschieden zu sein", so sagte Richard von Weizsäcker1993. Diese "Normalität" wird mit verschiedenen Lebensbeschreibungen von Menschen mit Behinderungen sichtbar gemacht. Ein Einblick in die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen geben die Beispiele aus der Bildenden und Darstellenden Kunst, die inzwischen einen anerkannten Platz im Kunstbetrieb erobert haben.
Lichtung
Vornehmlich die Medizin versucht die Körper der Menschen zu normieren. In der ethischen Debatte geht es um Leben und Tod. Wann ist ein Leben nicht mehr lebenswert? Wie betrachten Menschen mit Behinderungen diese Debatte? Lichtung steht darum hier sinnbildlich für die vermeintliche Aufklärung. In der Lichtung können Statements unterschiedlichster Personen mit und ohne Behinderungen angehört werden, die einen Einblick in die Vielfalt der Meinungen geben und versuchen das dahinterstehende Menschenbild aufzuzeigen.
Die Ausstellung
Ein direkter Besuch dieser wunderbaren Ausstellung bietet die Möglichkeit alle Sinne in das Erleben einzuschließen. Die Interviews können oft am Bildschirm verfolgt werden, so dass der Eindruck für Sehende noch verstärkt wird. Aber auch der Tastsinn wird vielfältig angesprochen. Die wesentlichen Informationen werden durch die Ausstellung im Internet vermittelt, aber ein direkter Besuch der Ausstellung lohnt sich und erweitert den Blick auf die Unvollkommenheit. Für 5 Euro kann die Ausstellung noch bis zum 2. Juni 2002 besucht werden.
Link
http://www.imperfekt.de