AusdruckenLernCafe 23 vom 15. Februar 2004: "An der schönen blauen Donau. Die Welt der Flüsse."
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http://www.lerncafe.deLimnologie
Flüsse naturwissenschaftlich betrachtet
(Druckversion)
Erwin Hutterer
E-Mail: erwin.hutterer@zawiw.uni-ulm.de
Limnologie
Limnologie ist die Wissenschaft von den Binnengewässern als Ökosystem - in Abgrenzung zur Ozeanologie, der Meereskunde. Zum Bereich der Limnologie gehören demnach stehende Gewässer und Fließgewässer, Teilbereiche sind aber auch das Grundwasser und die Gletscher.
Aufgabe der Limnologie ist es, die Systemeigenschaften der Gewässer zu erforschen und darzustellen. Ging es zu Beginn der limnologischen Forschung hauptsächlich um die Frage, ob - und wenn ja, welche - Kleinlebewesen es in Seen gibt (angelehnt an die Entdeckung des Meeresplanktons 1845), so sind die heutigen Aufgaben der Limnologie weitaus komplexer: In allen Gewässern sind eine Fülle von physikalischen, chemischen, biologischen und klimatischen Faktoren wirksam, deren Zusammenhänge und Auswirkungen die Limnologie verstehen helfen will.
Geschichtliche Entwicklung
Die Limnologie als definierte Wissenschaft entwickelte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Lausanne, als F. A. Forel (1841 - 1912) den Genfer See nicht nur in bezug auf Lebewesen erforschte, sondern auch chemisch und physiksalisch untersuchte. Er nannte sein Arbeitsgebiet Limnologie und brachte 1901 sein "Handbuch der Seenkunde. Allgemeine Limnologie" heraus.
Parallel zu den Arbeiten an stehenden Gewässern entwickelte sich um diese Zeit herum auch eine Fließgewässerforschung. Diese wurde aber erst 1922 auf der Gründungsversammlung der "Internationalen Vereinigung für theoretische und angewandte Limnologie" (SIL) in Kiel der Limnologie zugeordnet. Seither umfasst diese alle Binnengewässer.
Heute ist die SIL eine renommierte Institution mit Mitgliedern und Aufgabenfeldern rund um den Globus.
Angewandte Limnologie
Im Prinzip lässt sich die Unterscheidung zwischen Grundlagenforschung und Methoden der Anwendung in nahezu allen Wissenschaftsbereichen treffen. In den Bereich der Angewandten Limnologie fallen insbesondere Forschungen zur Erschließung und Nutzbarmachung von Wasservorräten für zivilisatorische Zwecke (Trinkwasser, landwirtschaftliche Bewässerung), zur sachgemäßen Reinigung und Entsorgung von Abwässern, den Schutz von Gewässern vor schädigenden Umwelteinflüssen und die Binnenfischerei.
Dabei geraten sich Limnologen und Wasserbauingenieure mit ihren jeweils unterschiedlichen Ansätzen bei brisanten Themen schon hin und wieder in die Wolle, man denke nur an den Hochwasserschutz. Dazu später noch mehr...
Was ist ein Fluss
Als Fließgewässer werden solche Gewässer bezeichnet, die in einem Bett dem morphogeologischen Gefälle folgend abfliessen. Hauptmerkmal eines Fließgewässers ist also das Fließen (sic!) des Wassers, also die Strömung. Als Fluss bezeichnet man ein Fließgewässer lt. Wahrig dann, wenn es sich um einen größeren Wasserlauf handelt. Wenn man im Alltagssprachgebrauch vom Rhein, der Donau oder irgendeinem anderen Fluss redet, meint man damit in der Regel das ganze Fließgewässer. Versucht man ein solches Gewässer limnologisch zu beschreiben, kann es hilfreich sein, klare Unterscheidungsmerkmale in seinem Verlauf von der Quelle bis zur Mündung herauszuarbeiten. Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale innerhalb dieser Längszonierung von Fließgewässern wird in den nächsten Abschnitten vorgestellt.
Quellen
Beginnen wir bei den Quellen. Jeder Fluss hat mal klein angefangen, am Anfang der Genese steht zumeist eine Quelle. Aber es gibt eine ganze Reihe von Quellvariationen. Und es liegt auf der Hand, dass ein Bächlein, das in einem Wald zwischen Steinen hervorsprudelt, andere Eigenschaften aufweist als z.B. ein Gletscherbach. Einen sehr guten Überblick über die Quellvariationen mit sehr anschaulichen Beschreibungen und vielen farbigen Fotos gibt es auf der Seite von wasser-macht-schule.de.
Neben Quellen gibt es noch andere Möglichkeiten der Genese von Fließgewässern, z.B. der Auslauf eines Sees. Aus diesem Grund weist der Oberrhein (so heißt der Rhein nach dem Ausfluss aus dem Bodensee bis nach Basel) völlig andere Charakteristika auf als vor seiner Einmündung in den Bodensee als Alpenrhein.
Längszonierung
Nun versuchen wir ein Fließgewässern in seinem Verlauf zu kategorisieren. Die Quellregion, wissenschaftlich als Krenal bezeichnet, hat über alle Jahreszeiten hinweg etwa die Temperatur des Grundwassers, in der Regel unter 15 °C. Der Sauerstoffgehalt ist gering, Calcium und Eisengehalte sind recht hoch, die Strömungsgeschwindigkeit gering. Eine Sonderstellung nimmt die Gletscherquelle" (Kryal) ein. Hier beträgt die Temperatur weniger als 5 °C und das Wasser ist stark getrübt, daher die Bezeichnung "Gletschermilch".
Der Bergbach (Rhitral) zeichnet sich durch Temperaturen unter 20 °C, hohe Strömungsgeschwindigkeit, starke Turbulenzen und hohen Sauserstoffgehalt aus. Kennzeichnend sind auch große Korngrößen im Bett, d.h. eher große Steine als Sand.
Das Fließgewässer wird limnologisch betrachtet zum Fluss (Potamal), wenn das Bett so viel Wasser enthält, dass die Strömung laminar verläuft und die Turbulenz keine Rolle mehr spielt. In der Regel gehen diese Merkmale einher mit vielen Trübstoffen, geringer Sichttiefe und geringer Korngröße. Die Temperatur kann auch mal über 20 °C drüber gehen.
Lebewesen
Lebewesen müssen an ihre Umwelt angepasst sein. Daraus ergibt sich, dass die von der Quelle bis zur Mündung "fliessend" sich verändernden Parameter auch ein sich ständig veränderndes Artengefüge bei den Lebewesen mit sich bringt. In Quellregionen finden sich hauptsächlich einige Wasserpflanzen, die Fauna ist mit nur wenigen Arten und auch zahlenmäßig weit weniger als in den folgenden Bachabschnitten vertreten, dazu fehlt dem jungen Gewässer einfach noch die Nahrungsgrundlage, wie sie in Seen etwa durch das Plankton gegeben ist.
Noch artenärmer sind Gletscherbäche wegen ihrer durch die Erosionsarbeit bedingten Trübheit. So kann kein Licht ins Wasser eindringen, um Pflanzen genügend Energie bereit zu stellen.
Flüsse haben in der Regel keine eigenständige Planktonentwicklung, können aber z.B. hinter Seeausflüssen große Mengen davon transportieren, und damit auch vielen höheren Tieren, wie Fischen, Nahrung geben.
Strömung ... und Stoffhaushalt
Die Turbulenz der Strömung sorgt in Fliessgewässern dafür, dass die vorhandenen und eingebrachten Substanzen gleichmäßig durchmischt werden, insbesondere lösliche Substanzen.
In Bezug auf Schadstoffe hat das den Vorteil, dass durch die rasche Durchmischung relativ schnell eine Verdünnung hergestellt wird. Reicht der Verdünnungsfaktor nicht aus, um Schäden zu vermeiden (z.B. bei Substanzen mit starker Giftwirkung), so können durch den Weitertransport dieser Substanzen binnen kurzer Zeit sehr viele Lebewesen über eine lange Fließstrecke hinweg zu Schaden kommen. Man denke an die Fischsterben im Rhein nach Chemieunfällen.
In einem intakten Fließgewässer schafft die Zufuhr von frischem, sauberen Wasser aus Bereichen oberhalb der Einleitungsstelle allerdings relativ schnell wieder Lebensbedingungen, die eine Neubesiedlung ermöglichen. Der stetig vorhanden Zufuhr frischen Wassers ist ein Grund dafür, dass der Abfluss von Kläranlagen in der Regel in Flüsse geleitet wird und nicht in Seen.
Strömung ... und Organismen
Wie bereits erwähnt, müssen sich Lebewesen an ihre Umgebung anpassen. Für Bewohner von Fliessgewässern heißt das, sie müssen Anpassungsmechanismen an die Strömung besitzen. Sind diese nicht ausreichend vorhanden, verlieren sie die Kontrolle und driften ab.
Man unterscheidet hierbei zwischen morphologischen Anpassungen (flache Körper, die Ausbildung von Saugnäpfen, Haken und Borsten oder die Schaffung von Ballast aus schweren Materialien, wie bei Köcherfliegen, Muscheln und Schnecken) und Verhaltensanpassungen. Schlechte Schwimmer suchen strömungsarme Bereiche auf, gute Schwimmer, wie Forellen, suchen starke Strömungsbereiche auf, weil sie von der Drift leben.
Eine besondere Form der Verhaltensanpassung ist die Kompensation. Viele Wasserbewohner wandern immer wieder flussaufwärts, um kurze Driftstecken auszugleichen. Manche flugfähigen Insekten unternehmen Kompensationsflüge, indem sie zur Eiablage Richtung Quelle fliegen.
Strömung ... und Geomorphologie
Die Beschaffenheit eines Bach- oder Flussbetts prägt das Erscheinungsbild des darin verlaufenden Gewässers. Gleichzeitig ist es aber auch ständig der Energie der Strömung ausgesetzt, wird durch diese geformt und verändert. Die enorme Kraft und die Dynamik dieser Wechselwirkung zeigt sich an der Existenz so eindrucksvoller Schluchten wie der Gorges du Verdon in Frankreich oder des Grand Canyon in den USA.
Bedrohung und Gefahr für den Menschen und seine Siedlungen gehen insbesondere von den Fliessgewässern aus, die am brutalsten in ein unnatürliches Bett gezwängt, die kanalisiert und "gezähmt" wurden. Es gibt gerade in jüngerer Vergangenheit eine Vielzahl von Beispielen, was passiert, wenn diese Flüsse "ausbrechen".
Der einzige Fluss in Mitteleuropa, der auf der gesamten Länge seines Verlaufs nicht wesentlich kanalisiert wurde, ist die Loire. Sie wird als der letzte Wildfluss Europas bezeichnet und wird es hoffentlich noch lange sein.
Renaturierung
Wie bereits oben ausgeführt, kann sich ein Fluss von den Schäden einer Schadstoffeinleitung relativ leicht erholen. Ist dagegen das Flussbett kanalisiert, eine Einöde für Lebewesen geworden, dann ist es sehr schwer, ich würde sogar behauten, unmöglich, ihn wieder in einen natürlichen Zustand zurück zu versetzen.
Es gibt zwar mittlerweile ein Umdenken - offenbar ausgelöst durch die gehäuften Hochwässer der letzten Jahrzehnte und das gewachsene Wissen um die Ursachen: Die Flüsse sollen nun "naturnah" gestaltet werden. Das bedeutet in erster Linie, sie brauchen mehr Raum, um sich bei Hochwasser ausdehnen zu können. Das bedeutet aber auch, es muss viel Geld eingesetzt werden, um die Landbesitzer (Landwirte, Kommunen) entlang der Flüsse zu entschädigen und das geht auch nur dort, wo noch nichts bebaut ist.
Was bleibt
Deswegen wird es m.E. Stückwerk bleiben, auch wenn z.B. die Landesregierung Baden-Württemberg die kleinen Eingriffe entlang der Donau als Erfolge verkauft
Auch in der Schweiz gibt es zahlreiche "Revitalisierungsprogramme", die auch dort funktionieren können, wo der Mensch noch nicht "Besitz ergriffen hat". In jedem Fall gibt es eine sehr schön bebilderte Seite, auf der die Projekte zusammengestellt sind unter dem bezeichnenden Namen "befreitewasser.ch".
Links und Informationen
Limnologie:
www.limnology.org Ist die internationale und daher englischsprachige Homepage für die Limnologie
Quellen:
www.wasser-macht-schule.de/pub/f01-quellen/information/information.htm
Überhaupt ist die Seite www.wasser-macht-schule eine sehr gute Informationsquelle für interessierte Laien. Nehmen Sie sich ruhig die Zeit, das nachzuprüfen.
Längszonierung:
www.giub.uni-bonn.de/seminare/wasser/Hausarbeiten/ws98.99/Jochemich.html
Renaturierung:
www.gwd.baden-wuerttemberg.de/riedlingen/projekte/idp.htm
www.befreitewasser.ch
Eine Seite zur Gewässeruntersuchung, auch mariner Gewässer:
www.marilim.de/limnologie
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