AusdruckenLernCafe 32 vom 15. Oktober 2005: "Winter - Impressionen - Visionen - Illusionen"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
http://www.lerncafe.deTraum im Polarnebel
(Druckversion)
Monika Bader-Scheck
E-Mail: Monika.bader-scheck@uni-ulm.de
Faszination
Das Buch "Traum im Polarnebel" habe in der Bücherei "entdeckt". Nicht nur der Titel und das Cover, sondern auch die Kurzzusammenfassung haben mich sofort fasziniert. Wie ist das, wenn man plötzlich - weg von der "Zivilisation" und seinen Freunden/ Familie - bei einem anderen Volk in einer völlig anderen Welt leben muss, um zu überleben? Und was kommt danach? Wie wird man sich zurechtfinden? Aber erst einmal der Reihe nach.
In Sibirien
Der Kanadier John MacLennan fuhr mit einem Handelsschiff Richtung nördliches Eismeer. Dort wurde er bei einer Sprengung von Eisschollen so schwer verletzt, dass er mit einem Hundeschlitten durch die eisige Tundra - im äußersten sibirischen Norden - in eine Zweitagesfahrten entfernte Siedlung gebracht werden muss. Das übernahmen einige. Doch unterwegs wurden die Wunden so schlimm (Wundbrand, Fieber, Schüttelfrost), dass John von den Tschuktschen zu einer Schamanin gebracht wurde. Die meisten Finger seiner Hände mussten amputiert werden, ein Teil bleib als Stummel übrig. Nach seiner Rückkehr musste er feststellen, dass das Schiff und seine Freunde nicht auf ihn gewartet hatten, sondern die günstige Gelegenheit der eisfreien Zeit nutzten um zurückzufahren.
Viele Winter
Als einziger Weißer unter dem Volk der Tschuktschen versuchte er zu leben und zu überleben. Aus einem Winter werden viele, viele Winter, er lernte nicht nur das Leben dieser Menschen zu schätzen, sondern integrierte sich nach und nach völlig in dieses Volk, ging mit ihnen jagen (das schon allein ist ein Kampf für sich), baute sich eine Jaranaga (Rundzelt der Tschuktschen) und gründete eine Familie.
Mut
Was mich besonders faszinierte an diesem Buch ist der Mut, sich völlig auf ein anderes, hartes und immer der eisigen Natur ausgeliefertes Leben einzulassen, ja es anzunehmen und sogar als das Seinige zu leben. Nicht einmal als seine Mutter dann viele Jahre später erfuhr, dass er noch lebte, und die weite Reise auf sich nahm um ihn nach Hause zu holen, war er bereit, wieder in die "Zivilisation" zurückzukehren. Er hat es sich sicher nicht leicht gemacht, jedoch war er bereits dort so sehr verwurzelt, dass er sich ein Leben in Kanada, seiner Heimat, einfach nicht mehr vorstellen konnte und es auch nicht wollte.
Tschuktschen
Seine Familie waren die Tschuktschen geworden. Er hat sein "Volk" verteidigt gegen vielerlei "Zivilisationskrankheiten" wie Alkohol, Geldgier, Raubbau mit den Fanggründen (der Lebensgrundlage seines Volkes) um nur einige zu nennen.
Von der ersten bis zu letzten Seite spannend erzählt, informativ, beeindruckend und für mich ganz persönlich auch sehr nachdenklich. Ein durchaus sehr hartes Leben, eng verbunden mit der Natur und ihren Gesetzen, aber auch sehr bereichernd, was den Zusammenhalt aller Generationen innerhalb des Dorfes (Volkes) betrifft. Jeder ist für den anderen da, die Starken helfen den Schwachen, die Jungen den Alten, der Fang wird immer mit allen geteilt, egal wer der Jäger war. Die Gastfreundschaft ist aller oberstes Gebot: der Gast bekommt immer das beste Stück und darf bleiben so lange er möchte. Jedes Kind ist willkommen und wird von der ganzen Sippe begrüßt und reich beschenkt.
Austausch?
Nicht vergessen möchte ich aber auch die Momente, in denen es mich schüttelte und ich überlegte, ob ich wirklich auch so etwas "essen" würde, wie z. B. warme Leber von einer frischerlegten Robbe oder deren Blut warm zu trinken, vorwiegend rohen Fisch zu essen (na ja, Sushi essen wir ja auch ab und an) usw.
Doch nun Schluss. Wenn Sie Lust am Lesen dieses spannenden Romans bekommen haben, würde ich mich über einen Austausch sehr freuen. Schreiben Sie bitte in die Rubrik Lese-Briefe.
Titelnachweis
Autor: Juri Rytchëu
Aus dem Russischen von Arno Specht
Titel: "Traum im Polarnebel"
Verlag: Unionsverlag
Preis: 9,90 €