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LernCafe
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
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"Seniorenaustausch"
Deutschland - Ägypten
(Druckversion)


Ellen Salverius-Krökel
esalverius-kroekel@t-online.de

Einführung
Also, Schüleraustausch, den kennen die meisten von uns. Kinder, Enkelkinder, oder sogar wir selber sind schon einmal in seinen Genuß gekommen. Aber Seniorenaustausch? Na klar, warum eigentlich nicht? Das kann was bringen, salopp ausgedrückt. Z.B. mit Ägypten!

Ungewöhnlich Reisen
Eine ungewöhnliche Reisegruppe machte sich im August 1999 auf zu einer ebenso ungewöhnlichen Reise nach Deutschland: fünf Seniorinnen aus der deutschen katholischen Gemeinde in Kairo, Ägypten. Eingeladen hatte der Landesverband Nordrhein des Deutschen Roten Kreuzes ins Multikulturelle Seniorenzentrum in Duisburg. Was war aber nun so unge-wöhnlich daran? Beide Gruppen, die aus Ägypten, als auch die aus Deutschland waren in ihren jeweiligen Ländern Gäste, Migranten. Die "deutsche" Gruppe aus Duisburg kam aus Ländern moslemischer Prägung und Kultur, die "ägyptische" Gruppe war aus Deutschland oder Österreich, bzw. war deutschstämmig. Allen gemeinsam war also ein langes Arbeitsleben in der Fremde - leben in einem anderen Kulturkreis, mit einem anderen religiösen Hintergrund.

Ägypten
Natürlich gab es auch einen Gegenbesuch in Ägypten. Neben dem Besichtigungsprogramm gab es aber auch viele Möglichkeiten des Austauschs, der Gespräche miteinander. Lebensgeschichten etwa: ein ehemaliger Bergarbeiter und "Ruhrpott-Kumpel", ein Erdölingenieur mit kosmopolitischer Lebensweise, ein Kunsterzieher und Künstler, zwei Hausfrauen, die Mütter von insgesamt 15 Kindern sind, eine in Alexandria geborene Deutsche, die ihr Leben der Erziehung von Kindern in "höheren Häusern" gewidmet hat, eine hier verheiratete Frau, die bei Kairo eine Webschule gegründet hat, und vier in Ägypten verheiratete Frauen. Vor allem aber sich auszutauschen, sich klar zu werden darüber, was es heißt in einer fremden Kultur jetzt auch alt zu werden.

Deutschland
Die 50er und 60er Jahre waren in Deutschland geprägt von einem hohen Bedarf an Arbeitskräfte. Befriedigt werden konnte diese durch die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte. Diese kamen zunächst mit befristeten Arbeitsverträgen, und den eigenen Vorstellungen, nur eine kurze Zeit hier zu verbringen, die Lebenssituation der eigenen Familien zu verbessern und dann wieder gen Heimat zu ziehen. Aber aus drei Jahren wurden immer mehr, die Familien zogen nach. Rund vierzig Jahre nach Beginn eines ursprünglich zeitlich geplanten Aufenthaltes stellt sich für viele dieser Menschen heute die Frage nach einer Rückkehr in die alte Heimat oder eines dauerhaften Verbleibens in Deutschland.

Lebensentwürfe
Kinder und Enkelkinder sind schon zum Teil in Deutschland geboren, haben ihre schulische und berufliche Ausbildung hier absolviert, Arbeitsplätze gefunden und eigene Familien gegründet. Zudem kennen sie häufig das Einwanderungsland Deutschland besser als die Heimat ihrer Eltern, die für sie im Laufe der Zeit zur eigentlichen Fremde geworden ist. Aber auch den Älteren wurde die alte Heimat fremd. Da bleibt nur das Pendeln zwischen Ländern und Kulturen. Heimisch sind sie in beiden Ländern. Zumal dann, wenn ihnen in der fremden Kultur die Möglichkeit geboten wurde, Wurzeln zu schlagen, sich zu integrieren. Bewiesen hat dieses Projekt, das Erfolg möglich ist. Was kann man daraus nicht alles lernen.

Lernprojekt Seniorenaustausch
Zunächst einmal kann man sicher sagen, daß die Betroffenen selbst aus ihrem Leben in der Fremde gelernt haben. Natürlich. Sie haben sich mit der eigenen Herkunft und Religion auseinandersetzen müssen. Gerade die Gespräche darüber waren besonders fruchtbar. Lebenserfahrungen von Betroffenen sind aussagekräftiger als jedes offizielle Treffen. Deutschsprachige ältere Frauen haben nach vierzig Jahren Alltag in Ägypten mehr Dialog zwischen Religionen und Kulturen geschaffen als jede Politik. Nur sollte dies auch beachtet werden. Im Rahmen dieses Projekts hat man auch das versucht: Schulklassen, Ausländerbeiräte, Vertreter von Stadt und Gemeinden, Nachbarn und Gäste haben aus diese Erfahrungen bei den verschiedensten Veranstaltungen lernen können.

Fragen
"Wie sehr darf ich mich als Deutsche in Ägypten auf die andere Kultur, auf die Familie meines ägyptischen Mannes einlassen, ohne daß ich meine Identität als Deutsche aufs Spiel setze?"
"Fühle ich mich nach 40 Jahren in Kairo nun als Ägypterin oder als Deutsche?" "Wieviel meiner heimatlichen Kultur muß ich mir bewahren, um meine (arabische oder türkische) Identität zu wahren und Deutscher sein zu können?" Geht das überhaupt? Ja, möglich ist es wohl, dafür standen die beiden Delegationen mit ihrer Lebenserfahrung ein, aber es ist anstrengend. Im allgemeinen wurden die Erzählungen der einen Gruppe von der jeweils anderen kopfnickend bestätigt: 'Ja, das kennen wir von uns genauso'.

Förderung
Der Austausch deutschsprachiger Seniorinnen aus Ägypten mit türkischen, marokkanischen und algerischen Senioren aus Deutschland mehr war als eine vergnügte Reise in die Heimat der eigenen Kultur. Das wußte im Vorhinein auch das Bundesministerium für Familie, Jugend, Frauen und Soziales, und half mit Fördergeldern im Rahmen des Internationalen Jahres der Senioren. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt von der Universität Duisburg. Die verschiedenen Berichte finden sich auf der Webseite der deutschen katholischen Gemeinde in Kairo.

Linkhinweis
Weitere Informationen zum Projekt hier:

http://www.kath.de/kasdbk/kairo/berichte/senioren2.html