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Fraueninternetkrimi - ein gescheitertes Projekt?
(Druckversion)
Margit Huber M.A.
Margit.E.Huber@t-online.de
Einführung
In kollektiver Autorinnenschaft stellten literarisch interessierte Frauen zwischen 1997 und 1998 ihre Kreativität unter Beweis. Mit Spielregeln und Anleitung zum Mitschreiben an einem Online-Krimi luden sie alle interessierten Frauen ein, einen gemeinsamen Krimi nach Lust und Können zu verfassen. Die ersten "Seiten" des Krimis wurden als Vorlage ins Internet gestellt. Den Intitiatorinnen ging es unter anderem um den Versuch, ob ein literarisches Werk in kollektiver Autorinnenschaft online überhaupt machbar und nicht zuletzt auch lesbar ist.
Das Projekt
Die Grundlage der Kriminalgeschichte bildet eine typisierende Beschreibung von zehn verfügbaren Romanfiguren. Dieser einheitliche Entwurf, geliefert von der Hamburger Autorin Sonja Chevalier, alias Sonja Lasserre, sollte garantieren, dass die Handlung sich nicht in Nebenhandlungen verliert. Zusätzlich betreute anfänglich eine kleine Gruppe von Frauen regelmäßig ihre Lieblingsfiguren und lieferte auch Beiträge zur Handlung. Fern von völliger Beliebigkeit soll der vorgegebene Rahmen dazu ermutigen, mitzumachen und Phantasie und Kreativität freien Lauf zu lassen. Durch Anknüpfen an dem bereits geschriebenen Inhalt kann jede neu hinzugekommene Mitautorin durch Hinzufügen neuer überraschender Wendungen das Krimigeschehen spannend mitgestalten. Die Aufforderung "Beteiligt euch!" ergeht nach wie vor an alle Besucherinnen der Seite.
Die Verwirklichung
Die Story beginnt ganz harmlos im Frauenbuchladen, wo drei Hauptfiguren vorgestellt werden, Nele, Lydia und Kerstin. Man erfährt, dass die ersten beiden im Frauenkollektiv den Buchladen betreuen und um die Erfüllung des Umsatzsolls bangen. Es gibt Ärger, weil der Kartenvorverkauf für den großen Frauenball - eine erhoffte Einnahmequelle - wegen angeblich unzuverlässiger Abrechung im Vorjahr, heuer nicht im Frauenbuchladen, sondern in der Kneipe stattfindet. Lydia vermutet als Drahtzieherin hinter dieser unpopulären Maßnahme die geschäftstüchtige aber unsolidarische Elke Singmann.
Die zweite Szene konfrontiert die Leser mit dem rätselhaften Tatbestand: Auf dem großen Frauenball wird in der Damentoilette die Leiche der Elke Singmann mit zertrümmertem Schädel aufgefunden.
In bisher 35 Kurzkapiteln, entstanden in Co-Autorinnenschaft von 14 Frauen, wird die Handlung weitergeführt. Allerdings ist bleibt nicht nur die Lösung des Falls im Dunklen, sondern auch die Frage: Warum endet der letzte Beitrag mit Datum vom 26.7.1998?
Das Betreuungsproblem
Diskussionsbeiträgen im Forum ist zu entnehmen, dass zwei gravierende Probleme bereits im Dezember 1997 zum Stillstand des Schreibprozesses führten.
Zum einen fühlten sich die Mitautorinnen überfordert mit der Vielfalt an Personen und Handlungssträngen, die innerhalb der ersten Phase entstanden war. Ein Missverständnis hatte dazu geführt, dass jede der Mitautorinnen sich zur Erfindung einer neuen Romanfigur verpflichtet fühlte.
Die Betreuerinnen wurden um Hilfe gebeten, um die Verstrickung aufzulösen. Hier kommt das zweite, gewichtigere Problem zum Tragen:
Wegen Zeitmangels konnte sich die studierende Betreuerin dem Projekt nicht mehr widmen. Zusätzliche Unsicherheit und Unlust stellten sich ein, als auch die Autorin für die Mitschreibenden nicht erreichbar war und keine Rückmeldungen auf neue Beiträge mehr erfolgten. So endete das hoffnungsvolle und durchaus spannende Projekt vorläufig mit dem 35 Kurzkapitel am 26. Juli 1998, im Alter von 14 Monaten.
Wiederbelebungsversuche blieben bisher leider ohne Reaktion.
Forum
Speziell für diesen Internetkrimi wurde auch ein Diskussionsforum eingerichtet, das über den Button "diskutieren" erreichbar ist. Beim Durchforsten der 79 Einträge, die zwischen 16.5.1997 und 26.7.1998 gesendet worden sind, findet sich im letzten Viertel die aufschlussreiche Erklärung für die Stagnation der Story. Ob der Machbarkeitstest für den Online-Roman in kollektiver Autorinnenschaft negativ ausfallen muss, kann sicher nur im Vergleich mit anderen, gelungenen Projekten dieser Art, entschieden werden.
Links
Unter der Adresse http://www.internetfrauen.w4w.net/krimi/ kann man über Buttons sämtliche Bereiche anwählen, die den Fraueninternetkrimi betreffen.