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Rückblick: Die Gruppe 47
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Angelika Wecker

Wer oder was ist die Gruppe 47?
Hans Magnus Enzensberger nannte die Gruppe 47 einmal das "Zentralcafé einer Literatur ohne Hauptstadt". (Hans Werner Richter (Hrsg.). Almanach der Gruppe 47. Rowohlt, Reinbek 1962. S. 271) Sie war das Forum für literarische Diskussion und Kommunikation sowie gesellschaftliche Reflexion in zwanzig Jahren Nachkriegsdeutschland. Ihre Debatten-, Streit- und Diskussionskultur ist auch nach ihrem Ende in der literarischen Szene noch spürbar: beim Klagenfurter Bachmann-Preis etwa, dem jungen Berliner Literaturpreis oder dem Deutschen Literaturfonds in Darmstadt.

Die Gründung
Die Planungsphase des SKORPION legte den Grundstein für die Gruppen- und Diskussionsrituale in der Gruppe 47 (Eberhard Falcke in: Funkkolleg Literarische Moderne. Studienbrief 7. Deutsches Institut für Fernstudienforschung (DIFF), Universität Tübingen 1994. S. 21/7): "Man traf sich, die Autoren lasen ihre Texte, und man diskutierte darüber. Die erste Tagung fiel auf den 10. September 1947. Schauplatz war das Haus der Schriftstellerin Ilse Schneider-Lengyel am Bannwaldsee bei Füssen. Die Anregung für die Wahl des Gruppennamens kam von der spanischen Gruppe 98, die sich nach dem verlorenen Krieg Spaniens gegen die USA im Jahre 1898 eine Erneuerung der Literatur und Gesellschaft in Spanien zum Ziel gesetzt hatte." 
(Jérôme Vaillant. Der Ruf. Unabhängige Blätter der jungen Generation (1945-49). Deutscher Taschenbuchverlag 1978.) 

Die Inhalte
Der Gruppe ging es um einen Neuanfang der Gesellschaft, der Politik und damit auch der Sprache. Sie wollte "der Sprachzerstörung entgegentreten, welche die Nationalsozialisten durch Lüge, Propaganda und Pathos bewirkt hatten. Die Mittel dafür sollten Einfachheit und und sachliche Wahrhaftigkeit sein." (Funkkolleg, ebda., S. 21/8). Die Literatur der Weimarer 
Republik, die Exilliteratur, wollte man nicht wiederholen, ebenso lehnte die Gruppe die Literaten der Inneren Emigration (z. B. Ernst Kreuder und Ernst Jünger) ab. Andere Vertreter der Exilliteratur - so Erich Fried und Wolfgang Hildesheimer - gehörten bald "dazu". 
Wolfgang Weyrauch prägte 1949 den Begriff "Kahlschlagliteratur", der die äußere und innere Leere in der Nachkriegsgesellschaft beschreibt und dies auch als die Aufgabe und Mission der Literatur ansieht. Als das Ende der Kahlschlagliteratur sieht Walter Jens die Tagung der Siebenundvierziger 1952 in Niendorf an. (Walter Jens. Deutsche Literatur der Gegenwart. Themen, Stile, Tendenzen. München 1961. S. 129 ff.)

Entwicklungsstufen
Friedhelm Kröll erkennt vier Entwicklungsphasen der Gruppe 47 (F. Kröll. Die Gruppe 47. Stuttgart 1979):
 · die Konstitutionsperiode der ersten drei Jahre. Sie war geprägt durch literarischen Werkstattcharakter und kollegiale Arbeitskritik unter Schriftstellern; 
 · die Aufstiegsperiode von 1950 bis 1957, in der die Gruppe literarisch meinungsführend wurde und die Kollegenkritik von der professionellen Literaturkritik verdrängt wurde; 
 · die Hochperiode der Jahre 1958 bis 1963 mit der Entwicklung zu einer literarisch-kulturellen Institution, in der man sicher war, den Anschluß an die Weltliteratur wieder geleistet zu haben; 
 · die Spätperiode und Zerfall zwischen 1964 und 1967, als die Gruppe in ihren Schematismen erstarrte, überflüssig wurde und auf neue Entwicklungen nicht mehr angemessen reagieren konnte. ( Zitiert nach Falcke, a. a. O. S. 21/15) 

Mitglieder der Gruppe 47
Ilse Aichinger Walter Kolbenhoff
Alfred Andersch  Karl Krolow
Ingeborg Bachmann  Siegfried Lenz
Jürgen Becker Jakov Lind
Heinrich Böll Hans Mayer
Johannes Bobrowski Ivan Nagel
Nicolas Born Fritz Joachim Raddatz
Paul Celan Marcel Reich-Ranicki
Günter Eich Ruth Rehmann
Hans Magnus Enzensberger Hans Werner Richter
Hubert Fichte Toni Richter
Heinz Friedrich Klaus Roehler
Günter Grass Peter Rühmkorf
Walter Maria Guggenheimer Hans Sahl
Peter Handke Arno Schmidt
Helmut Heissenbüttel Ilse Schneider-Lengyel
Wolfgang Hildesheimer Wolfdietrich Schnurre
Gustav René Hocke Peter Weiss
Walter Höllerer Dieter Wellershoff
Walter Jens Wolfgang Weyrauch
Uwe Johnson Ror Wolf
Joachim Kaiser Hellmuth Karasek
Wolfgang Koeppen u. a.

Das Ende
Die Gruppe 47 war fester Bestandteil des bundesdeutschen Literaturbetriebs geworden; für ihre Mitglieder, so lose oder fest ihr Verhältnis zur Gruppe auch gewesen sein mag, war sie häufig zumindest der Anfang der Berufsliteratenschaft, damit Werbeträger und -forum, Marktplatz für ihre Publikationen, auch Marktplatz der Eitelkeiten.
War die Gruppe 47 stets darauf bedacht gewesen mit Zurückhaltung und möglichst neutral und bescheiden Gesellschaftliches und Individuelles zu beschreiben, so war nunmehr, kurz vor der Studentenrevolution 1968, Distanz und Heraushalten nicht mehr gefragt. Einmischung und dezidierte politische Stellungnahme waren erwünscht. Dies entsprach nicht mehr dem Gruppenkodex. So kam es 1967 zum endgültigen Bruch auf der Pulvermühle in Waischenfeld. 

Die Gruppe 47 im Internet
Das Internet bietet Ihnen eine Fülle von Links zum Thema Gruppe 47: Treffpunkte der Gruppe, neue und alte Bücher - Primär- und Sekundärliteratur - Archive und Bibliotheksbestände. Sie brauchen lediglich den Eigennamen "Gruppe 47" in eine Suchmaschine einzugeben.
Mittels der Ergebnisse folgen Sie den Spuren zunächst einmal virtuell und online. 
Einige Links, die Ihnen den Anfang erleichtern, finden Sie am Ende dieses Artikels.

Die Gruppe 47 auf Ihrem Schreibtisch
Wenn Sie dann genug Informationen gefunden haben, führt der nächste Weg in eine Buchhandlung oder eine Bibliothek, denn das Wichtigste ist immer noch die Beschäftigung mit der Primärliteratur. Der überwiegende Teil der Literatur der Gruppe 47 und über die Gruppe 47 ist auch als Taschenbuch erhältlich.

Linkhinweise
Was war die Gruppe 47 ? Wie entstand sie? Wer war die Gruppe 47?
Warum hat sie sich aufgelöst? Ein kurzer Überblick zu diesen Fragen hier
http://www.u.arizona.edu/~diers/gruppe47.html

"So etwas hatte es in der Geschichte des Bayreuther Landes noch nicht gegeben: Gleich ein paar Dutzend Dichter und Schriftsteller - unter ihnen die berühmtesten Poeten der Republik kamen an idyllischem Ort zusammen. Und doch kam kein einziger Vers auf die liebliche Gegend dabei heraus, lediglich ein satirisches Gedicht Carl Amerys mit der Oberschrift "Pulvermühlen-Komplott 1967". Ansonsten war den versammelten Dichtern leider nicht zum Dichten zumute...." mehr hier
http://www.fraenkische-schweiz.com/info/hist-gb/gruppe47.html 

"Was war das? Noch eine literarische Tagung? Oder ein ungewöhnliches Jubiläums-Treffen? Oder gar eine sonderbare Trauerfeier? Es läßt sich schwer definieren, was da am vergangenen Wochenende stattgefunden hat. Auf jeden Fall war es ein literarhistorisches Ereignis - und die wir dabei waren, wir werden es nicht vergessen...." Rückblicke auf die Gruppe 47 von Marcel Reich Ranicki Mehr hier
http://www.fulgura.de/mafia2.htm