Einführung der verantwortlichen Redaktionsleitung des LernCafe - der Online-Zeitung für allgemeine Weiterbildung für ältere (und auch) jüngere Menschen –
33. Ausgabe (März 2006)
Globalisierung erfahren – Zukunft gestalten!
Thematische Einführung
"Nichts fürchtet der Mensch mehr als Berührung durch Unbekanntes." Vor über vier Jahrzehnten formulierte Literaturnobelpreisträger
Elias Canetti (1905-1994) in seinem Werk "Masse und Macht" (Beziehung von Mensch und Gesellschaft, 1960) eine Erkenntnis, die nun, in Zeiten der Globalisierung, noch aktueller geworden ist: Menschen müssen lernen, die Furcht vor unbekannten Welten zu überwinden.
Globalisierung - kaum ein politischer Begriff ist in den letzten Jahren emotionaler besetzt gewesen (und ist es noch), als der der Globalisierung. Die einen preisen die Tatsache, dass die Welt immer kleiner wird, die anderen warnen vor der krakenhaften Ausbreitung transnationaler Unternehmen und Folgen wie weltweiter Umweltverschmutzung, Armut und vor allem Ungerechtigkeit. Globalisierung ist mal ein Begriff, der polarisiert, je nach Standort und Weltsicht, für die einen ein Ausdruck für alles vermeintlich Schlechte auf dieser Welt, für die andern der Inbegriff von Hoffnung und Zukunftsoptimismus.
Dabei bezeichnet Globalisierung erst einmal nur die Tatsache, dass
"die Wirtschaft“ heute weltweit verflochten ist, dass weltweite Konkurrenz und Arbeitsteilung herrschen Informationen dank Satellitentechnik, Fax, Laptop, Mobiltelefon und Internet nahezu gleichzeitig an jedem Punkt der Erde zur Verfügung stehen. Inzwischen wird der Begriff allgemein für die immer stärkere Vernetzung und Verkoppelung von Vorgängen von Wirtschaften und Kommunizieren rund um den Globus benutzt. Was lokal irgendwo passiert, kann schnell Bedeutung für die ganze Welt gewinnen. Globalisierungskritiker setzen sich für internationale Ordnungssysteme und Übereinkommen ein, die den Vormarsch der Wirtschaft regulieren und kontrollieren sollen.
Seit den Achtziger Jahren sprechen Soziologen und Ökonomen von Globalisierungstendenzen vor allem in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Dabei hat die wirtschaftliche Globalisierung wohl spätestens vor fünf Jahrhunderten begonnen, als Europa sich weltweit Kolonien eroberte. Zum „Kampfbegriff“ ist Globalisierung wohl allerdings erst Ende der Neunziger Jahre geworden. Fast könnte man annehmen, dass nach dem Ende des Kalten Krieges die westliche Welt nach einem Begriff gesucht hat, um der aktuellen Epoche einen Namen zu geben. Vor allem nach dem Aufstieg des Internets und der Eroberung auch der östlichen Welt durch Mc Donalds, bediente man sich dafür eben des Globalisierungs-Begriffs.
(bpb)
Wir erleben einerseits den Prozess des enormen Zusammenwachsens, der Aufhebung von Grenzen und Trennungen, der Vernetzung, Vereinigung, Vereinheitlichung, der Verschmelzung und Synthese bisher zumeist weit voneinander entfernter Wirklichkeitsbereiche. Räumliche und zeitliche Entfernungen rücken zusammen, wir sprechen vom
"globalen Dorf". Alte starre Identitäten, Vorstellungen und ideologischen Schranken lösen sich auf. Zugleich werden andererseits unsere Lebensverhältnisse immer komplexer, nichts lässt sich mehr isoliert betrachten oder für sich alleine lösen. "Das Problem muss international angegangen werden", ist einer der Standardsätze der heutigen Politik. "Alles hängt mit allem zusammen", das der Wissenschaft. Mit einem Satz: die Welt wird zu einer Einheit. (Franz-Johannes Litsch, Umweltforscher Berlin).
Ist „Globalisierung wirklich nur das? Oder – wie der zeitgenössische Philosoph
Peter Sloterdijk kühl postuliert: Wird da nicht „… die Debatte über die Globalisierung fast exklusiv als Selbstgespräch der Wohlstandszonen geführt“ im „kapitalistischen Weltinnenraum“ jenes Drittels der Weltbevölkerung, die er als „Wohlstandsgewinnler“ und „Kaufkraftbesitzer“ identifiziert? Kurz: Wie sieht die soziale, die gesellschafts-politische Dimension der Globalisierung aus?
Und die ökologische? Was verträgt dieser Globus, unser Planet, seine Ozeane und seine Biosphäre noch an Klimabelastung, an Ausbeutung seiner Ressourcen Energie und Süßwasser und anderer Vorräte, an globalem Bevölkerungswachstum mit allen damit verknüpften Konfliktrisiken?
Globale Existenzfragen, mit denen sich etwa das „Forum für Verantwortung“ (Stifter: Klaus Wiegandt), das Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC), der Rat für nachhaltige Entwicklung oder das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie nachhaltig wissenschaftlich befassen.
Sind die eigentlichen Themen der Globalisierung aus
weltpolitischer Sicht nicht „… die Rettung der Erde vor ihrer Überhitzung; die Einführung einer humanen, gerechten, ordentlichen, demokratischen, nachprüfbaren Weltwirtschaft; die Verringerung der globalen Ungleichheit von Armut; die Antwort auf die Nöte bei der Umsetzung der Menschenrechte und Völkermorde; und natürlich das Verhindern der Weitergabe von Kenwaffen und der Abbau der vorhandenen Bombenarsenale?“ (Jonathan Schell). Offene Überlebensfragen für unser Existenz und die unserer Kinder auf diesem verletzlichen blauen Globus. Und es ist wohl so:
Bei allen Widersprüchen um die Visionen und die Gefahren der Globalisierung geht es letztlich um die
Zukunft m i t der Globalisierung. Wir können sie heute mitgestalten. Auch darauf wollen wir mit dieser 33. LernCafe-Ausgabe aufmerksam machen, Nachdenklichkeit provozieren und Denkanregungen geben.
HELMUT DOERFLER
CLEMENS THELEN