Ausdrucken

LernCafe 17 vom 15. April 2002: "Mit Behinderungen leben"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
http://www.lerncafe.de

KOMM Münster: ein behindertengerechter Stadtplan und -führer
(Druckversion)

Peter Neumann

Einleitung
Was wird im Internet am häufigsten nachgefragt? Natürlich Informationen über und für das Reisen, ist doch die Urlaubszeit unsere fünfte Jahreszeit. Ganz besonders Städte und touristische Regionen werden gesucht. Einen ganz besonders hohen Informationsbedarf haben mobilitätsbehinderte Menschen. Also natürlich alle bewegungs- und wahrnehmungsbehinderte Menschen, aber auch ältere Menschen, Personen mit vorübergehenden Unfallfolgen, Personen mit Kinderwagen oder schwerem Gepäck und kleine Kinder. Diese ganze Personengruppe macht immerhin einen Anteil an der Bevölkerung von 30 - 35 % aus. Wunsch all dieser Menschen ist es, ein unabhängiges leben zu führen, selbständig mobil zu sein z.B. in einer Stadt oder einer touristischen Region.

Reisevorbereitungen
Wie aber eine Reise, einen Stadtbesuch planen, wenn ich nicht weiß, ob ich überhaupt das spezielle Museum besuchen kann, ob es überhaupt für behinderte Menschen zugänglich ist? Oder genauso die Frage nach der Ausstattung der Hotels für diese Personengruppe. Das Internet hat viele Menschen in die Lage versetzt viele Dinge wieder selbständig zu erledigen und ihre eingeschränkte Mobilität teilweise kompensiert. Warum sollte das im rahmen von Reiseinformationen nicht auch möglich sein? Dabei verfügt kein anderes Land in Europa über so viele Informationen für behinderte Menschen. Hier gibt es zur Zeit über 160 spezielle Städteführer. Zusätzlich können etwa weitere 50 Führer mit Informationen zu Regionen, Autobahnen, dem ÖPNV usw. bezogen werden.

Informationszugang
Man muß aber feststellen, daß im Zusammenhang mit dieser Art von Zugangsinformation für die Zielgruppe zahlreiche Probleme bestehen: Schwieriger Zugang zu den Informationen. Das Vorhandensein eines Stadtführers und die Bezugsadresse sind in der Regel höchstens den Ortsansässigen, nicht aber den Reisenden bekannt. Dazu kommt, daß nicht alle Stadtführer oder Stadtpläne von den Herausgebern versendet werden und nur wenige Städte Stadtführer mit Zusatzinformationen für mobilitätsbehinderte Menschen anbieten. Zugangsinformationen stehen nicht in "gewöhnlichen" Stadtführern, Reiseprospekten, Restaurantführern usw. Die Informationen sind von Stadt zu Stadt unterschiedlich aufgebaut und detailliert. Qualität und Zuverlässigkeit der Daten nicht beurteilbar.

KOMM
An dieser Problematik setzt die Idee von KOMM (Kommunikations- und Orientierungshilfen für Mobilitätsbehinderte Menschen") an. Abgeleitet aus einem gedruckten "Stadtplan für Behinderte" wurde KOMM 1996 als "Kommunikations- und Orientierungshilfen für Menschen mit Behinderungen in Münster" vom Institut für Geographie der Universität Münster unter der Leitung von Peter Neumann entwickelt und seit Sommer 1997 gemeinsam umgesetzt mit der städtischen Stiftung Siverdes, eine der bedeutendsten Sozialstiftungen in Münster, die auch einen Teil der Projektfinanzierung bis Ende des Jahres 2000 übernommen hat. Von Beginn an ist KOMM konzipiert als integrativer Bestandteil eines lokalen (oder regionalen) internetbasierten Informationssystems.

Münster
In Münster hat KOMM mit der Internet-Adresse muenster.de/komm/ einen für alle Internetnutzer zugänglichen Standort und kann nicht nur von privaten PCs, sondern auch von öffentlichen Computerterminals kostenfrei aufgerufen werden. KOMM bietet ein Gesamtkonzept für die lokale oder regionale Vernetzung und geographische Zuordnung von Informationen. Ein internetbasiertes Stadtinformationssystem liefert dazu lokale Informationen zur Bewältigung alltäglicher Planungs-, Organisations- und für mobilitätsbehinderte Menschen. So werden in KOMM Informationen angeboten, die viele Details über die Zugänglichkeit von z.B. öffentlichen oder gastronomischen Einrichtungen, Kultur- und Freizeitangeboten, Arztpraxen und Apotheken sowie öffentlichen Toiletten enthalten.

Datenbank
Eine Datenbank beinhaltet dazu Informationen über den Grad der Zugänglichkeit der einzelnen Einrichtungen. Der Nutzer der Datenbank kann - je nach seinen persönlichen Anforderungen an die Zugänglichkeit - auch Filter setzen, um sich nur diejenigen Einrichtungen anzeigen zu lassen, die seinen individuellen Bedürfnissen entsprechen. Da Zugangsinformationen möglichst in allen Städten und Ländern die gleiche Aussagekraft haben sollen, nutzt KOMM seit Anfang 1999 zur Erfassung der Daten eine im Rahmen des EU-Projektes BARRIER INFO speziell entwickelte Software (you-too), die europaweite Standards sicherstellt. Die erhobenen Daten werden von der DIAS GmbH in Hamburg für KOMM aufbereitet und in einer mehrsprachigen und komfortablen Internet-Datenbank (www.you-too.net) eingestellt.

Stadtplan
Ein eigens für KOMM entwickeltes interaktives Stadtplansystem ergänzt die schriftlichen Informationen und erleichtert das Zurechtfinden im Stadtgebiet. Der Stadtplan ermöglicht die lagegenaue kartographische Darstellung der in der Datenbank eingestellten Einrichtungen. Zu den weiteren Standardfunktionen des Stadtplansystems zählen benutzerdefiniertes Vergrößern und Verkleinern, das freie Verschieben des Kartenausschnittes sowie das automatische Auffinden von Einrichtungen. Weiterhin wird zukünftig auch die (räumliche) Darstellung der Einrichtungen selbst (in Form von z.B. Etagenplänen bzw. Grundrissen) und der dort erfaßten Zugangsinformationen möglich.

Interaktiv
Der interaktive Stadtplan erleichtert somit nicht nur das Zurechtfinden im Stadtgebiet - mit den Informationen aus der Datenbank können die Nutzer sich schon vor ihrem Besuch der Stadt (oder Region) einen persönlichen Stadtführer zusammenstellen und damit den Weg durch die Stadt (oder Region) - ihren Bedürfnissen entsprechend - optimal planen. Hilfreich ist auch, die ausgewählten Informationen oder den Stadtplan auszudrucken und mitzunehmen. Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, falls kein eigener Internetzugang zur Verfügung steht, die Informationen per Telefon abzurufen.

Mehr
KOMM hält als Informations- und Kommunikationssystem für mobilitätsbehinderte weitere Angebote bereit. In der "KOMM-Mailingliste" erhalten Mitglieder des elektronischen Verteilers regelmäßig Informationen und können den Verteiler auch selbst zur Verbreitung von Information nutzen oder sich an den entstehenden Diskussionen beteiligen. "Wichtige Links" und "News/Termine" bieten darüber hinaus die Möglichkeit, dezentral Informationen, Neuigkeiten und Termine auf den Webseiten von KOMM darzustellen. Diese Möglichkeit wird insbesondere Vereinen und Verbänden angeboten, die keine eigenen Webseiten betreiben, und an zentraler Stelle im Internet über ihre Aktivitäten berichten und ihre Broschüren veröffentlichen möchten.

Noch mehr
Was Münster kann, können andere Städte auch. Manchmal sogar noch mehr: für die Stadt Bern gibt es das bislang umfangreichste und detaillierteste Infoangebot. Design und Benutzerführung wurden leicht verändert. Für die Stadt Luxemburg gibt es Informationen zur Zugänglichkeit kultureller Einrichtungen, und die norwegische Stadt Kristiansand ist mit Stadtplan und Zugänglichkeitsinformationen im Netz zu finden.

Links
www.muenster.de/komm/
www.you-too.net/de/