AusdruckenLernCafe 25 vom 15. Juni 2004: "Der ältere Mensch als wirtschaftlicher und politischer Machtfaktor"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
http://www.lerncafe.deDas Methusalem-Komplott
(Druckversion)
Roland Huber
E-Mail: Roli.Huber@t-online.de
Drohendes Problem
Frank Schirrmacher beschreibt in "Das Methusalem-Komplott" die drohende Katastrophe, die sich aufgrund der Alterung vieler Völker abzeichnet. Er ruft zur Bewusstseinsänderung, zum persönlichen und gesellschaftlichen Widerstand auf. Überraschend dabei ist: Der Warner ist nicht irgendein sektiererischer Weltverbesserer aus einer alternativen Szene. Nein, er ist einer der Herausgeber der FAZ.
Wahrscheinlich haben Sie schon einige Rezensionen des Buches in der Zeitung gelesen. Es lohnt sich, das Buch zu kaufen, es ganz durchzulesen, darüber miteinander zu sprechen. Natürlich ist uns allen das demographische Problem schon bekannt. Aber das Buch bringt aufeinanderfolgende Wellen von Argumentationen, die uns die vielfältigen und weltweiten Dimensionen des Problems bewusst machen.
Pflicht zum Tod?
Überraschende Gedankenverbindungen tauchen auf, z.B. von Huntingtons "Kampf der Kulturen" über den muslimischen Fundamentalismus zum "Kampf der Generationen".
Oder dass allen über 40 eine Gehirnmanipulation gemäß Orwells Roman 1984 drohe.
Noch mehr hat mich der folgende Gedankengang betroffen gemacht: "Damals wurde in einem 30-jährigen Krieg zwischen 1914 und 1945 in all den Massenmorden auch zweimal eine ganze Jugend ausgelöscht.. Wir sollten den Jahren 2014 bis 2045 nicht allzu arglos entgegensehen, wenn wir wissen, dass 2035 das Maximum der demographischen Krise unseres Landes sein wird. Was einst der Jugend geschah, könnte nun den Alten widerfahren. Vor kurzem hat der Kulturhistoriker Wolfgang Schivelbusch die Frage gestellt, ob es nicht eine Pflicht zum Tode im Alter geben könne, wie einst der Tod fürs Vaterland für die Kriegsfreiwilligen des Jahres 1914."
Altersvorstellung
Für Frank Schirrmacher sind nicht die längeren Lebenszeiten der Menschen das Problem sondern die Vorstellungen über das Alter und den damit verbundenen Selbsthass. "Wir müssen in den nächsten 30 Jahren ganz neu lernen zu altern, oder jeder Einzelne der Gesellschaft wird finanziell, sozial und seelisch gestraft".
Alle über Vierzig sollen sich dagegen verschwören und aktiv werden. Sie haben die Mission, gegen die Diskriminierung des Alters zu kämpfen. Die Entmündigung zeigt sich im besonderen im Gebrauch der Sprache. Die Feinde sind überall, es sind alte und junge Leute. Ältere sperren sich selbst in ihre eigenen Vorurteile ein und reden schlecht über andere Ältere, wie die Berliner Alterstudie u.a. gezeigt hat.
Standortnachteil
An einer Stelle wird darauf hingewiesen, dass die Diskriminierung des Alterns und des Alters weltweit zu einem ökonomischen und geistigen Standortnachteil wird. Es geht somit auch um Eigennutz im Interesse der kommenden Generationen.
Von den Politikern kann man aktuell nichts erwarten, auch wenn sie alle genau Bescheid wissen. Als berühmtes Beispiel wird der Artikel in Foreign Affairs "Graue Dämmerung" von Peter Peterson, dem ehemaligen Wirtschaftsminister von Nixon, angeführt.
Aufklärerisch
Mehr Wille zur Veränderung könnten die Babyboomer einbringen. Das sind die ab 1950 Geborenen. Diese Generation haben schon einmal die Gesellschaft verändert. In den USA wird erwartet und befürchtet, dass sie sich auch aktiv mit ihrem Alter auseinandersetzen werden.
Trotz aller ungeheuerlichen Szenarien ist das Buch von Frank Schirrmacher für mich hoffnungsvoll. In diesem Jahr, zum 200. Todestag von Immanuel Kant, würde ich gerne diesem Buch das Prädikat "aufklärerisch" verleihen.
Titelnachweis
Frank Schirrmacher
Das Methusalem-Komplott
Blessing-Verlag, 2004
ISBN: 3-89667-225-8