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LernCafe 25 vom 15. Juni 2004: "Der ältere Mensch als wirtschaftlicher und politischer Machtfaktor"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
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Das Methusalem-
komplott - aktuelle Rezensionen


(Druckversion)


Clemens Thelen
E-Mail: Clemens.Thelen@t-online.de

Einführung
Über das Buch "Das Methusalem-Komplott" von Frank Schirrmacher ist viel geschrieben worden. Auszüge dieser Stellungnahmen sind hier einmal beispielhaft aufgelistet. Psychologie Heute, der Spiegel, die Welt, die Süddeutsche, die TAZ, Frankfurter Rundschau, Kulturreport und die Südwestpresse haben sich in ihren Essays mit der Thematik unserer alternden Gesellschaft Anfang dieses Jahres beschäftigt und das Buch von Schirrmacher von unterschiedlichen Seiten, auch unterschiedlich politischer Seite beleuchtet.
So wird der, dem das Buch nicht vorliegt oder der es nicht lesen möchte, mit der differenzierten Betrachtung über dieses Buch vertraut gemacht. Die Buchvorstellung selbst und eine persönliche Einschätzung von Roland Huber, SOR-Teilnehmer, steht in der Rubrik "CD-Rom & Bücher".

Der Spiegel
"Die Revolution der Hundertjährigen"
Frank Schirrmacher hat ein Thema aufgegriffen, für das sich bisher vor allem Ökonomen und Bevölkerungsforscher zuständig fühlten. "Wer die Grafiken richtig liest", so der Frankfurter Journalist, "mit denen das Statistische Bundesamt die Alterung und Bevölkerungsentwicklung unserer Gesellschaft abbildet, weiß, dass uns eine Revolution bevorsteht. Und wer begreift, dass er als heute lebender Mensch selbst ein Bestandteil dieser Säulen und Balken ist, begreift, dass diese Revolution keinen anderen meint als ihn selbst."
Der Spiegel, AKTUELLER BESTSELLER (12/ 2004)

Die Welt
Bitte, bleiben Sie gesund
Vergessen wir mal für einen Augenblick, wer das Buch geschrieben hat. Frank Schirrmacher, einer der Herausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", gehört zu den einflussreicheren Journalisten dieses Landes; er wird beneidet und bewundert und von Herzen gehasst. Die farbigsten Gräuelgeschichten sind im Umlauf. Aber auch wenn sie alle miteinander stimmen sollten, hätte Frank der Schreckliche mit "Das Methusalem-Komplott" ein wichtiges, ein mitreißendes Pamphlet vorgelegt.
...Was ist zu tun? Schirrmacher plädiert energisch dafür, eine positive Einstellung zum Alter zu entwickeln, damit uns "der demografische Krieg der Kulturen nicht ausgehöhlt, ausgebrannt und kleinmütig" vorfindet. Er führt hier das Beispiel Methusalem ins Feld; laut biblischem Bericht wurde der ja 969 Jahre alt und zeugte Söhne und Töchter. Ich selbst - aber das ist Geschmackssache - würde Agatha Christies rüstige Detektivin Miss Marple als Vorbild bevorzugen. Wollte man Schirrmachers Anliegen mit einem Gemälde illustrieren, so müsste man sich "Die Freiheit führt das Volk" von Delacroix vorstellen, aber anstelle der jugendschönen und barbusigen Freiheitsgöttin würde Jane Marple eine Horde von Pensionisten anführen, die runzelig und faltig ihre Gehstöcke schwingen...
Die Welt 27.3.2004

Süddeutsche Zeitung
Volker Breidecker geht in Deckung, allerdings weniger vor Frank Schirrmachers apokalyptischen Thesen als vor der Sprache, in der sie vorgetragen werden: Der FAZ-Herausgeber mobilisiere "mittelalterliche Totentänze und martialische Kriegsrhetorik", um dröhnend und raunend den bevorstehenden "Krieg der Generationen" anzukündigen, meint Breidecker. Dabei enthalte das Buch durchaus "scharfsinnige Beobachtungen über Jugendwahn, Altersangst und die mit Schuld- und Schamgefühlen besetzten Bilder und Selbstbilder vom Altern in unserer Gesellschaft". "Gleichwohl", so Breidecker, "entzieht es sich den Problemen des tatsächlichen Alterns, und trotz einer unheilschwangeren Todesrhetorik ignoriert es das individuelle Sterben und den wirklichen Tod". Stattdessen: "endzeitliche Grammatik" mit Superlativen, wohin das Auge blickt, und eine Dringlichkeit demonstrierende Anrede des Lesers: Passen Sie auf, bald ist es so weit!
Süddeutsche Zeitung vom 02.04.2004

Die Tageszeitung
Kein gutes Haar lässt Rezensent Stefan Reinecke an Frank Schirrmachers Buch "Das Methusalem-Komplott", in dem der FAZ-Herausgeber ob der immer älter werdenden Gesellschaft Alarm schlägt. Das Schreckenszenario, das Schirrmacher in einem einzigen "MG-Feuer von Hyperbeln, steilen Vergleichen und nervtötenden Kriegsmetaphern" beschwört, nötigt Reinecke immer wieder süffisante Kommentare ab, etwa wenn Schirmacher erklärt: "Nicht nur Menschen, ganze Völker werden altern". Dabei will Reinecke überhaupt nicht leugnen, dass das Phänomen einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft ein ernstes Problem darstellt - ein Problem freilich, dem Schirrmachers Buch, das vor "Alarmismus", "Dramatisierungsfloskeln", "krachender Rhetorik" und "Angstbildern" nur so strotzt, seines Erachtens nicht gerecht wird. Interessant findet Reinecke den Text lediglich als "Symptom einer Krise", "als Versuch, die Figur des Intellektuellen unter verschärften medialen Bedingungen zu verteidigen". Doch auch dieser Versuch geht für Reinecke in die Hose: "Der Typus Schirrmacher", analysiert Reinecke, "ist ein Intellektueller im Schrumpfstadium". So hält er Schirrmacher vor, sein Kerngeschäft, die Reflexion, vor lauter Wille zur Wirkung aufgegeben zu haben.
Die Tageszeitung vom 26.03.2004

Frankfurter Rundschau
"Peinlich berührt" war Hilal Sezgin von Frank Schirmachers "verschwörungsneurotischem" Pamphlet. Ausgehend von der Prognose, dass immer mehr Menschen immer älter werden, schildert der Autor "aufgeregt" den "Altersrassismus" unserer Gesellschaft und stellt unseren Umgang mit alten Menschen dem mit alten Autos gleich, berichtet die Rezensentin: Die Gesellschaft "jagt das alternde Auto auf der Autobahn, wenn es nicht freiwillig zur Seite geht... und entzieht ihm am Ende aus Sicherheitsgründen die Zulassung", zitiert Sezgin aus dem Buch. Insbesondere stieß der Rezensentin die konsequente Ausblendung der eigenen Ängste vor dem Alter auf: Weder Krankheit noch Tod, noch Pflegebedürftigkeit würden in Schirrmachers "Manifest" aufgegriffen, geschweige denn, dass der Autor nach Lösungen und Alternativen für die Altersproblematik suchte. Stattdessen bombardiere Schirrmacher den Leser mit militanten Metaphern und "Phrasen" - "erbärmlich undiszipliniert", urteilt Sezgin.
Frankfurter Rundschau vom 25.03.2004

Kulturreport
Wir steuern auf eine Katastrophe zu und merken es nicht, meint Frank Schirrmacher, Herausgeber der FAZ in seinem neuen Buch "Das Methusalem-Komplott". Unsere Gesellschaft wird immer älter. Die Lebenserwartung steigt und die Geburtenraten sinken. Der Autor prognostiziert in seinem neuen Buch eine "neue Phase der Weltgeschichte", die "die ganze westliche Welt in einen Ausnahmezustand" versetzen wird. Neben einem kollabierenden Rentensystem, also einer Sozialkatastrophe, steht uns auch die Erschütterung unserer seelischen Welt bevor. Wir sind auf das Alter und die Überalterung unserer Gesellschaft nicht vorbereitet - uns droht ein Krieg der Generationen.
Bilder prägen das Bewusstsein in der Mediengesellschaft. Nur das, was im Bild vorhanden ist, existiert. Und da sehen wir junge potente Menschen. Alles ist Sex, alles ist Produktion und Reproduktion. Kurz gesagt: genau das, was der Alte angeblich nicht mehr ist. Schirrmacher nennt die Medien und die Werbung polemisch "Bewusstseinskombinate", spricht von Altersrassismus. Gegen die Diktatur des Jugendwahns fordert er ein "Methusalem-Komplott", den Aufstand der Alten. Ein neues Bild vom Alter muss her, so Schirrmacher.
Kulturreport vom 28.03.2004-06-15