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LernCafe 29 vom 15. März 2005: "Brücken bauen, Türen öffnen - Lernen durch interkulturelle Begegnungen"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
http://www.lerncafe.de

ODE - Open Doors for Europe

(Druckversion)


Brigitte Nguyen-Duong
E-Mail: brigitte.nguyen-duong@extern.uni-ulm.de

Jutta Gotthardt
E-Mail: JGotthardt@t-online.de

Agathe Wende
E-Mail: wende.agathe@freenet.de

Einführung
Was passiert, wenn sich fünf Seniorengruppen aus vier europäischen Ländern mit vier verschiedenen Sprachen zu einem persönlichen gegenseitigen Kennenlernen treffen? Wie läuft die Verständigung? Wie die Annäherung? Vorgenommen hatten wir uns, uns füreinander zu interessieren - für die Traditionen und die Geschichte unserer Länder - und uns für das spezifische Umfeld der einzelnen Gruppen zu öffnen. Ob das gelingen kann?

Türöffner
"Türen öffnen für Europa" heißt für uns - die TeilnehmerInnen des Lernprojektes ODE - Open Doors for Europe - einen Schritt auf Menschen in Europa zuzugehen. Anfang November 2004 hieß dies für etwa 35 Europäer und Europäerinnen aus vier Ländern, in die ostpolnische Stadt Lublin zu reisen. Sie kamen von Einrichtungen des 3. Lebensalters der Universitäten in Lodz, Vicenza, Ulm und Alicante nach Lublin (Polen), um dort die Gastgeber - Verantwortliche der dortigen Universität des 3. Lebensalters und 15 Teilnehmende - zu treffen. Es soll bei der Zusammenkunft in Lublin und bei späteren Treffen in anderen Partnerstädten herausgefunden werden, ob "Türöffner" - für alle gleichermaßen - neben der Landessprache zur Verständigung gefunden werden können.

Projektziele
Über das Alltagsleben, über Essgewohnheiten, über Traditionen, Feste und vieles mehr zu erfahren, hilft Hemmschwellen gegenüber Fremden in einem unbekannten Land abzubauen. Tanz, Musik, Spiele, Bilder, Fotos, Pictogramme, Pantomime, Gesten sollen helfen, die Kommunikation zu erleichtern und Aufmerksamkeit und Toleranz in den Vordergrund zu stellen. Wir werden Materialien erarbeiten, die helfen sollen, vorgefasste Meinungen und Vorurteile bei unseren Lernpartner-Freunden und vielleicht auch bei zukünftigen ausländischen BesucherInnen abzubauen.

Lernpartner Ulm
Das Projekt ODE wird mit Unterstützung der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen der Aktion Grundtvig des Programms Sokrates durchgeführt. Die Ulmer Gruppe im Projekt "Open Doors for Europe" gehört zum ILEU (Institut für virtuelles und reales Lernen in der Erwachsenenbildung an der Universität Ulm (ILEU) e.V.). Das ILEU arbeitet eng mit dem ZAWiW (Zentrum für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung - Univ. Ulm) und dem bundesweiten Verein "Virtuelles und reales Lern- und Kompetenz-Netzwerk für ältere Erwachsene (ViLE) e.V." zusammen. Ein Schwerpunkt von ILEU ist das "Forschende Reisen" als eine neue Art der "Welterkundung", das Eigenaktivität erfordert und die Begegnung mit "Fremden" und "dem Fremden" durch ganz persönliche Zugangs- und Entdeckungsweisen ermöglicht

Sprache
Vor diesem Hintergrund suchten wir als TeilnehmerInnen dieser Lernpartnerschaft beim ersten ODE-Projekt-Treffen mit SpanierInnen, ItalienerInnen sowie Polinnen und Polen in Lublin natürlich erst einmal nach einer gemeinsamen Sprache. Keiner von uns konnte Polnisch. Wir probierten es mit einer bunten Mischung aus Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch, weil unsere GastgeberInnen diese Sprachen lernen. Dabei kam schon ein bisschen verbale Kommunikation unter uns zustande, aber eine gemeinsame Sprache, die alle verstehen, gibt es in diesem Lernprojekt nicht.
Wir wollten jedoch in kurzer Zeit so viel wie möglich von einander erfahren, um vorgefasste Meinungen über die Gruppen aus den anderen Kulturkreisen zu überprüfen. Da waren sprachkundige Teilnehmende sowie DozentInnen im Projekt, die fließend hin und her übersetzten, hilfreich. Aber wir lernten auch die Möglichkeit und den Wert der nicht-verbalen Kommunikation und der situativen Erschließung lernen und schätzen.

Entdeckungen
Zunächst konnten uns die Gastgeber einen Einblick in ihr Umfeld und ihre charakteristische Lebensweise geben. Gleich zu Beginn des Tagungsprogramms ließen uns Musik und Bewegung ganz direkt, nicht-verbal mit einem völlig fremden Teilnehmer in Kontakt treten. Wir entdeckten z.T. auf humorvolle Weise Gemeinsamkeiten. Mit diesem Einstieg war der Weg offen für einen unkomplizierteren Umgang miteinander. Wir merkten, dass schon allein die Bereitschaft der TeilnehmerInnen, sich auf ein solches Experiment einzulassen, in der Gewissheit, die gegenseitigen Sprache(n) nicht zu kennen, ein Türöffner sein kann. Dazu zählte ebenfalls die Offenheit und Herzlichkeit der GastgeberInnen, mit der die Gäste beim ersten Treffen in Lublin empfangen und betreut wurden. Diese 'Türöffner' im Projekt ermöglichten uns, in den Arbeitsgruppen kreativ und kooperativ an Themen zu arbeiten, die uns alle beschäftigen: Stereotypen, Vorurteile, Tabus und Klischees, aber auch die Themen Traditionen und kulturelle Wertigkeiten.

Aufenthalt in Lublin
Wir staunten über die Lebensfreude, die ein Seniorenheim in Lublin ausstrahlte, über die fröhlichen Zusammenkünfte der jungen Leute in den zahlreichen Studentenkneipen, über ein ausgesprochen gepflegtes Stadtbild mit liebevoll renovierten historischen Sehenswürdigkeiten und Gebäuden.
Maßlose Trauer und Beklommenheit überkam uns alle beim gemeinsamen Gang über das Gelände des KZ von Majdanek, aber wir spürten dabei, dass es ein Versuch war, eine Brücke über den tiefen Graben zu schlagen, der sich durch unsere jüngste geschichtliche Vergangenheit zog.
Wir gingen schweigend nebeneinander her und hatten das Gefühl, dass alle der gleichen Hoffnung waren, dass zwischen Nachbarvölkern nie mehr solche Entsetzlichkeiten entstehen.
Gefühle und Emotionen begleiteten weithin die nonverbale Verständigung und waren für uns 'Türöffner' für ein interkulturelles Verständnis. Wenn die Worte versagten oder nicht reichten, ersetzte schon mal ein Lied, ein Tanz oder ein Spiel die gesprochene Kommunikation.

Warschau
Der letzte Reisetag war dem Besuch Warschaus vorbehalten. Die Stadt wird als das "Herz Polens" bezeichnet und wir sahen es als einen Glücksfall an diese Stadt, zusammen mit der spanischen und italienischen Gruppe sowie mit drei polnischen Teilnehmerinnen aus Lublin zu besichtigen.
Im wieder aufgebauten Barockschloss hatte unsere Gruppe eine eigene Führung, die uns einen lebendigen Eindruck von der wechselvollen Geschichte Polens vermittelte. Wir besuchten auch das frühere Warschauer Ghetto, den Ort des tragischen Aufstands 1944.
Danach entdeckten wir in kleineren Gruppen, wie man sich in einer fremden Großstadt orientieren kann, deren Sprache man nicht spricht, welche Hilfen man braucht, was tatsächlich hilft.

Identitätsmerkmal
Ein eindrucksvolles Zeugnis dieser Kulturstadt Warschau ist das Opernhaus, eines der größten der Welt. Unsere polnische Dolmetscherin aus Lublin hatte die fabelhafte Idee, Karten für eine Vorstellung der Oper TOSCA in einer hervorragenden Aufführung zu besorgen. In den Pausen bewegten wir uns auf Freitreppen durch Foyers auf verschiedenen Ebenen, mit spiegelndem Glasschmuck. Wir befanden uns tatsächlich in einer Weltstadt!
Der Opernbesuch, der unserer internationalen Gruppe das gemeinsame Kultureerbe vorführte, war der beeindruckende Abschluss unserer Polenreise. Hier stellte sich die gemeinsame Identität unserer Gruppe mit TeilnehmerInnen aus so verschiedenen Ländern eindrucksvoll dar.

Eindrücke
Wir sind bei unserem Partnertreffen in Polen einer unerwarteten Kontaktfreude, einer offenen, verständnisvollen Haltung begegnet. Eine Polin sagte uns: "Es bringt nichts, Kopernikus (von dem sich ein Denkmal in Warschau befindet) als Polen oder als Deutschen zu betrachten, hat er doch in einer Zeit gelebt, in der man zwanglos Deutscher oder Pole sein konnte."
Das große Grenzland Polen erscheint uns als offener Raum. Mit Liedern und Spielen haben wir zunächst einen Zugang gesucht. Die Begegnungen mit den Menschen wollen wir beim nächsten Treffen von ODE, vom 6.-10.4.05 in Bad Urach, vertiefen. Neben dem Alltagsleben mit Essgewohnheiten und Festen wollen wir auch über so abstrakte Themen wie Stereotype und Tabus sprechen, als Chance zu einer Annäherung zwischen Menschen in einem sich erweiternden Europa.

Kontakte/Links
Mehr Informationen über das Projekt "ODE", das ILEU, den Verein ViLE e.V. und das ZAWiW erhalten Sie hier:
www.gemeinsamlernen.de/ode
www.ileu.net
www.vile-netzwerk.de
www.zawiw.de
Wenn Sie Interesse haben, bei ODE mitzumachen, dann wenden Sie sich bitte an das Institut für virtuelles und reales Lernen in der Erwachsenenbildung an der Universität Ulm (ILEU) e.V., D-89069 Ulm
Tel.: ++49-731-5023195,
Fax: ++49-731-5023197
E-Mail: info@ileu.net