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Als Antiquar im Internet
3 Jahre Erfahrung
(Druckversion)
Jürgen Aschoff
Einführung
Vor 3 Jahren startete ein von meiner Frau und mir in den Abendstunden meist bis spät in die Nachthinein
betriebenes Antiquariats im Internet. Seitdem hat sich im Internet so vieles unglaublich weiterentwickelt,
daß ich Ihnen mehr über die gigantischen Möglichkeiten erzählen möchte, die in der Buchbeschaffung durch
"Globalisierung" und Internet Realität geworden sind, speziell für nicht mehr im Buchhandel verfügbare Bücher.
Größenordnungen
Um Ihnen zum Einstieg etwas von Größenordnungen zu vermitteln: In einer mittleren bis größeren Buchhandlung,
etwa in Ulm, sind ständig etwa 70.000 verschiedene Buchtitel verfügbar. Die Ulmer Universitätsbibliothek hat
etwa 400000 Bücher in ihren Regalen. Ich selbst habe in meinem Antiquariat im Keller lediglich nur gut
5000 Bücher gelagert, aber - ich bin Teil des deutschen Antiquariatsnetzes (ZVAB), über das auf einer
einzigen Internet-Web-Seite Zugriff zu mehreren Hundert Antiquariaten mit etwa 1,5 Mio. nicht mehr
im Buchhandel verfügbaren Bücher möglich ist. Zudem bin ich auch Teil eines amerikanischen Antiquariatsnetzes
(American Book Exchange), das wiederum mit anderen Antiquariatsnetzen zusammengeschlossen auf dem berühmten
"Bookfinder.com" über 15 Mio. antiquarische Bücher von etwa 1500 Antiquariaten verwaltet, auf einer einzigen
Web-Seite!
Bücher I
Worin liegt der Reiz einer Beschäftigung als Internet-Antiquar? Zum einen in der Beschäftigung mit
"schönen" Büchern. Dazu eine kleine Bemerkung am Rande: Die schönsten Bücher in Deutschland wurden in den
Zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts gedruckt, nach Einband, Ausstattung, Schrifttype einwandfrei und
jedes Buch ein Genuß, liebevoll, individuell gestaltet. Für einen Bibliophilen oder gar Bibliomanen sind
diese Bücher der Zwanziger Jahre, die im Anschluß an den Ersten Weltkrieg entstanden, ein fast sinnlich-erotischer
Genuß, wie etwa die Erstausgaben eines Roda Roda, Karl Kraus, Arno Holz, Stephan Zweig oder Joseph Roth. Doch
diese Zwanziger Jahre führten hinüber in den Zweiten Weltkrieg.
Bücher II
Die dann Ende der Vierziger und Anfang der Fünfziger Jahre im Anschluß an den Zweiten Weltkrieg
entstandenen Bücher wirken von der Aufmachung her flach, banal, billig, und sind schlecht gedruckt.
Erstausgaben z.B. einer Anna Seghers oder Luise Rinser, eines Max Frisch, Reinhold Schneider oder
Alfred Döblin aus dieser Zeit lassen von der Sinnlichkeit des Buches her das Herz nicht höher schlagen.
Ob ihr Inhalt wertvoller war und die äußere Form unbedeutend, das will ich nicht beurteilen.
Internet
Die andere Motivation ist es die intellektuelle Herausforderung, über dieses globale Netz des Internets mit
wenigen Handgriffen scheinbar nahezu jeden Wunsch nach einem Buch erfüllen zu können, ob es nun vor 300 Jahren
gedruckt wurde - oder erst vor 5 Jahren, aber schon nicht mehr im Handel greifbar ist. Aber so einfach wie
es klingt, und so einfach tatsächlich die Technik zu beherrschen ist, so schwierig gestaltet sich
manchmal die Realität! Trotz dieser riesigen Mengen an verfügbaren Büchern, die insgesamt einen Umfang
von etwa 20 Mio. vergriffenen und antiquarischen Büchern beinhaltet sind noch immer tausende von Büchern
gesucht, gewünscht und dennoch momentan nicht greifbar. Vielleicht morgen? In zwei Wochen? In zwei Jahren?
Buchkauf
Während Amerika sicher führend ist, Deutschland aber mit dem ZVAB eine gewaltige Leistung vollbracht hat,
gibt es eine ähnliche Antiquariats-Datenbank auch übrigens gemeinsam für die Niederlande und Belgien
(www.antiqbook.com), erstaunlicherweise aber nicht in Frankreich, auch nicht in Italien.
Im vergangenen Jahr ist eine weitere großartige Möglichkeit hinzugekommen, Bücher billigst
einzukaufen: die Internet-Auktionshäuser. Führend in Deutschland ist Ebay (www.ebay.de ), mit vielen
Büchern für DM 1 und 2, und einem Bestand von insgesamt etwa 50000 Büchern. Tendenz steigend! So habe
ich z.B. vor 3 Wochen bei ebay ein Buch für DM 10 ersteigert: Müller, Apostle of China, New York 1937,
und gestern für DM 120 nach USA verkauft.
Gewinne
Lohnt sich also so ein Internet-Antiquariat auch finanziell? Kann man daraus ein Geschäft machen, oder gar
davon leben? Ein auf dem Flohmarkt für DM 2,-- gekauftes Buch läßt sich fast immer zwischen DM 10 und DM 20
wieder weiterverkaufen. Dieser Mehrwert ist gerechtfertigt durch das Aufnehmen in den eigenen Computer,
die Zustandsbeschreibung und bibliographische Bewertung des Buches, und letztlich das Aufspielen auf den
Antiquariatserver in Berlin (ABE) (zu Monatsgebühren von jeweils etwa DM 80,--) und in den USA. Ist das Buch
erst einmal im Internet verfügbar, macht es keine weitere Arbeit, sondern kann dort eine Woche, einen Monat
oder auch zehn Jahre liegen, irgendwann wird es bestellt werden, denn "ist das Buch auch noch so dumm, es
findet doch sein Publikum".
Schnäppchen
Mein größter Hit? In Leipzig vor 2 Jahren auf einem Flohmarkt bei Eiseskälte morgens um 8.00 Uhr einen
Otto Willi Gail, Erstausgabe von "Der Schuß ins All" von 1928 für DM 1,-- gekauft, am Abend von Ulm aus
per e-mail einem Sammler in New York angeboten und am nächsten Tag für DM 140,-- nach Amerika weiterverkauft.
Aber das war ein einmaliges Ereignis und ist extreme Ausnahme. Doch immer wieder findet man auf Flohmärkten
auch seltene Bücher - allerdings oft in zerfleddertem Zustand, und damit unverkäuflich! Hier lohnt sich,
wenn der Einband noch erkennbar erhalten ist, der Billigstkauf, und anschließend die bibliophile
Restaurierung durch den Buchbinder. Das mag an die DM 50,-- kosten, ein seltenes Buch läßt sich gut
restauriert aber später für um die DM 100,-- weiterverkaufen.
Kosten
Bei einer ehrlichen Rechnung fallen somit auch in einem Internet-Antiquariat natürlich Kosten an;
vorrangig ist zudem zu überlegen, wo sich in Wohnung oder Keller noch Platz auftreiben läßt zur
physikalischen Unterbringung der Bücher. Ein Bestand von 2000 Büchern reicht für das Hobby aus, mit
5000 ist man schon ein echter kleiner Antiquar und mit 10000 Büchern wäre man fast hauptberuflich
in diesem Geschäft tätig. Doch schon 2000 Bücher erfordern eine ganze Menge physikalischen Platz,
nicht im Rechner, aber im Bücherschrank. Natürlich braucht man einen Computer, eine Datenbank, ein
Programm zum Rechnungschreiben, Umsatzsteuer- und Mehrwertsteuerausweisung. Sodann Briefpapier,
Verpackungspapier und fast tägliche Gänge zum Postamt. Erstaunlich, wie sensibel die Internetkundschaft
auf die Porto- und Verpackungskosten reagiert, das man schon mit 50 Pfennig zuviel Portokosten potentielle
Besteller und Käufer abschrecken kann.
5 Tipps für Nachahmer
Nach 3 Jahren Internet-Antiquariat möchte ich für potentielle Nachahmer fünf goldene Regeln aufstellen,
und fünf ärgerliche Fallstricke formulieren:
Fünf Ärgernisse
Links
Ein umfassenden Überblick über weitere Antiquariate in Deutschland mit sehr guter Suchmaschine
http:// www.ZAVB.com
Tipps für antiquarische Bücher in anderen Sprachen (überwiegend englischsprachige)
http://www.bookfinder.com und http://www.alibris.com
Versteigerungen im Internet - Bücher und vieles andere: http://www.ebay.de in einen neuen Fenster