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LernCafe 21 vom 15. Dezember 2003: "Europäische Kulturen begegnen sich"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
http://www.lerncafe.de

Das europäische Projekt "Townstories"

(Druckversion)


Jutta Gotthardt
E-Mail: JGotthar@t-online.de

Die Idee
Das Projekt "Townstories" ist ein intereuropäisches Projekt, von und mit Senioren aus vier europäischen Ländern. "Kommunikation" unter Europäern wird hier grundsätzlich zum Thema gemacht. Dass dies auf verschiedene Weise praktiziert werden kann, wird im folgender Beschreibung deutlich.
Es ist eine Flut von Geschichten entstanden . Informative Geschichten, sehr lyrische Texte, ganz persönliche Episoden, Berichte, Selbstdarstellungen, Geschichten von unterschiedlicher Art und Umfang. Um für den Leser einen Durchblick zu schaffen, wurden sie thematisch sortiert. Jeder Internetbenutzer kann sie lesen unter gemeinsamlern.de/townstories und sich selbst ein Bild machen.

Schreiben von Stadtgeschichten
Die Townstories (=Stadtgeschichten) sind eine Möglichkeit, dass sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer kennen lernen, etwas über das Denken, Fühlen und Erleben der anderen erfahren, und ihrer Mentalität näher kommen. Die TeilnehmerInnen sind aufgefordert, mit Hilfe einer selbstgeschriebenen Geschichte, den anderen TeilnehmerInnen ihre Stadt oder einen speziellen Bereich ihrer Stadt vorzustellen, aus ihrer ganz persönlichen Sicht. Es sind fünf Städte aus vier Ländern beteiligt: Berlin, Madrid, Prag, Rom, Ulm, seit Oktober 2003 auch Senioren aus Macomer/ Sardinien. Jede Geschichte soll in drei bis vier Sprachen ( deutsch, italienisch, spanisch, tschechisch) angeboten werden, das ist ein nicht ganz einfaches Unterfangen.

Gruppen und Partner
Über eine projekteigene Homepage praesentieren die TeilnehmerInnen ihre Geschichten im Internet, die für jeden Internet Benutzer frei zugänglich ist.. Paralell dazu treffen sich die Senioren wechselweise in einer ihrer Städte und diskutieren über die Aufgaben, über ihre Länder und über die unterschiedlichen Sichtweisen, die durch die Townstories zutage kommen. Bisher ( zwischen November 2002 und Oktober 2003 )fanden Tagungen in Rom, Madrid, Ulm und Prag statt.
Der Hintergrund der einzelnen Städtegruppen stellte sich als vielfältig heraus. Da gibt es als "Wurzeln"die Volkshochschule, TeilnehmerInnen von Deutschkursen sind dabei, Gruppen die sich mit dem kreativen Schreiben als Thema befassen, Gruppen, die ihren Ursprung an den Universitäten haben. Eine Gruppe hatte sich erst zur Teilnahme am Projekt formiert.

Alternative Stadtführungen
Der jeweilige Gastgeber bei den Partnertreffen bietet Führungen in Stadtteilen, Plätzen, Gebäuden seiner Stadt an. Diese Führungen werden von Gruppenmitgliedern vorbereitet und durchgeführt, die mit diesem Teil der Stadt vertraut sind und persönlich einen Bezug dazu haben. Es ist sozusagen eine Alternative zu klassischen Führungen in fremden Städten, sie praesentieren direkt die Mentalität der Gastgeber und ihrer Stadt. Was während der Partnertreffen nicht besprochen oder diskutiert werden kann wird zwischen den Treffen über das Internet-Forum, das der Homepage angeschlossen ist, nachgeholt . Aber auch alle neuen Beiträge der Partner auf den Webseiten werden hier im Forum besprochen. Über eine Mailingliste können die Senioren und Seniorinnen der vier Länder aktuelle Informationen, Fragen u.a. an alle weitergeben.

Erlebtes und ...
Von Tagung zu Tagung wird deutlicher, dass gerade die Diskusssionen in den Gruppen, das persönliche Gespräch, die Praesentationen der Städte-Gruppen und das gesellige Zusammensein dazu beitragen, das Bild der sehr verschiedenen Menschen, ihrer Lebensweisen und ihrer Kultur zu vertiefen und zu erweitern. Auch die alternativen Stadtführungen helfen beim Kennenlernen der jeweiligen Stadt und ihrer BewohnerInnen . Z.B. lernten die Gäste einen Stadtteil in Rom kennen, der in den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden ist. Mehrere Tausend Menschen wurden, wegen des Baus einer Autobahn, in neuerrichtete Häuser umgesiedelt.

..Erfahrenes in Rom
Äusserlich akzeptabel, waren die Behausungen innen nur mit dem Nötigsten ausgestattet (z.B. keine Bäder ect.) Viele der Umsiedler wehrten sich damalsgegen diese Zwangsumsiedlung, sie mussten ihre Heimat verlassen, aber letztlich waren sie machtlos. Einige der damaligen Bewohner bzw.deren Kinder brachten uns diesen Stadtkomplex (für 50 000 E) näher . So bekamen wir einen Einblick in die Auseinandersetzung der Bürger von damals mit der Stadtpolitik. Nebenbei erfuhren wir, dass sich unter unseren Füssen ein rieseiges Areal von Katakomben befindet, von denen nur etwa 2% zu besichtigen und für die Öffentlichkeit zugänglich sind.

Schreiben
Über die Stadtgeschichten gab es bemerkenswerte Debatten. Die Vorstellungen von richtigen persönlich gestalteten Stories waren unterschiedlich. Auch das "kreative Schreiben" kam ins Spiel und es fing ein fröhliches Bewerten und Beurteilen der Texte an, obwohl ein grosser Teil der TeilnehmerInnen diesen Begriff im Projekt zum erstenmal gehört hatte. Doch nachdem mancher seinen Standpunkt geäussert hatte, war klar, dass auch die Auseinandersetzung zum Thema Kommunikation gehört . Friede, Freude, Eierkuchen, das wollte niemand wirklich. So gestaltete sich der Austausch vielfältig und sehr lebendig.
Bei den abendlichen Zusammenkünften gab es Entspannung, Lebensfreude pur. Die Energie der Musik und viele persönliche Gespräche haben auch zur Nachhaltigkeit der Treffen beigetragen.

Sprachliche Verständigung
Projektsprachen sind deutsch und italienisch, aber die anderen Sprachen werden bei den verschiedenen Veranstaltungen berücksichtigt. Die unterschiedlichen Sprachen sind ein zeitaufwendiger Faktor beim Verständlichmachen der Texte und Gruppengespräche.
Obwohl bei diesem Projekt erfreulich viele "DolmetscherInnen" , ehrenamtlich, aus den Reihen der TeilnehmerInnen und KoordinatorInnen (in deutsch, italienisch, spanisch und tschechisch) zur Verfügung stehen, muss vor allem in den Diskussionen die dafür notwendige Zeit einkalkuliert werden. Für die Übersetzung der Geschichten wird ein Zweier= oder Dreier-Tandemsystem angestrebt, damit irgendwann jeder Teilnehmer, jede Teilnehmerin alle Geschichten in seiner Sprache lesen kann. Das wird zu weiterer Verständigung beitragen.

PC und Internet
Da es bei einem intereuropäischen Projekt dieser Art und Grössenordnung heute unerlässlich ist, die schnellen Medien für die Verständigung zu nutzen, war die Einbeziehung des Internets von der Projektleitung erwünscht. Die grössere Zahl der TeilnehmerInnen besassen am Anfang keine Kenntnisse und Erfahrung im Umgang mit dem Computer. Bei jeder Tagung gibt es eine Programm-Sequenz, die Computer-Grundkenntnisse vermittelt oder auffrischt. Es ist erstaunlich, welche Entwicklung hier stattgefunden hat, sodass Mailingliste sowie Forum nun von vielen genutzt werden können.

Gedanken zum Projekt
Wenn dieses Kommunikationsprojekt für eine Möglichkeit des Kulturaustausches in Europa steht, so sind wir auf dem Weg, nicht nur andere Länder und ihre Menschen besser kennen zu lernen, sondern auch ihrem Denken und Fühlen, ihren Herangehensweisen an Aktionen ein Stück näher zu kommen. Abgesehen vom Gruppengeschehen sind natürlich persönliche Kontakte entstanden, Bekanntschaften, die über das Tagungsmass hinausgehen und die Freude und Mut machen.
Kultur ist ein vielfältiger und schillernder Begriff . In einem teils leidenschaftlichen, teils herantastenden Prozess ist vielen Teilnehmern und Teilnehmerinnen klar geworden, dass Toleranz und Achtung des Anderssein wesentliche Faktoren sind beim Umgang mit der Mentalität der Menschen anderer Völker.
Die TeilnehmerInnen erwarten mit Spannung und anhaltender Neugier das nächste Treffen in Macomer und dann die letzte Phase des Projektes.

Links
www.gemeinsamlernen.de/townstories