AusdruckenLernCafe 23 vom 15. Februar 2004: "An der schönen blauen Donau. Die Welt der Flüsse."
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
http://www.lerncafe.deLebendiger Rhein - Fluss der tausend Inseln
(Druckversion)
Klaus Markgraf-Maué
E-Mail: Klaus.Markgraf@NABU-Naturschutzstation.de
Susanne Klostermann
E-Mail: Susanne.Klostermann@NABU-Naturschutzstation.de
Neue Wege
Am Rhein beschreitet der Naturschutzbund Deutschland (NABU) mit dem Projekt "Lebendiger Rhein - Fluss der tausend Inseln" neue Wege. Anhand beispielhafter Maßnahmen soll zur Revitalisierung begradigter Flussabschnitte beigetragen werden. Gleichzeitig muss die Funktion des Rheins als Bundeswasserstrasse gesichert werden.
Drei NABU-Fachinstitute an Ober-, Mittel- und Niederrhein sind unter Leitung der Naturschutzstation in Kranenburg damit befasst, Maßnahmen für konkrete Uferabschnitte zwischen Iffezheim und Emmerich zu erarbeiten und deren Umsetzung zu initiieren. Als unabhängiger Verband kann der NABU über Zuständigkeitsgrenzen hinweg agieren. Dabei werden die Akteure an einen Tisch gebracht, um neue zielführende Kooperationen zu erproben.
Der Rhein
Der Rhein ist als wichtige Transportachse für die Industrie die meistbefahrene Binnenwasserstraße Europas. An seinen Ufern reihen sich zahlreiche große Ballungsräume und Industrieschwerpunkte aneinander.
Zugleich ist der Strom eine herausragende Lebensader für Tiere und Pflanzen zwischen Alpen und Nordsee, Erholungsraum für viele Millionen Anwohner und eine bedeutende kulturelle Bezugs- und Identifikationsgröße. Die akuten Vergiftungsphasen des letzten Jahrhunderts sind weitgehend überstanden. Doch der rigorose Ausbau zur Wasserstraße hat den Rhein seiner Vielfältigkeit beraubt und viel von seiner Lebendigkeit und Faszination genommen.
Schifffahrtstrasse
Die deutsch-niederländische Grenze passieren auf dem Rhein jährlich bis zu 140 Mio. Tonnen Güter - umgelegt auf die Straße, wäre das alle zehn Sekunden ein 40-Tonner-LKW.
Auf dem Weg zur Schifffahrtsstrasse hat der Rhein tiefgreifende Veränderungen erfahren. Der Ausbau zwang den alten dynamischen Strom mit seinen wandernden Flussschlingen, Kiesbänken und ausgedehnten Altwassersystemen in feste, technische Regelmaße mit definierter Breite und Tiefe. Steinpackungen am Ufer, Leitwerke und Sohlpanzerungen sind Mittel, um den von Natur aus in ständiger dynamischer Wandlung befindlichen Flusslauf auf der festgelegten Trasse zu halten. Hoch- und Oberrhein verloren durch Staustufen stellenweise den Fließgewässercharakter.
Ökologischer Zustand
Der begrenzende Faktor ist heute für viele Organismen im Rhein nicht mehr die in den achtziger Jahren noch katastrophale Wasserqualität. Für die Ökologie des Flusses bedeutet der radikale Ausbau zur Schifffahrtsstrasse aber vor allem eine weitgehende Nivellierung der vielfältigen Strukturen des Lebensraums Strom und Aue.
Damit rückt ein lange wenig beachteter Aspekt in den Mittelpunkt der Bemühungen des Naturschutzes: Die Verbauung des Flusses, Abtrennung von Altarmen und der natürlichen Aue vom Strom sowie der Verlust der Durchlässigkeit für wandernde Fische infolge des Staustufenbaus erweisen sich heute als entscheidender Engpass auf dem Weg zu einem lebendigen Fluss. Am Rhein fehlt aktuell mehr Raum für naturnahe Flussbett- und Uferstrukturen von denen vielfältige Flusslebensgemeinschaften profitieren.
Modellprojekte
Neun beispielhafte Maßnahmen entlang des Rheins zwischen Iffezheim und den Niederlanden sollen in den nächsten vier Jahren umgesetzt werden. Schwerpunkt dieser Maßnahmen ist der Rückbau vorhandener Uferbefestigungen mit dem Ziel, wieder naturnahe Ufer- und Biotopstrukturen zu etablieren.
Sieben weitere Maßnahmen mit höherem Planungs- und Genehmigungsaufwand sollen soweit vorbereitet werden, dass sie direkt im Anschluss verwirklicht werden können. Schwerpunkte dieser Projekte sind u. a. Wiederherstellen von vielfach verloren gegangenen Strukturen wie dynamische Kiesinseln und geschützte Flachwasserzonen, durchflossene Nebenrinnen aber auch ökologische Optimierung von Flussbauelementen.
Unter dem Pflaster...
...liegt der Strand, unter diesem Motto startete der NABU am 24.10.2003 feierlich das Projekt "Lebendiger Rhein - Fluss der tausend Inseln" am Rheinstrand von Duisburg-Rheinhausen. Etwa sechzig Teilnehmer aus Fachwelt, Politik und Medien konnten miterleben, wie hier die Bagger des Wasser- und Schiffahrtsamtes Duisburg-Rhein der Steinpackung zu Leibe rückten. Dort kann der Rhein bald auf 1,5 Kilometern Länge die Gestaltung des Ufers wieder selber übernehmen.
Den NABU freut dabei besonders, dass gerade in dem Ballungsraum Düsseldorf-Duisburg, wo die Rheinufer zu einem sehr hohen Anteil verbaut sind, die ersten ökologischen Verbesserungen erfolgen. Unbefestigte, flache Kiesufer mit natürlicher Dynamik sind die Kinderstube von Barbe und anderen Rheinfischen, aber auch seltenen Vogelarten wie Flussregenpfeifer und Flussuferläufer.
Auf zum Strand
Sand unter den Füßen, Muscheln am Strand und Baden im Rhein: die verbesserte Wasserqualität lässt dies wieder zu. Doch statt flacher Strände treffen Erholungssuchende meist auf verbaute Ufer - unattraktiv für Mensch und Natur.
Nirgends sonst in Europa wohnen und leben so viele Menschen an und mit dem Strom wie am Rhein. Nirgends sonst können so viele Menschen von neuer Flussnatur und Vielfalt profitieren. Durch die Renaturierung bisher verbauter Ufer lassen sich neben neuem Lebensraum für Flussbewohner auch wertvolle Erholungsmöglichkeiten am Rhein zurückgewinnen, lässt sich urwüchsige Flussnatur vor den Toren der Städte erleben.
Politischer Rückenwind
Am Rhein haben die Umweltminister der Rhein-Anliegerstaaten kürzlich wichtige politische Weichen gestellt. Mit dem "Rheinprogramm 2020" haben sie sich für die nächsten 20 Jahre weitgehende Verbesserungen des Ökosystems Rhein und der Struktur des Flusses auf die Fahnen geschrieben. Nachdruck erhalten die Ziele durch die Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie.
Mit den Zielen "Erhöhung der Strukturvielfalt im Uferbereich" und "Entwicklung naturnäherer Flussbettstrukturen am Rhein" liegen neuartige Herausforderungen an. Diese bedürfen neuer Methoden im Wasserbau aber auch der Integration der Naturschutzbelange.
Impulse
Die vom NABU initiierten Maßnahmen am Rhein sollen als modellhafte Lösungen Impulse für die weitere Umsetzung des Rheinprogramms 2020 durch die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) und ihre Mitgliedsstaaten liefern. Daher kommt dem Aufbereiten und Verfügbarmachen der Ergebnisse für Politik und Verwaltung große Bedeutung zu.
Ein fachlich begleitender Projektbeirat, bestehend aus Vertretern der Bundesministerien für Verkehr und für Umwelt und den zugeordneten Fachämtern und -anstalten sowie der Bundeswasserstraßen-Verwaltung ermöglicht eine direkte Rückkopplung in die Verwaltung. Die Ergebnisse aus den Modellvorhaben fließen auf diese Weise direkt in die IKSR zurück und leisten somit einen wichtigen Beitrag zum Rheinprogramm 2020.
Projektpartner
Die besondere Beanspruchung des Rheins durch den Menschen, die geballte Siedlungs- und Industriedichte am Rhein und seine herausragende Verkehrsfunktion sind begrenzende Faktoren für Revitalisierungsvorhaben. Gleichzeitig sieht der NABU darin ein besonderes Potenzial für neue Wege und Allianzen. Flussnatur als Kontrastprogramm in den Städtelandschaften kann einen hohen Aufmerksamkeits- und Werbewert für alle beteiligten Akteure entwickeln. Städte und Kommunen, die sich unter anderem über ihren Bezug zum Rhein definieren, sind daher ebenso potenzielle Projektpartner wie Gewerbe und Industrie.
Links
Zur Webseite der NABU-Naturschutzstation in Kranenburg:
www.nabu-naturschutzstation.de
Ab März 2004 auch: www.lebendiger-rhein.de