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LernCafe
Online-Journal zur allgemeinen Weiterbildung
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Auf den Spuren 
Sardiniens und der Sarden
Reisen als Lernprojekt

(Druckversion)


Carmen Stadelhofer, ZAWiW
E-Mail: carmen.stadelhofer@zawiw.uni-ulm.de

Reiselust
Ältere Menschen reisen bekanntlich gerne, auch die Ulmer Seniorstudierenden. Manchmal ist es in den Sommermonaten innerhalb der verschiedenen Arbeitsgruppen "Forschendes Lernen" richtig schwierig, einen gemeinsamen Termin zu finden - die SeniorInnen schwirren überall in der Weltgeschichte umher, ob mit Bahn, Bus, Flugzeug, dem eigenen PKW oder sogar Wohnmobil, als Einzelreisende oder in Gruppen.

Begegnungen?
Die südlichen Länder - Italien, Spanien, Portugal - sind vor allem im Frühjahr beliebte Reiseziele, alle möchten ein bisschen Sonne tanken. Ob Städte, historische Orte oder Museen, der Baedecker oder ein anderes schlaues Buch ist immer in der Tasche, und manche sachkundige Führung vermittelt konzentriert Wissen und verursacht Blasen an den Füßen. Begegnungen mit Einheimischen kommen oft zu kurz, mangels Gelegenheit, mangels Kenntnisse in der betreffenden Fremdsprache, auch ein bisschen Schüchternheit spielt dabei eine Rolle.

Hintergrund
Die Arbeitsgruppe Europakontakte am ZAWiW hat sich zum Ziel gesetzt, die Begegnung und den Austausch von Seniorstudierenden aus verschiedenen Ländern Europas zu fördern, und die Gruppe geht mit gutem Beispiel voran (siehe Beitrag "Eurokontakte"). Im Mai 2000 besuchten 50 Seniorstudierende der Università della Terza Età aus Macomer/Sardinien für 5 Tage die Ulmer Seniorstudierenden, für die meisten der Gäste war es der erste Besuch in Deutschland, bzw. in einem "nördlichen" Land überhaupt. Der Kontakt zwischen den Verantwortlichen der beiden Institute entstand im Rahmen einer internationalen Tagung, und es brauchte eine Weile, die Sarden zu überzeugen, dass Ulm bzw. Deutschland eine Reise wert ist, groß waren die Vorbehalte gegenüber Wetter, Sprache, Mentalität. Als die sardischen Gäste abfuhren, waren sie begeistert von der empfangenen Gastfreundschaft und der intensiven Kommunikation in allen nur zur Verfügung stehenden Sprachen und Ausdrucksformen. Die UlmerInnen versprachen, im nächsten Jahr nach Sardinien zu kommen.

Das etwas "andere" Reisen
Nun gibt es ja mittlerweile jede Menge Anbieter für eine preisgünstige Sardinenreise, das Reisepaket fix und fertig serviert ... Schwimmen, Wandern oder historische Spurensuche, je nach Wunsch. Aber ist es nicht viel interessanter, sich auf die eigene Spurensuche zu begeben und innerlich dem Land und den Menschen zu nähern, die man besuchen möchte? 48 Ulmer Seniorstudierende, die sich nur zum Teil vorher kannten, folgten der Einladung der Leiterin des ZAWiW, sich im Sinne des selbstgesteuerten Lernens inhaltlich und seelisch auf diese Fahrt vorzubereiten. "Reise als Lernprojekt" war die Devise, jede/jeder bringt seine Kenntnisse mit ein und ist neugierig auf Neues, auch auf neue Methoden, sich ein Land, sich die Insel zu erschließen. 

Sardinien entdecken
Gemeinsames Ziel war, Sardinien in der Fülle seiner Erscheinungsformen zu entdecken, jenseits von Hochglanzbroschüren, Edelhotels an der Costa Smeralda und Gaststätten von Festlanditalienern. Neben Interesse an Geschichte, Sprache und Kultur stellten sich Fragen wie: Warum ist das Meer, d i e Attraktivität für die meisten Touristen, für "echte" Sarden so wenig von Interesse? Warum warnen sardische Küstenbewohner deutsche Touristen vor Reisen ins sardische Innerland, wenn die Insel doch nur ..........lang und.........breit ist.? Ist Sardisch ein Dialekt oder eine eigene Sprache? Sind die vielen lokalen Feste originär oder eine Verbeugung an den Tourismus? Und im Zentrum der Reise stand die Begegnung mit den sardischen Freunden aus Macomer.

Wissen nutzen
Ein Vorbereitungstag vermittelte durch Film und Vortrag eines Mitreisenden erste Eindrücke von Land und Leute, Kostproben ließen die gute sardische Küche erahnen, Kennlernrunden machten aus Einzelreisenden bald eine muntere Gemeinschaft. Arbeitsteilig wurden dann von den ReiseteilnehmerInnen zentrale Themen aus Geographie, Geschichte, Kultur etc. einzeln oder in Kleingruppen bearbeitet und die Ergebnisse in einer gemeinsamen Broschüre dokumentiert. Das eigene "Handbuch" sollte die Gruppenmitglieder auf der Fahrt begleiten, als Konzentrat wichtiger Informationen hinsichtlich der zusammen mit den sardischen Freunden ausgewählten Reiseroute. Dass sich z.B. der Architekt mit Städteplanung befasste, der Hobby-Geologe mit den Steinformationen und die Literaturliebhaberin mit sardischer belletristischer Literatur war demnach kein Zufall.

Kreativität einbringen
Was bringt man den Freunden und Gastgebern denn mit? Alle erdenklichen Ulm-Souvenirs hatten sie doch längst bei ihrem Besuch erstanden, köstliche Dinge zum Essen und Trinken haben sie selbst in Hülle und Fülle... Es wurde beschlossen, den Seniorstudierenden der Università della Terza Età in Macomer selbstgefertigte Geschenke mitzubringen, die eine Bedeutung für die gewonnene Freundschaft haben. Ideen wurden gesammelt, Kenntnisse eingebracht oder neu erworben - in Kleingruppen entstanden u.a. ein Ulm-Buch, drei wunderschön bemalte Seidentücher im Holzrahmen als Wanddekor für den neuen Konferenzraum, bemalte Springerle mit Ulm-Motiven, eine Freundschaftsdecke - beim gemeinsamen Erstellen der Geschenke lernten sich die Gruppenmitglieder näher kennen. Dies förderte den Gruppenprozeß, was sich auf der Reise sehr positiv bemerkbar machte.

Freunde treffen
Der einwöchige Aufenthalt in Sardinien im Mai 2001 brachte für die 48 UlmerInnen ein volles Kultur-Programm, auf das sie gut vorbereitet waren, viele Einblicke in das Alltagsleben der Sarden, vor allem aber drei mehrstündige Begegnungen mit den sardischen Seniorstudierenden, die für alle Beteiligten unvergeßlich bleiben werden: Gemeinsam hervorragend zubereitete sardische Spezialitäten essen, abwechselnd und gemeinsam singen und tanzen, sich mit Gesten und Wörterbuch bestens verständigen, mit allen Sinnen Freundschaft erfahren. Nachhaltig bleiben aber auch die freundschaftlichen Kontakte, die sich innerhalb der deutschen Gruppe durch die gemeinsame Reisevorbereitung und Reise entwickelt haben, ferner die Erinnerung an ein Gruppenklima, das - trotz Größe der Gruppe - geprägt war von gegenseitiger Rücksichtsnahme, Toleranz und Offenheit wie der Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, eben auf ein bißchen "anders" Reisen!

Linktip
Eine gut sortierte Linksammlung zu Sardinien befindet sich auf den Seiten des Vereins für bayrisch-sardischen Kulturaustausch Obing e.V.
http://www.gtev.obing.de/hzverei2.htm