AusdruckenLernCafe 23 vom 15. Februar 2004: "An der schönen blauen Donau. Die Welt der Flüsse."
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
http://www.lerncafe.deDie Elbe: Politik und Wasser
Landschaft, Wetter und Flüsse kennen keine Grenzen
(Druckversion)
Jaroslav Šonka
E-Mail: js@eaue.de
Flüsse und Grenzen
Die Erweiterung der EU macht heute mehr Schlagzeilen mit der Abgrenzung der Staaten, denn mit ihrer Zusammenarbeit. Es geht freie Bewegung der Arbeitskräfte, um Subventionen für die Kandidatenländer, Streit über die Außenpolitik. "Nationale Interessen" zitiert man, als würden sie grundsätzlich den Interessen Anderer widersprechen. Manchmal stellt sich jedoch die Zusammenarbeit zwangsweise ein. Z. B. Flüsse halten sich selten an nationale Grenzen, das Wetter mit seinen Regengebieten ebenso wenig. Die Naturgewalt ist eben eine höhere Instanz. Nach dem Elbhochwasser 2002 ist klar geworden, wie wichtig für richtiges und schnelles Handeln die Koordinierung zwischen den einzelnen Bundes- und Nachbarändernist. Die Erfahrungen von der Donau und vom Rhein werden nun weiter getragen - durch die Erweiterung der Europäischen Union gelten nun auch einheitliche Regeln für die Flusseinzugsgebiete der Elbe und Oder.
Flusspflege?
Die Aufgaben der Wasserwirtschaft haben sich in den letzten Jahrzehnten sehr verändert. Wo früher viel mehr gebaut und die Landschaft verändert wurde (durch Flussbegradigungen, -vertiefungen), versucht man heute wieder mehr zurück zur Natur zu kommen. Deshalb ist die Wasserwirtschaft einer intensiven Auseinandersetzung mit der Landwirtschaft und mit der Schifffahrt ausgesetzt. Es ist bekannt, dass die Flutwelle in einem regulierten Flussbett schneller und höher schwappt, als dort, wo ihr Raum zur Ausbreitung gegeben wurde. Die betroffenen Bundesländer haben nach der Elbeflut des Jahres 2002 bestimmte Baumaßnahmen zurückgestellt, die ursprünglich zur Vertiefung und Verstetigung der Wasserstände führen sollten. Die Schiffswirtschaft klagt nun darüber, dass sie nicht das ganze Jahr die Fahrtrinne mit vollem Tiefgang nutzen kann. Die Ladung muss verringert werden, was die Einnahmen der Schiffsbetreiber einschränkt.
Naturnaher Fluss?
Ein Fluss entspringt in den Bergen aus Wasservorräten, die entweder gefroren, oder im Erdreich, Torf usw. aufgesammelt sind. Das Wasser der Elbe kommt aus den Naturschutzgebieten der Böhmischen Berge. Der Fluss führt auch Regenwasser aus der Kulturlandschaft ab, wo die Speicherfähigkeit des Bodens eingeschränkt ist und die Niederschläge schnell am Wasserstand zu sehen sind. Das Flusswasser transportiert auch gelöste und schwebende anorganische und organische Stoffe und ernährt so im Meer Algen, das Futter der Heringe. Heute sedimentieren diese Teilchen jedoch oft an den Wehren regulierter Flüsse. Der naturnahe Fluss bewegt auch das Niveau des Wassers auf und ab und bedingt so die Existenz von artenreichen Auen, in denen die Lebewesen dieses Auf und Ab regelrecht brauchen. Und schließlich ändert ein naturnaher Fluss seinen Verlauf durch Aufschwemmungen und Abtragungen des bewegten Materials.
Menschliche Nutzung
Seit 250 Jahren werden jedoch wegen der Schifffahrt europäische Flüsse reguliert, Ihr Lauf verkürzt, die Tiefe des Wassers erhöht und die Überschwemmungsgebiete verringert.
Flüsse sind relativ umweltfreundliche Wasserwege. Sie dienen zudem als Bewässerungsquelle der Landwirtschaft. Die Flussauen stellten auch einen zusätzlichen landwirtschaftlichen Boden zur Verfügung. Doch Flüsse sind in die Umwelt eingebunden. Veränderungen eines Aspekts erzeugen oft ungeahnte Effekte anderswo. Die Verkürzung der Flussläufe beschleunigt und verstärkt die Flutwelle. Wie sieht die Gesamtbilanz der Erhaltung oder der Regulierung eines Flusses aus? Im früher von der Wirtschaft gefeierten Rhein-Main-Donau-Kanal liegen Milliarden begraben, deren Refinanzierung durch den Betrieb unmöglich ist.
Flussausbau
Die vernichteten Biotope an der Altmühl sind kaum bezifferbar. Auch an der Elbe ist es schwierig auszurechnen, wie viel von den Flutfolgekosten die vorherigen Veränderungen verursachten. In der Tschechischen Republik gibt es Stimmen für eine verstärkte Regulierung der Elbe durch Staustufen. Es wird auch von Deutschland verlangt. Die oft geforderte Anpassung der Schiffe an den Fluss statt die bisher übliche Anpassung des Flusses an die Schiffe, gerät mit dem sich vergrößernden Abstand von der Flut in Vergessenheit.
Kommissionen ... zum Schutz der Flüsse
Um die Bewirtschaftung und Erhaltung länderüberschreitender Flüsse zu koordinieren, wurden internationale Kommissionen ins Leben gerufen. Für folgende Gewässer ist Deutschland mit seinen jeweiligen Nachbarn in solchen Kommissionen vertreten: Rhein, Donau, Elbe, Mosel/Saar, Oder, Bodensee. Die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe hat ihren Sitz in Magdeburg. Eines ihrer Hauptaugenmerke gilt der Bemühung, mit den "vorhandenen und geplanten Schutzgebieten einen ökologischen Verbund bedeutsamer Bereiche zur langfristigen Sicherung und Vernetzung vielfältiger Lebensräume (Biotope) zu schaffen." Die Kommissionen sehen auch im Bereich des Hochwasserschutzes eine gemeinsame Strategie vor.
Elbhochwasser
Immer öfter sorgt in Mitteleuropa die sog. 5b-Wetterlage für starke Regenfälle. Die globale Erwärmung ist verantwortlich für höhere Wassersättigung der Luft, die vom Atlantik kommt. Über dem westlichen Mittelmeer wird die Luft noch feuchter und an den mitteleuropäischen Gebirgen regnet diese Last ab, es gibt Hochwasser. In den Quellgebieten (abgebaute Hochmoore) zeigt sich der Mangel an Aufnahmekapazität des Wassers - die Flutgefahr wird höher. Beschleunigter Wasserabfluss entsteht durch Waldbau, Waldsterben, Monokulturen und Freizeit. Die Begradigung der Wasserläufe und landwirtschaftliche Nutzung lassen Bachauen verschwinden. Im Jahr 2002 fielen im Bereich der Elbe zusammen ungefähr 8 Milliarden m3 Wasser. Die ersten Schäden entstanden an verbauten kleinen Nebenflüssen. Der Zufluss aus ihnen war diesmal extrem. Viele Deiche an den größeren Wasserläufen wurden durch das Sickerwasser beschädigt, manche durchbrochen und dann weggespült worden.
Katastrophenmanagement und Partnerschaft
Als direkte Maßnahme zur Bekämpfung des Hochwassers im unteren Lauf der Elbe wurde 2002 die Freigabe der Havelpolder (abflusslose Senken, die man überschwemmen kann) eingesetzt. Die Havel war von den extremen Niederschlägen nicht betroffen. Das Bundesland Brandenburg hat in Abstimmung mit Sachsen-Anhalt die Havel zum Rückfluss des Elbwassers freigegeben. Das hat zu einer deutlichen Senkung der Flutwelle im Bereich Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg geführt.
Das Wasser blieb jedoch auf den Havelpoldern über intensiv landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen eine längere Zeit stehen. Massives Fischsterben bei hohen Temperaturen war die Folge. Der Sauerstoffgehalt des Wassers nahm durch starke Eutrophierung ab. Die Mikroorganismen haben den Sauerstoff intensiv veratmet. Da Viehweiden an diesem Prozess beteiligt sind, müssen solche Flächen künftig mit anderer Nutzung verbunden werden.
Vorsorge
Einer der wichtigsten Aspekte in der Bekämpfung von derartigem Hochwasser ist die Prävention. Die Rettungsdienste müssen in den Ruhezeiten für die Instandhaltung und Erneuerung ihres Gerätes, die Steigerung der Mobilität, die Verbesserung internationaler Kommunikation sorgen. Nach dem Hochwasser müssen die Standards für die Deiche optimiert und rückverlegt werden, so dass sie in Zukunft größeren Wassermengen standhalten können. Schließlich werden Arbeiten an der Retentionsfähigkeit der Landschaft angeregt, was politisch ein schwerer Schritt ist. Die Nutzung der trockengelegten Flächen und der Einsatz von Deichen und anderen Regulierungselementen für die Schifffahrt sind nämlich stark mit vordergründigen ökonomischen Interessen verknüpft.
Europäische Dimension
Die Richtlinie 2000/60/EG vom 23. Oktober 2000, kurz EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) , soll alle in Europa vorhandenen gesetzlichen Regelungen zu Wasser und Gewässern zu bündeln. Ziel bis 2015 ist ein guter chemischer und ökologischer Zustand der europäischen Gewässer. Als optimal wird ein Wasserzustand bezeichnet, der ohne den Menschen anzunehmen ist. Um dieses Umweltziel zu erreichen schreibt die WRRL in einen strengen Zeitplan vor:
Verantwortung
Für administrativen Aufgaben sind 3 Jahre vorgesehen sind. Es folgt die wissenschaftliche Beschreibung von Flüssen, Grundwasser, sowie die Planung von Verbesserungsmaßnahmen des jetzigen Zustandes - in bis zu 8 Jahren. Alle Ziele werden nach der Perspektive der WRRL nach ca. 15 Jahren erreicht. Ähnliches gilt für Planung und Realisierung von Deichen und Staustufen. Eine einmal getroffene Entscheidung hat also Konsequenzen, die weit über der Länge einer Legislaturperiode der Parlamente liegt. Man sieht, welche Verantwortung jene zu tragen haben, die einmal Entscheidungen auf diesem Gebiet getroffen haben.
Schlussfolgerungen
Die Hochwasserkatastrophen der letzten Zeit sind allem Anschein nach Ereignisse, die sich in immer kürzeren Zeiträumen wiederholen. Die Vorbeugung muss aus nachhaltiger Nutzung und Entwicklung der Flussläufe und ihrer Einzugsgebiete bestehen, wobei auch prinzipielle Verhaltensänderungen erforderlich sind. Die Anwendung der Wasserrahmenrichtlinie der EU und die Erweiterung der Europäischen Union werden zusehends die negativen Einflüsse der Verwaltungsgrenzen beseitigen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und eine gemeinsame Konzeption der regionalen Planungsprozesse sind erforderlich.
Weiterführende Links
www.wasserblick.net
www.arge-elbe.de
www.mlur.brandenburg.de/w/wrrl.htm
www.rettet-die-elbe.de
www.bmu.de/de/800/js/sachthemen/gewaesser/gewaesserstadt/fluss_see/fachinfo/international_ikse
www.bmu.de/de/1024/nj/sachthemen/gewaesser/wasserrichtlinie