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LernCafe 20 vom 15. November 2003: "Gesund ins Alter"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
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Lieber alt und gesund. Dem Altern seinen Schrecken nehmen
Buchbesprechung
(Druckversion)


Heidrun Koskowski
E-Mail: heidrun.koskowski@zawiw.uni-ulm.de

Einführung
"Ich hatte so viel Spaß, ich glaub, ich bleib noch ein Jährchen hier." Hat jemand, der seinen 105. Geburtstag so optimistisch und geistig rege feiern kann wie die hier zitierte Schwester Esther Boor, ganz einfach "Glück gehabt"? Oder haben wir es selbst in der Hand, unsere geistigen Fähigkeiten bis ins hohe Alter zu erhalten? Dieser Frage geht das vorliegende Buch nach, das erste Ergebnisse einer US-Studie zum Thema Alter und Alzheimer veröffentlicht.

Die Nonnenstudie
David Snowdon, Präventiv- und Umweltmediziner an der Universität Kentucky, leitet seit 1986 die so genannte "Nun Study" ("Nonnenstudie"). An dieser Langzeitstudie, die den Alterungsprozess und die Alzheimersche Krankheit untersucht, nehmen 678 Schwestern des Ordens von Notre Dame im Alter zwischen 75 und 106 Jahren teil.
Die Studie ist noch nicht endgültig abgeschlossen, wurde aufgrund ihrer spektakulären Ergebnisse aber schon intensiv in der medizinischen Fachpresse diskutiert.

Lebenswege
Snowdon hat sich für die Nonnen als Studienteilnehmerinnen entschieden, da sie unter sehr ähnlichen Bedingungen leben, was Ernährung, Arbeit, Einkommen, Gesundheitsfürsorge, Zölibat etc. betrifft. Darüber hinaus gibt es in Klöstern eine Vielzahl von schriftlichen Dokumenten über die einzelnen Mitglieder.
Neben zahlreichen Tests zur geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit sind die Akten des Ordens die Grundlage der Studie. Von besonderer Bedeutung sind die Autobiografien der Schwestern, die sie kurz nach dem Eintritt ins Kloster verfasst haben. Aufgrund dieser handschriftlichen Aufzeichnungen konnte David Snowdon nicht nur Bildungsgang und Krankengeschichte einer Schwester rekonstruierten, sondern auch einen Blick auf die Kindheit und frühe, prägende Einflüsse werfen.

Alzheimer und Alter
Alzheimer gilt gemeinhin als "Alterskrankheit". Tatsächlich steigt das Risiko einer Erkrankung mit zunehmendem Alter. Allerdings entwickeln rund 55 Prozent der Menschen, die 85 Jahre und älter werden, keine Alzheimer-Symptome.
Bestes Beispiel dafür, dass Alzheimer und Demenz nicht zwingend mit dem Alter einhergehen, sind einige der Über-100-jährigen Ordenschwestern. So etwa Schwester Matthia Gores, die bis zu ihrem Tod mit 104 Jahren täglich ein paar Fäustlinge für die Armen strickte und allabendlich für die 4.378 Schüler betete, die sie im Laufe ihres Leben unterrichtet hatte. Andere Schwestern dagegen litten schon viel früher unter dem für Alzheimer typischen Nachlassen der geistigen, körperlichen und sozialen Fähigkeiten.

Veränderungen des Gehirns
Alzheimer lässt das Gehhirn schrumpfen und verändert dessen Struktur. Aus diesem Grund wurden die Gehirne der verstorbenen Studienteilnehmerinnen obduziert und mit den Ergebnissen der geistigen und körperlichen Tests verglichen. Dabei zeigte sich, dass manche Gehirne zwar die Alzheimer-typischen Veränderungen aufwiesen, die Schwestern jedoch keine Symptome gezeigt hatten. Gibt es also ein Möglichkeit, die Krankheit bis zu einem gewissen Grad zu kompensieren?

Schlaganfälle als Auslöser?
Die Forscher um David Snowdon diskutieren die Bedeutung von Schlaganfällen als mögliche Auslöser für Alzheimer. Die bisherigen Ergebnisse lassen vermuten, dass leichte Schlaganfälle die Alzheimer-typischen Gewebsveränderungen im Gehirn auslösen könnten. Schlaganfall-freie Gehirne dagegen konnten Veränderungen bis zu einem gewissen Grad kompensieren und hatten offenbar eine abschwächende Wirkung auf die Krankheitssymptome.
Diese vorläufigen Ergebnisse berechtigen zu einigen Hoffnungen, denn zur Verminderung des Schlaganfallrisikos gibt es wirksame Strategien. Zu nennen sind hierbei vor allem die Senkung eines zu hohen Blutdrucks, ausreichend Bewegung und eine Ernährung mit viel Obst und Gemüse und wenig Fett. Rauchen, Alkohol und Übergewicht dagegen erhöhen das Schlaganfallrisiko.

Weitere Risikofaktoren
Bei der Entstehung von Alzheimer scheinen mehrere Faktoren eine Rolle zu spielen. So geht auch aus anderen Studien hervor, dass es einen Zusammenhang zwischen Depression und Alzheimer gibt. Gleichzeitig vermutet David Snowdon, dass die optimistische Lebenseinstellung der Ordensschwestern und ihr Leben in der Gemeinschaft einen Schutz vor Krankheiten wie Alzheimer bietet.
Präventiv wirkt nach neusten Forschungsergebnissen auch eine Ernährung mit ausreichend Vitaminen und Mineralstoffen. Besondere Bedeutung erhält dabei die Folsäure, ein B-Vitamin, das vor allem in Kohl, Spinat, Bohnen, Nüssen, Zitrusfrüchten und Leber vorkommt. Niedrige Folsäurewerte im Blut werden sowohl mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko, als auch mit einer stärkeren Gehirnatrophie (Hirnschrumpfung) in Verbindung gebracht.

Fazit
"Lieber alt und gesund" enthält viel Wissenswertes über die Erforschung der Alzheimerschen Krankheit. Das Buch gewährt zudem interessante Einblicke in die Biografien der Schulschwestern und das Leben im Kloster.
Bei der Interpretation der (vorläufigen) Studienergebnisse muss berücksichtigt werden, dass die Schulschwestern von Notre Dame nicht die Durchschnittsbevölkerung repräsentieren. Die Studie liefert lediglich Anhaltspunkte, um der Entstehung von Alzheimer auf die Spur zu kommen.
Genannt werden mehrere mögliche Risikofaktoren für eine Erkrankung. Das beste "Rezept" gegen Alzheimer scheint demnach ein körperlich und geistig aktives Leben mit einer gesunden Lebensweise (ausgewogene Ernährung, Stressvermeidung, soziale Kontakte) zu sein.

Titel-Nachweis
Snowdon, David: "Lieber alt und gesund. Dem Altern seinen Schrecken nehmen"

Karl Blessing Verlag, 2001
ISBN: 3896671499
Preis: ca. 19 Euro

Links
Die englischsprachige Seite der Universität Kentucky zur "Nun Study":
www.nunstudy.org

Eine Zusammenfassung der Studie in der englischsprachigen Fachzeitschrift "Annals of Internal Medicine" vom September 2003:
www.annals.org/cgi/c ontent/full/139/5_Part_2/450

Informationen zur Schlaganfallprävention:
www.schlaganfall-hilfe.de