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LernCafe 25 vom 15. Juni 2004: "Der ältere Mensch als wirtschaftlicher und politischer Machtfaktor"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
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Zukunftsstudie in GEO

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Renate Wiese
E-Mail: renate.wiese@gmx.de

Deutschland 2020
Im GEO-Magazin 5/04 erschien eine Zukunftsstudie des Berlin-Instituts für Weltbevölkerung und globale Entwicklung. Ihr Inhalt: Im Osten der Republik vergreisen und verwaisen ganze Landstriche mit der Folge, dass die Natur wieder aufblüht und großflächige Reservate schafft für fast vergessene Arten wie Wolf und Luchs. Das Institut hat diese Auswirkungen anhand von 22 Kriterien untersucht u.a. Kinderzahl, Kaufkraft, Abwanderung, Wohnungsbau, Bildung, Fremdenverkehr... Zur Illustration seiner Prognosen verweist Reiner Klingholz, der Direktor des Berlin-Instituts, auf die Entwicklung Ostdeutschlands in den vergangenen 14 Jahren: Im Zeitraffer zeige sich dort, wozu Kinderarmut, Überalterung, Strukturwandel und Abwanderung führten.

Veränderung
In den kommenden Jahrzehnten wird sich Deutschland von Grund auf verändern, sagt Klingholz: "Unsere abendländische Kultur - was immer jeder einzelne darunter versteht - wird es in dieser Form in 30 Jahren nicht mehr geben!" Diese Prognose folgt schlichter rechnerischer Erkenntnis: Seit den 70er Jahren werden zu wenig Kinder geboren - jede Kindergeneration ist rund 1/3 kleiner als die ihrer Eltern. Die Lücken lassen sich wie seit 30 Jahren nur durch Zuwanderung schließen. "Allerdings kommen dann Fremde in ein Land, wo die meisten Ausländer schon heute schlecht integriert sind", sagt Klingholz und verweist auf den ansatzweise kommenden europäischen Konkurrenzkampf um "attraktive" Einwanderer. Soll aber der Wohlstand nur gesichert werden, müssten auch die Unternehmen sich rasch auf alternde Belegschaften einstellen. Weiterbildung sollte deshalb nicht auf jüngere Mitarbeiter beschränkt sein, sondern auch über 50-Jährigen offen stehen.

Wachrütteln
Das alles sei indes nicht neu: "Politiker haben das Problem allerdings lange ignoriert und erst die Krise der Renten- und Krankenversicherungskassen bringt das Thema jetzt langsam an die Oberfläche. Endlich." Das Ausmaß der notwendigen Kehrtwende sei noch nicht begriffen. "52 Prozent der Deutschen haben noch nichts vom demografischen Wandel gehört - einem Prozess, der schon heute unaufhaltsam ihr Leben beeinflusst." Dies zu ändern, hat sich der Direktor des Berlin-Instituts zur Aufgabe gemacht. Mit der jüngst erschienenen Studie "Deutschland 2020 - die demografische Zukunft der Nation" will Klingholz denn auch Wachrütteln. Bis zum Jahr 2020 werden weite Teile Deutschlands an Bevölkerung verlieren. Mit Konsequenzen für Lebensqualität und Zukunftschancen. Ein verschärfter Wettbewerb der Regionen ist damit programmiert. Wer wird ihn bestehen?

Bevölkerungsverlust
Fast 5,5 Millionen Einwohner hat Deutschland in den letzten 30 Jahren verloren - fast ebenso viele wie zwischen 1815 und 1914 nach Nordamerika ausgewandert sind. Denn seit 1972 sterben hierzulande mehr Menschen, als geboren werden - jede nachfolgende Kindergeneration ist um ein Drittel kleiner als die ihrer Eltern. Mit im Schnitt nur noch knapp 1,4 Kindern pro Frau zählt die Bundesrepublik heute zu den kinderärmsten Gesellschaften der Welt.

Geburtenrate
Diese Rechnung gilt allerdings nur für den Westen Deutschlands. Im Osten, wo sich die Machthaber lange, aber vergeblich mit Mauer und Stacheldraht gegen Bevölkerungsverluste gewehrt haben, brach nach der Wende, quasi über Nacht, die durchschnittliche Kinderzahl je Frau von 1,6 auf 0,77 ein - der niedrigste je gemessene Wert weltweit. Der Strukturwandel tilgte überkommene Industriereviere von der Landkarte, und vor allem junge und qualifizierte Menschen folgten dem Wirtschaftsgefälle - nach Westen. Alte und sozial Schwache blieben zurück.

Schrumpfungs- und Wachstumszonen
Die neuen Länder haben damit im Zeitraffer erlebt, was auf andere Gebiete Deutschlands erst noch zukommt. Insgesamt wird sich die Bundesrepublik zunehmend teilen in Regionen der Schrumpfung und des Wachstums. Dabei ziehen die Menschen einerseits vom Land in jene Ballungsräume, die eine wirtschaftliche Perspektive bieten; andererseits aus den urbanen Zentren in deren immer breiter werdende Grüngürtel, die mehr Lebensqualität versprechen. Aber selbst dort fehlen die Kinder. Die Republik wird, zuerst in den Schwundregionen, bald jedoch bundesweit, zu einem Land der Alten.

Links
Das Berlin-Institut für Weltbevölkerung und globale Entwicklung verfolgt das Ziel, die verbesserte Wahrnehmung und Bewältigung internationaler demografischer Veränderungen im Kontext nachhaltiger Entwicklung zu fördern. Dabei konzentriert sich das Berlin-Institut auf die Erarbeitung, Aufbereitung und Verbreitung von Konzepten und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das Berlin-Institut für Weltbevölkerung und globale Entwicklung wurde im August 2000 von Marlene v. Reichenbach gegründet.
Der Link zum Institut:
www.berlin-institut.org
Das Institut stellt auch ein "Online Handbuch zum Thema Bevölkerung" zur Verfügung. Es informiert in kurzen Stichworten über Grundbegriffe von Bevölkerungswissenschaft und Bevölkerungsgeografie; über die historische und aktuelle Entwicklung der Bevölkerung weltweit, in Europa und in Deutschland; über Ursachen und Konsequenzen demografischer Entwicklungen.
www.berlin-institut.org/pages/fs/fs1.html
Hier gibt es die komplette Demografie-Beilage des GEO Magazins 5/04 als PDF-Download (6,3 MB):
www.geo.de/GEO/static/demographie/beilage.pdf