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Persönliche Einführung zum LernCafe 29

"Interkulturelle Begegnung - Interkulturelles Lernen" ist das Thema dieser Ausgabe des LernCafes. Interkulturell bedeutet (abgeleitet vom Lateinischen Inter) "zwischen den Kulturen". Dieser Begriff geht weiter als multikulturell. Multikulturell besagt nur, daß es verschiedene Kulturen gibt, während interkulturell die Kulturen miteinander in Verbindung bringt. Diese Aussage birgt bereits die Auseinandersetzung der Kulturen in sich. Auseinandersetzung jedoch kann nur gelingen, wenn wir

  • unsere eigene Kultur kennen,

  • fremde Kulturen akzeptieren,

  • nach Gemeinsamkeiten suchen.

Das ist der Weg auf dem wir zu einer europäischen Identität finden. Die genannten drei Kriterien sind daher auch der berühmte "Rote Faden", der dem vorliegenden LernCafe zugrunde liegt und an dem wir uns durch das Thema "hangeln". Kleine Schritte und Begegnungen im und aus dem Alltag lassen uns erleben inwieweit das Miteinander der Kulturen auf einem guten Weg ist.

Sogenannte "Aha-Erlebnisse" verdeutlichen als Anekdoten oder Aussagen mitmenschlicher Beziehungen wie interkulturelle Begegnungen gelingen können.
Eine Anekdote:
Bayerns Sicherheit auf Santorin
Am Morgen nach meiner nächtlichen Ankunft gehe ich auf Erkundungstour. Fasziniert von dem Anblick der blau-weißen Häuserfassaden schlendere ich durch die schmale Küstenstraße und halte vor einem Souvenirladen mit herrlichen Ikonen inne. Mitten in meiner Betrachtung "steht mir der Mund offen". In der oberen Ecke der Auslage lese ich auf einem schön gerahmten Bild "Fahre sicher auf Bayerns Straßen"
Lachend erscheint in der Tür ein bärtiger Grieche. "Gelt, da schauens" begrüßt er mich und lädt zum Eintreten ein. Bei einem Becher Ouso erfahre ich, daß er 25 Jahre in München lebte und arbeitete. Da es in den engen Sträßchen auf Santorin kaum Ausweichmöglichkeiten gibt, sahen wir uns fast täglich und ich lernte die Nachbarn und Freunde kennen. Bei einem Abstecher nach Naxos wurde ich bei meiner Ankunft im Hafen von einer Bekannten des Griechen mit großer Herzlichkeit empfangen. Der ganze Aufenthalt war bereits bestens organisiert. Als ich erfuhr, daß "mein" Grieche mit einem geringen Budget auskommen musste, aber seine Rentenansprüche aus seiner Arbeit in Deutschland nicht beantragt hatte, durchforstete ich seine Unterlagen und verhalf ihm zu einem sorgloseren Leben. Diese persönlichen Begegnungen mit der griechischen Mentalität haben mich tief beeindruckt. Sie nahmen mir das Gefühl des Fremdseins in einem fremden Land.

Ein Beispiel interkultureller Mitmenschlichkeit:
Hilfe in einer Notlage:
Freudig erregt erzählt mir eine Seniorin ihr besonderes Erlebnis. Wegen ihrer Gehbehinderung ist sie auf einen Rollator angewiesen. Ihn zum Aufzug zu befördern war immer ein großes Problem; denn es müssen acht Stufen überwunden werden. Um einen Arzttermin wahrnehmen zu können sucht Frau N. Hilfe und läutet bei einer griechischen Familie. Die Hilfe bekommt sie auch sofort. Aber das ganz besondere Erlebnis folgt erst. Der griechische Mitbewohner überzeugt alle 16 Parteien im Haus, daß der Rollator von Frau N. einen festen und durch eine Kette gesicherten Platz vor dem Aufzug benötigt. Durch diese Tat einer interkulturellen Begegnung ist das Leben von Frau N. ein Stückchen lebenswerter geworden.

Die beiden Beispiele zeigen die Verschiedenheit von Menschen aus zwei Kulturen. Sie beweisen aber auch wie ein Miteinander entstehen und wachsen kann. Die Unterschiede: Z.B: Der Deutsche ist reserviert, zieht sich gerne auf sich zurück. Der Grieche ist offen und geht initiativ auf andere zu. Und doch finden sich Möglichkeiten, die zu gemeinsamen Handlungen führen. Sie müssen allerdings wahrgenommen und dann gelebt werden.

Das Thema interkulturelle Begegnungen und interkulturelles Lernen wird in der vorliegenden Ausgabe des LernCafes aus verschiedenen Blickwinkeln gesehen und beleuchtet. So kann Ihnen etwa die Darstellung über das neue Projekt ODE (Open Doors for Europe) in der Tat ein Türöffner zum Verständnis europäischer Integration werden.

Ich wünsche Ihnen, zusammen mit allen RedakteurInnen und MitarbeiterInnen des ZAWiW viel Freude bei der Lektüre des neuen LernCafes. Mögen sich daraus auch neue Erkenntnisse und Einsichten über interkulturelle Begegnungen und interkulturelles Lernen ergeben.

Hildegard Keller
(Mitglied des Redaktionsteams für das LernCafe 29)
E-Mail: kellerhilde@t-online.de