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LernCafe 33 vom 1. März 2006: "Globalisierung"
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
http://www.lerncafe.de

Cross-Border-
Leasing

Abwasser zu Gold machen?
(Druckversion)


Herbert Elsner
E-Mail: Elsner.Herbert@t-online.de

Vorbemerkung
Der nachfolgende Beitrag stellt aus Webangeboten Möglichkeiten und Gefahren eines globalisierten Finanzgebarens zusammen. Mehr als 150 deutsche Städte haben sich am so genannten "Cross-Border-Leasing (CBL)" beteiligt. Die Stadtväter sind anscheinend zufrieden - Globalisierungsgegner protestieren gegen diese Art der Finanzierung der Gemeindekassen. Immerhin sind namhafte Städte wie Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Magdeburg, Nürnberg, Ulm u.v.a. in diese Geldgeschäfte eingestiegen. Mit Erfolg?

Mietzauber
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie sind Eigentümer eines Eigenheimes und benötigen dringend Geld. Da kommt ein anderer, sagen wir ein Österreicher und schlägt ihnen vor, Ihr Haus für 99 Jahre zu mieten. Gleichzeitig vermietet er es ihnen zurück für 30 Jahre mit der Option, dass sie die Restschuld nach dieser Zeit begleichen können. Wegen unterschiedlicher Steuergesetzgebung - sagt er - können sie jetzt beide das Haus als Eigentümer von der Steuer absetzen. Gleichzeitig verspricht er Ihnen, die Steuerersparnis seines Landes mit Ihnen zu teilen und Ihnen einen Betrag von 10.000€ zu überweisen.
Richtig, Sie sagen, das ist doch sittenwidrig, Betrug am Steuerzahler - und lehnen dankend ab. Aber so ähnlich funktioniert CBL.

CBL
Seit 1999 bis 2003 haben über 150 Kommunen wegen ihrer Finanznot mit amerikanischen Firmen "Millionengeschäfte" durch Vermietung ihres Gemeindeeigentums gemacht. Durch Cross-Border-Leasing = "über Kreuz Vermietung über Grenzen" konnten sie vorübergehend ihre Haushalte aufbessern. Wie funktioniert die wundersame Geldvermehrung?
Beim CBL vereinbart eine Stadt mit einem (meistens) US-Investor eine Leasing -Transaktion für geeignete technische Anlagen wie Abwasseranlagen, Klärwerke, Trinkwassersysteme, Müllverbrennungsanlagen oder andere kommunale Einrichtungen. Diese werden für bis zu 100 Jahre vermietet und sogleich wieder für eine kürzeren Zeitraum (meist 24-30 Jahre) zurückgemietet. Ziel ist es, Steuern zu sparen bzw. zu vermeiden.

Vertragswesen
Die dafür notwendigen Verträge haben einen Umfang von 400 bis 1700 Seiten und sind ausschließlich in englischer Sprache abgefasst. Die jeweiligen Gemeindemitglieder haben in der Regel eine deutlich reduzierte Grundfassung des Vertrages erhalten. Die genauen Konditionen kannten sie zumeist nicht. Gerichtsstand bei Rechtsstreitigkeiten ist meistens New York, es gilt dann das amerikanische Recht. Bei Fragestellungen bezüglich der Rechte und Pflichten muss der Leasingnehmer amerikanische Anwälte einschalten. Sehr anschaulich wird dies in der Online-Enzyklopädie wikipedia unter dem Stichwort "Cross-Border-Leasing" erläutert. Eine CBL-Beraterfirma hat sich darauf spezialisiert, den Kommunen Hilfe zu leisten.

Risiken / Kosten
Globalisierungsgegner sind dagegen Sturm gelaufen. Sie argumentieren, dass die Risiken dieser Verträge erheblich sind, insbesondere wegen der langen Laufzeiten. Die Kommunen müssen die "verleasten" Objekte über die gesamte Rückmietzeit betreiben (24-30 Jahre). Wer kann aber wissen, ob in dieser Zeit die Kapazitäten der Müllverbrennungsanlagen überhaupt noch benötigt werden oder ob die Abwassernetze oder Kläranlagen in 30 Jahren noch dem Stand der Technologie genügen?
Die Kosten für die Anwaltskanzleien und die Provisionen für Vermittler sind enorm und fallen auch dann an, wenn die Kommunen vorzeitig vor dem Vertragsabschluss aussteigen. So musste die Stadt Aachen über 9 Millionen € nach dem Scheitern von Vorverhandlungen zahlen.

Renditen
Die Renditen entstehen aus Verlusten des US-amerikanischen Fiskus und werden somit vom amerikanischen Steuerzahler finanziert. Zwar haben die deutschen Kommunen für ihre Transaktionen zunächst viel Geld kassiert (oft in zweistelliger Millionenhöhe) und damit z.T. Haushaltslöcher gestopft, aber ein eventueller Schaden ist noch nicht absehbar. Mögliche Gefahren liegen in der mangelnden Vertragseinsicht, Änderungen der Steuergesetzgebung, Konkursverfahren ausländischer Vertragsparteien etc. Diese Gefahren sind bei den Globalisierungsgegnern attac in einer Pressemitteilung, die auf deren Website abgerufen werden kann, recht anschaulich aufgeführt.

Sachstand / Fazit
2004 wurden in den USA die Steuergesetze geändert und mit dem "America Jobs Creation Act from 2004" wurden neue CBL-Verträge damit verboten. 2005 hat die amerikanische Finanzverwaltung festgelegt, dass die bisherigen Leasingtransaktionen als Steuerumgehung anzusehen sind. Die Folgen daraus sind - auch für die deutschen Kommunen - noch nicht abzuschätzen.
Aus heutiger Sicht erscheint es unglaublich, dass die Kommunen bereit waren, für das schnelle Geld z.T. dreißigjährige Bindungen einzugehen. Die Kommunen versuchen nun, aus dieser unguten Situation herauszukommen bzw. Schuldige zu finden. Das gesunde Misstrauen des Bürgers (s. Kapitel Mietzauber) hat den Gemeindevertretern offensichtlich gefehlt.

Links
Website der Bürgerinitiative "Stuttgarter Wasserforum" zum CBL in Stuttgart:
www.s-wlw.de
Internetseite einer Beratungsfirma, die die kommunalen Interessen vertreten will:
www.uslease.de
Stellungnahme/Pressemitteilung der Globalisierungskritiker attac zum CBL:
www.attac.de/aktuell/presse/presse_ausgabe.php?id=334
Hier findet man Hintergrundinformationen und weitere Beispiele für Kommunen, die CBL-Projekte abgeschlossen haben:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hauptseite