AusdruckenLernCafe 33 vom 1. März 2006: "Globalisierung"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
http://www.lerncafe.deInterview mit Klaus Wiegandt
Stifter des Forums für Verantwortung - Stiftung für wissenschaftliche nachberufliche Bildung
(Druckversion)
Helmut K. Doerfler
E-Mail: publicmarketing@arcor.de
Berufswechsel
Klaus Wiegandt, einer der Herausgeber des in dieser Globalisierungs-Ausgabe von LernCafe vorgestellten Buches "Die Zukunft der Erde" war bis zu seinem 60. Lebensjahr Manager in Top-Positionen, zuletzt Vorstandsvorsitzender (CEO) des internationalen Handelskonzerns METRO AG. Danach gründete er die Stiftung "Forum für Verantwortung - Stiftung für wissenschaftliche und nachberufliche Bildung", die in den letzten Jahren mit renommierte Kolloquien führender internationaler Wissenschaftlern zu natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Themen auf sich aufmerksam machte. Wir wollten wissen: Was veranlasst einen so erfolgreichen Unternehmensführer zu einem derartigen "Berufswechsel" im Alter. Hier unsere Fragen und seine Antworten.
Schwerpunkte?
LernCafe: Im März erscheint das von Ihnen und Professor Ernst Peter Fischer herausgegebene Buch "Die Zukunft der Erde. Was verträgt unser Planet noch?". Basis der Veröffentlichung ist ein gleichnamiges Kolloquium Ihrer Stiftung "Forum für Verantwortung - Stiftung für wissenschaftliche und nachberufliche Bildung" von vergangenem Jahr. Kernprobleme sind aus Ihrer Sicht in diesem Kontext: Die absehbar fortschreitende globale Bevölkerungsexplosion, vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern, die aktuelle globale Energieverschwendung und die eng damit verbundene Klimabedrohung und die exzessive Verschwendung der übrigen, endlichen Ressourcen unseres Planeten. Sie plädieren für mehr gezielte Forschung zu diesen existenziellen Zukunftsproblemen. Wo müssen da konkret die Schwerpunkte gesetzt werden?
Vorsorgepolitik
Klaus Wiegandt: Im Bereich der Energie geht es um Forschung im weitesten Sinne: Energieeffizienz, Energieeinsparung, erneuerbare Energien und Kernfusion.
Im Bereich der übrigen Ressourcen geht es um eine Dematerialisierung der Wirtschaft. Wissenschaftler zeigen auf, dass wir um einen Faktor 10 unseren Materialeinsatz verringern und Produkte mit vergleichbarer Qualität produzieren zu können.
Hier bedarf es weiterer intensiver Forschung, denn neben dem verantwortungsvolleren Umgang mit unseren endlichen Ressourcen ist eine Steigerung der Ressourcenproduktivität gleichzeitig "eine sichere Basis für Vorsorgepolitik als das sich ständig ändernde Wissen über Wirkungsketten in der Natur und die Umweltgiftigkeit von Materialien" (Schmidt-Bleek).
Breitenwirkung?
LernCafe: Sie argumentieren: Forschung allein reicht nicht aus. Wir müssen heraus aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm. Es geht um die Information und Mobilisierung der Zivilgesellschaft und darum, mehr Problembewusstsein bei großen Bevölkerungsgruppen in unserer Gesellschaft zu erzeugen. Wie soll diese Breitenwirkung zu Stande kommen? Und: Was will Ihre Stiftung damit in der Öffentlichkeit bewegen und politisch in Gang setzen?
Bildung
Klaus Wiegandt: Um breite Schichten der Zivilgesellschaft für eine nachhaltige Entwicklung zu gewinnen, bedarf es m. E. wesentlich mehr allgemeinverständliche wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema.
Das ist der erste Ansatzpunkt meiner Stiftung. Darüber hinaus müssen für bestimmte Zielgruppen (Schulen, Universitäten, Führungskräfte der Wirtschaft, Multiplikatoren im dritten Lebensabschnitt) Bildungsprogramme entwickelt und umgesetzt werden, Zum Teil wird hieran schon länger gearbeitet, - z.B. vom Wuppertal Institut für Klima, Energie & Umwelt, das Bildungsprogramme für Nachhaltigkeit für Schulen entwickelt hat.
Hier wird für meine Stiftung in Zusammenarbeit mit der ASKO EUROPA-STIFTUNG (Saarbrücken) ein zukünftiger Schwerpunkt meiner Stiftungsaktivitäten liegen.
Drittes Lebensalter
LernCafe: Die Stiftung "Forum der Verantwortung" ermuntert explizit Zeitgenossen im dritten Lebensalter, ihr wissenschaftliches Wissen aufzufrischen und zu vertiefen. Wie lautet Ihre Botschaft an diese "nachberufliche Altersgruppe"? Welche Rolle soll sie in unserer Gesellschaft übernehmen?
Klaus Wiegandt: Für Menschen im dritten Lebensabschnitt ist die Frage nach der Zukunft der Erde bzw. der Menschheit von ganz besonderem Interesse. Sie können mit ihrer jahrzehntelangen Berufs- und Lebenserfahrung überzeugend argumentieren, wie bedeutsam die vor uns liegenden Herausforderungen sind, um bessere Lebensqualität für alle Menschen auf unserem Planeten langfristig anzustreben und gleichzeitig einen Kollaps unverzichtbarer Lebenserhaltungssysteme der Erde zu verhindern.
Herausforderungen
LernCafe: Sie selbst haben mit 60 Jahren ihre Tätigkeit als Topmanager der Wirtschaft beendet und engagieren sich jetzt intensiv für Wissenschafts- und Bildungsthemen. Was hat Sie persönlich veranlasst, diese Stiftung zu gründen und jetzt mit international renommierten Natur- und Geisteswissenschaftlern interdisziplinäre Kolloquien zu so vielfältigen Grundfragen unserer Zeit zu veranstalten?
Klaus Wiegandt: In den letzten zehn Jahren meiner beruflichen Tätigkeit wurde mir immer bewusster, welch große Herausforderungen auf die Menschen zukommen. Damit wollte ich mich selbst auf wissenschaftlichem Niveau auseinandersetzen und gleichzeitig einem größeren Kreis Interessierter - vor allem Menschen im dritten Lebensabschnitt - mit einbeziehen. Das konnte und wollte ich nicht als Nebenbeschäftigung betrachten.
Das Interview mit Klaus Wiegandt führte Helmut K. Doerfler, Senior-Online-Redakteur.
Lesen Sie auch den Beitrag zu K. Wiegandts Buch "Die Zukunft der Erde" in diesem LernCafe, Rubrik CD-ROMs und Bücher.