Ausdrucken

LernCafe 25 vom 15. Juni 2004: "Der ältere Mensch als wirtschaftlicher und politischer Machtfaktor"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
http://www.lerncafe.de

Der ältere Mensch als Verbraucher

(Druckversion)


Hildegard Neufeld
E-Mail: HNeu61348@aol.com

Potenziale
Aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung sowie einem frühzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben hat sich für viele ältere Menschen heute eine neue Lebenssituation herausgebildet. Sie ist charakterisiert dadurch, dass sie weitgehend von Verpflichtungen in Beruf und Familie frei sind, dennoch aber leistungsfähig und leistungsbereit bleiben. Anders als zu früheren Zeiten sind diese "gewonnenen Jahre" nicht von Hilfebedürftigkeit geprägt, sondern bedeuten in der Regel einen mit Aktivität und Gesundheit einher gehenden Lebensabschnitt. Die meisten älteren Menschen streben keineswegs einen völligen Rückzug aus wichtigen gesellschaftlichen Aktionsfeldern an. Viele sind zu einer Fortsetzung oder sogar Ausweitung ihres Engagements in Beruf, Wirtschaft und Gesellschaft bereit.

Aktives Alter
Die Rolle der älteren Menschen in der Gesellschaft ist - nicht zuletzt durch den Einfluss der "jungen Alten" - aktiver geworden. Das zeichnet sich auch in der Öffentlichkeit ab. Die Rolle des älteren Menschen in der Wirtschaft sowie seine Bedeutung als Wirtschaftsfaktor sind allerdings noch wenig bekannt. Lediglich als Verbraucher, als Kunde der Märkte, der Banken und Sparkassen und dgl., genießt die ältere Generation von heute zunehmende Aufmerksamkeit, wenn auch noch nicht die entsprechende Berücksichtigung. Es wird noch viel zu wenig zur Kenntnis genommen, dass Alter und Altern produktiv tätiges Leben und praktisches Handeln nicht ausschliessen. Wenn eine produktive Tätigkeit im Alter heute in maßgeblichen Bereichen begrenzt bzw. ausgeschlossen wird, so ist dies u.a. auch durch gesamtgesellschaftliche und -wirtschaftliche Belange bedingt.

Bedarf
Die heutige ältere Generation hat eine neue, aktivere Rolle übernommen. Die Mehrheit der "neuen Alten" ist besser ausgebildet als frühere Generationen es waren, erfreut sich einer stabileren Gesundheit, ist weniger auf öffentliche oder private Fürsorge angewiesen und verfügt über größere ökonomische Ressourcen. Die bedeutendste Rolle, die die ältere Generation in unserer Wirtschaft bereits eingenommen hat, ist die des Verbrauchers. Altern schafft Bedarf! Das gilt nicht nur für die Nachfrage nach Konsumgütern, sondern ebenso und mit wachsender Tendenz vor allem für Dienstleistungen. Schon heute zeichnet sich "der Markt der Dienste für Ältere" durch mehr Wachstumsdynamik aus als so mancher klassische Industriezweig, wird mit dem Alter viel Geld verdient, werden Arbeitsplätze geschaffen und gesichert.

Arbeitsplätze
Im Rahmen der Tagung "Seniorenmarketing in NRW" am 22.09.2003, betonte die Familienministerin Birgit Fischer, dass die "Landesinitiative Seniorenwirtschaft NRW" dazu beitragen wird, Produkte und Dienstleistungen für mehr Lebensqualität im Alter zu entwickeln sowie Arbeitsplätze in den Wachstumsbranchen zu schaffen.
Fachleute vom Institut für Arbeit und Technik, Gelsenkirchen, und der Forschungsgesellschaft für Gerontologie in Dortmund haben errechnet, dass allein in drei Bereichen der Seniorenwirtschaft - Neue Medien, Wohnen und Freizeit - von 1999 bis 2002 durch Beschäftigungszuwachs etwa 12.300 Arbeitsplätze entstanden sind. Bis zum Jahr 2015 rechnen die Wissenschaftler allein in den Bereichen Freizeit, Medien, Bildung, Kultur und Wohnen mit ca. 100.000 neuen Arbeitsplätzen durch die Seniorenwirtschaft in NRW.

Attraktive Kaufkraft
Marketingstrategen weisen inzwischen wiederholt auf die wirtschaftliche Bedeutung der älteren Zielgruppe hin. Schließlich verfügen allein die heute über 60-Jährigen hierzulande über eine Kaufkraft von jährlich etwa 90 Milliarden Euro. Sie setzen ihre Mittel keinesfalls, wie ihnen gemeinhin unterstellt wird, überwiegend für seniorenrelevante Pflegeprodukte ein, sondern zunehmend für Freizeit und Hobbys, für Wohlbefinden sowie Erhaltung oder Steigerung ihrer Lebensqualität. Dies schließt auch - teils beträchtliche - Investitionen mit ein, z.B. für Mobilität und Gesundheit, für Wohnen und Reisen und nicht zuletzt für moderne Technik sowie für Mode und Kosmetik. Auch die Dienstleistungsbranche profitiert von den finanziellen Ressourcen der Älteren sowie von ihren neuen Ansprüchen und Bedürfnissen.

Ansprüche
Die Ansprüche der älteren Menschen sind deutlich gestiegen. Involvierte Mitarbeiter eines u.a. auch auf dem Seniorenmarkt agierenden deutschen Weltunternehmens sehen dies als "Paradigmenwechsel von der Fürsorge zum selbstbestimmten Leben". Man will nicht mehr von Kindern oder Verwandten abhängig sein, sondern selbstbestimmt handeln und entscheiden. Hierfür sind ältere Menschen zunehmend aufgeschlossen und investieren auch ihr Geld. - "Es ist nicht so, dass die Mehrheit der Senioren nur spart, um ihren Kindern einmal möglichst viel vermachen zu können", stellte die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) fest. Im Gegenteil: Überwiegend hat sich die Einstellung durchgesetzt, dass die Älteren lieber das Leben genießen sollten anstatt zu sparen, um ihren Erben einmal alles hinterlassen zu können.

Berücksichtigung
Die Wirtschaft, insbesondere Produktion, Handel und Dienstleistungen, informiert sich zunehmend über die Wünsche und Bedürfnisse der älteren Generation. Die Umsetzung der u.a. auch in zahlreichen Untersuchungen abgefragten Ergebnisse lässt allerdings in weiten Bereichen noch auf sich warten. Ältere Menschen sind erfahrene Käufer und selbstbewusste und kritische Konsumenten. Mit steigendem Alter, vor allem bei körperlichen Beeinträchtigungen, wächst ihr Bedarf an seniorenrelevanten Produkten und Dienstleistungen, die auch dazu beitragen können, ihnen weiterhin ein selbstbestimmtes Leben und ggf. eine eigene Haushaltsführung zu erleichtern. Die Berücksichtigung dieser Verbraucherinteressen und wachsenden Nachfragepotentiale eröffnet neue Chancen für Produktion und Handel, für Arbeitsplätze, Umsatz und Profit, für Wirtschaft und Gesellschaft.

Wirtschaftskraft
Die Expertengruppe "Nationaler Aktionsplan" mahnt in ihrer Stellungnahme vom März 2004 an, die Wirtschaftskraft älterer Menschen stärker zu nutzen. Es geht unter anderem darum, ältere Kunden für Schwachstellen von Produkten und Dienstleistungen zu sensibilisieren sowie ihr kritisches Potenzial als Verbraucher zu bündeln und an die Öffentlichkeit zu bringen. Voraussetzung dafür ist die Schaffung von Transparenz, beispielsweise auf dem Wohnungs- und Versicherungsmarkt für Ältere. Weitere Anliegen sind die Sicherheit von Produkten, verständlichere Bedienungsanleitungen, Reinigungshinweise lesbare Verfalldaten etc. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass eine benutzerfreundliche Gestaltung allen Verbrauchern zugute kommt.

Werbung
"Das Bild vom Enten fütternden Rentner auf der Parkbank hat ausgedient!" Bilder in der Werbung sollten Senioren modern und aktiv zeigen, mit einer Prise Lebenserfahrung und Tradition. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, über die "Senioren OnLine" am 30.12.2003 berichtete. 90 Prozent der Befragten wünschten eine aktive Darstellung der Senioren in der Werbung. - "Die am stärksten wachsende Bevölkerung hat den schlechtesten Stand als Verbrauchergruppe und wird am wenigsten umworben", erklärte die Bundesministerin Renate Schmidt am 21.05.2003 in Berlin. - Die Rolle der älteren Menschen wird entscheidend von der Werbewirtschaft beeinflusst und geprägt. Ihre Bedeutung als Wirtschaftskraft wird in gleichem Maße wachsen, wie die Werbung ihre Chancen auf dem Seniorenmarkt erkennt und auch nutzt.

Markt mit Zukunft
Lange Zeit wurde das Altern der Gesellschaft überwiegend als ein Problem diskutiert und ältere Menschen hauptsächlich als wirtschaftliche Belastung und Kostenfaktor gesehen. Steigende Ausgaben für Altersversorgung, Gesundheit und Pflegeleistungen führten zu dieser negativen Einschätzung. Nicht berücksichtigt wurden hierbei die Ressourcen des Alters, z.B. die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Potenziale. Die Älteren übernehmen zunehmend eine aktive Rolle in der Gesellschaft und werden als Verbraucher immer mehr Einfluss auf Produkte und Dienstleistungen nehmen, die oft auch den Jüngeren zugute kommen. Unternehmen, die am Seniorenmarkt partizipieren wollen, müssen sich den Ansprüchen und Bedürfnissen der stetig wachsenden älteren Kundengruppe anpassen - denn auch hier gilt: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Links und Quellen
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Potenziale des Alters:
www.bmfsfj.de/Politikbereiche/Aeltere-Menschen/potenziale-des-alters%2Cdid=12346.h

Pressemitteilung zum "Seniorenmarketing in NRW":
www.presseservice.nrw.de/01_textdienst/11_pm/2003/q3/20030922_02.html

Seniorenmarketing - Ein weißes Feld in der Dienstleistungsforschung!:
www.dl2100.de/newsprint.php?newsid=470

Geschäftsstelle "Nationaler Arbeitsplan":
www.bagso.de/weltaltenplan.html

Senioren OnLine-Magazin:
www.senioren-online.net/home.php