AusdruckenLernCafe 32 vom 15. Oktober 2005: "Winter - Impressionen - Visionen - Illusionen"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
http://www.lerncafe.deOrhan Pamuk: Schnee
(Druckversion)
Dr. Erna Subklew
E-Mail: e.subklew@gmx.de
Zum Autor
Orhan Pamuk ist 1952 in Istanbul geboren. Er entstammt einer alten geachteten osmanischen Familie. Bereits mit 22 Jahren schreibt er seinen ersten Roman. Doch dauert es noch mehrere Jahre bis dieser gedruckt wird. Inzwischen hat er sieben Romane geschrieben, die ins Englische und Französische übersetzt wurden. Die meisten seiner Bücher sind jetzt auch in Deutsch erschienen. "Schnee" ist sein letzter Roman und wurde wahrscheinlich wegen seines Inhalts, er erschien erst vor drei Jahren, sehr schnell übersetzt, im Gegensatz zu seinen anderen Werken. Orhan Pamuk bekommt in diesem Jahr den Friedenspreis des deutschen Buchhandels.
Inhaltsangabe
Das türkische Wort für Schnee heißt "kar" und in Kars, einer Stadt von 90.000 Einwohnern, die im NO Anatoliens liegt, spielt das Geschehen, nicht weit entfernt von Georgien und Armenien. Durch die Lage des Ortes und die Jahreszeit hat der Schnee in seinen unterschiedlichen Formen eine Rolle. Eine Beziehung zu Deutschland hat der Roman dadurch, dass die Hauptperson Ka (Kerim Alakusoglu), ein Dichter, zwölf Jahre in Frankfurt gelebt hat.
Ankunft in Kars
Ka fährt zum Begräbnis seiner Mutter nach Istanbul. Sein Freund, der Redakteur bei einer liberalen Zeitung ist, schlägt ihm vor, für die Zeitung nach Kars zu fahren, um über die dort anstehenden Kommunalwahlen zu berichten. Außerdem hat es in Kars einige nicht geklärte Selbstmorde junger Mädchen gegeben. Da Ka zudem hört, dass seine frühere Kommilitonin, Ipek, dort lebt, willigt er ein. In Kars angekommen, führt man ihn bei den Honoratioren ein, dem Herausgeber der kleinen Zeitung, dem Stellvertreter des Polizeipräsidenten u.a.
Bei einem Treffen mit Ipek in einer Konditorei werden beide Zeuge, wie der Direktor der Hochschule von einem Angehörigen der Partei für "Islamische Gerechtigkeit" erschossen wird. Der Direktor hatte Schülerinnen, die sich weigerten ihr Kopftuch in der Schule abzulegen, verboten, die Hochschule zu betreten. Diese Mädchen brachten sich später um.
Zustände in Kars
Obwohl Ka versucht objektiv das Geschehen zu verfolgen, kann er es nicht verhindern, dass er freundschaftliche Gefühle für einen Schüler der Predigerschule empfindet und dem Scheich des Derwischordens die Hand küsst. Von den republiktreuen Behörden wird er zur Mitarbeit aufgefordert und durch die Folterkammern geführt, um islamistische Revolutionäre zu identifizieren.
Mal beruhigen ihn die Aktivitäten der Behörden, mal stößt ihn ihre Brutalität ab. Dann wieder möchte er seinen Frieden im Glauben finden, dabei ekelt ihn der Fanatismus der "Gottesstreiter" an. Ka, der durch zwölf Jahre Europa etwas verwestlicht ist, wird also in die Gegensätze, die in Kars, wie in vielen Gegenden der Türkei herrschen, hineingezogen. Hier die moderne Türkei, die sich durch Reformen bemüht, näher an Europa zu rücken , dort die Gläubigen, bei denen die Religion das ganze Leben bestimmt und die am liebsten die Scharia als Grundlage für ihren Staat hätten.
Ka und Kars
Für den Schriftsteller Ka haben die Erlebnisse in der Stadt Kars aber auch eine persönliche Bedeutung, die Schreibblockade, die er seit Jahren hat, löst sich und er kann wieder Gedichte schreiben. Ka wird vier Jahre nach seiner Rückkehr im Frankfurter Bahnhofsviertel erschossen.
Das Buch "Schnee" ist nicht leicht zu lesen, einmal seiner Sprache wegen. Aber welches Buch Orhan Pamuks lässt sich schon leicht lesen? Es ist ein Krimi ohne Auflösung und ein Liebesroman ohne Happyend. Außerdem soll, nach Angaben von Kritikern, die Übersetzung ihre Schwächen haben. Ich habe es in Türkisch gelesen und kann das nicht beurteilen. Trotzdem: ich kann das Buch nur jedem empfehlen. Es gibt sehr viele Informationen über die Türkei.
Links
Weitere Informationen zu Inhalt und Autor:
Hanser Verlag München 513 S.
www.faz.net
www.weltwoche.ch/artikel
http://zeus.zeit.de/text/2005/20/L-Pamuk-TAB