John Williams: Stoner

Hier diskutieren wir über belletristische Bücher.
Marlis Beutel
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Re: John Williams: Stoner

Beitrag von Marlis Beutel »

Liebe Mitleserinnen,

in meinem letzten Beitrag muss es natürlich heißen, dass Williams sehr präzise beschreibt. Entschuldigung!

Viele Grüße,
Marlis
Marlis Beutel
Marlis Beutel
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Re: John Williams: Stoner

Beitrag von Marlis Beutel »

Liebe Mitleserinnen,

in meiner letzten Antwort muss es natürlich heißen, dass Williams sehr präzise beschreibt. Entschuldigung!

Viele Grüße,
Marlis
Marlis Beutel
Erna
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Re: John Williams: Stoner

Beitrag von Erna »

Liebe Marlis,
ich finde, dass ein Vergleich schon zulässig ist. Beide Romane spielen in einer ähnlichen sozialen Schicht und sind nach Angabe der Experten Entwicklungsromane. Es lassen sich schon Ähnlichkeitn feststellen. Ich empfinde die Sprache von Williams tatsächlich, vielleicht nicht als kalt, aber doch als sehr sachlich und habe das Gefühl, dass ich immer weiterlesen muss. Das hatte ich bei A. Munro nicht. Aber es ist ja gut, dass jeder Autor seine Eigenheiten hat.
Guten Abend
HildegardN
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Re: John Williams: Stoner

Beitrag von HildegardN »

Liebe Mitleserinnen,
einen Vergleich,wie er häufig angesprochen wurde, kannn und will ich hier nicht vornehmen. Die Sprache des Autors hat mir gefallen und zu einem leichten Lesen beigetragen. Ich habe dabei immer wieder an die Biografien gedacht, die ich mit viel Interesse in den letzten Jahren gelesen habe. Sie beanspruchen eine klare, ja sachliche Sprache, wie zum Beispiel auch Ernas es hier bei Stoner empfindet. Und wie Erna, habe ich den Stoner immer interessierter und auch schneller gelesen.
Gruße aus Bad Homburg, Hildegard
Erna
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Re: John Williams: Stoner

Beitrag von Erna »

So langsam nähere ich mich dem Ende des Buches, das ab der Mitte viel über das Leben an amerikanischen Universitäten erzählt. Manchmal denke ich dann, ist es bei uns nicht ähnlich?
Ebenso wie in seiner Ehe erträgt Stoner ja auch dort vieles, ohne sich zu beklagen, vielleicht auch ohne besonders davon betroffen zu sein. Erst als Lomax (sein Widersacher) sich über die Einbeziehung von Katherine, ihn zu treffen versucht, findet er den Mut sich zu wehren und erreicht damit eine gerechtere und seinem Können entprechendere Zuweisung von Seminaren. Sich zu wehren ist also doch auch nützlich.
In seiner Ehe scheint eine gewisse Gewöhnung eingetreten zu sein, denn Edith versucht nur noch vereinzelt ihn zu provozieren. Stoners Verhalten seiner Tochter gegenüber setzt mich in Erstaunen, da ich annahm, dass er sich engagierter um sie bemühen würde.
Selbst seine Krankheit verschweigt er seiner Frau, die aber davon erfährt und die kurze Zeit bis zu einem Tod sich um ihn bemüht.
Die Einflechtung von Ereignissen und Daten der Geschichte zum Geschehen des Romanes rufen eine starke Authentizität hervor.
Erna
Marlis Beutel
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Re: John Williams: Stoner

Beitrag von Marlis Beutel »

Liebe Erna,

Stoner wehrt sich gegen Lomax auf eine sehr intelligente Art und Weise, nicht grob und wütend. Das bedeutet doch auch eine Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit, also größere Reife. Er bleibt sich selbst treu bis zum Schluß.

Viele Grüße,
Marlis
Marlis Beutel
Eleonore Zorn
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Re: John Williams: Stoner

Beitrag von Eleonore Zorn »

Liebe Marlis, liebe Erna, liebe Mitleser.

Marlis, Du hast vollkommen recht, wenn Du Stoner in der Auseinandersetzung mit Lomax als "gereift" bezeichnest. Das sehe ich auch so, und das ist er ja auch im Laufe seines Lebens immer in den Angelegenheiten, die sich auf seinen Beruf beziehen.
Meine Einwände bezogen sich auf sein Verhalten in der Kindheit und Jugend und auch auf manche Situationen in seiner Ehe.
Ich wollte ja hauptsächlich herausfinden, ob das vom Autor so gewollt ist und ob der Autor diesen Stil auch in anderen Büchern beibehält.
Da ich inzwischen das zweite Buch gelesen habe (in Englisch, da Deutsch nicht erhältlich), kann ich sagen, dass der Autor sehr wohl seelische Zustände sehr feinfühlig beschreiben kann und das in dem Buch "Nothing but the Night" auch getan hat. Sein Thema ist in allen Büchern die Einsamkeit des Einzelnen inmitten von Familie und Gesellschaft. In dem Buch "Nothing but the Night" geht es auch um ein Kindheitstrauma, das sich auf die Entwicklung eines Jungen sehr blockierend auswirkt, ihn für einige Jahre fast entscheidungsunfähig macht. Als er sich endlich dem sogenannten normalen Leben wieder stellt, überkommt ihn in einer sehr persönlichen Situation die Erinnerung an dieses Trauma völlig ungeschützt und er wird durch eine brutale und unkontrollierbare Handlung für andere zur Gefahr.

Das war meinem Empfinden nach bei Stoner anders, wenn auch nicht weniger hemmend für seine Entwicklung. Er war ein "Dulder" in seiner Kindheit und blieb ein solcher in seiner Ehe. Wenn er sich z.B. das unangekündigte Umräumen und Auflösen seines Arbeitszimmers nicht hätte gefallen lassen, hätte das ihm vielleicht etwas mehr Respekt und Achtung von Seiten seiner sehr "übergriffigen" Ehefrau eingebracht. Das hätte beide in ihrer Entwicklung fördern können, denke ich.

Seine Ehefrau war anscheinend ebensowenig wie er fähig, ihre Emotionen angemessen auszudrücken. Ich versuche, mir vorzustellen, wie Stoner sich entwickelt hätte im Zusammenleben mit einer Frau mit Humor und Herzensgüte. Vielleicht hätte er sich anstecken lassen? Vielleicht wäre er geflüchtet, weil er ja nie gelernt hatte, wie man darauf reagiert?

Das Buch fand ich auf jeden Fall lesenswert, wenn mir auch einige Dinge nicht logisch in ihrer Entwicklung erschienen oder gerade deshalb. Es hat zum Nachdenken angeregt und das ist ja ein guter Effekt, über den sich sicher jeder Autor freut.

Faszinierend ist es auf jeden Fall, zu sehen, wie verschieden wir alle hier das Buch oder einzelne Teile des Buches gelesen und interpretiert haben. Wie schön, dass der Leser die Freiheit hat, das Geschriebene auf seine Weise zu erleben und zu deuten.
Dieses Risiko geht jeder Autor schon beim Schreiben ein und da er das weiß, ist er zu bewundern für seinen Mut, sich mit seinem Text dem Urteil jedes einzelnen Lesers zu stellen.

Grüße von
Eleonore aus dem sonnigen Mannheim
Marlis Beutel
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Re: John Williams: Stoner

Beitrag von Marlis Beutel »

Liebe Eleonore,

danke für die ausführlichen Informationen! Das Leben von John Williams enthielt einige Brüche, und seine (wenigen) anderen Romane wurden nicht ins Deutsche übersetzt. Für "Augustus" bekam er immerhin eine amerikanische Auszeichnung.
Hast Du den Stil in "Nothing But The Night" als anders empfunden?

Viele Grüße von der Bergstraße,
Marlis
Marlis Beutel
Eleonore Zorn
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Re: John Williams: Stoner

Beitrag von Eleonore Zorn »

Liebe Marlis,

Du fragst, ob ich den Stil in dem Buch "Nothing but the Night" als anders empfunden habe. Ja, als ganz anders. Im Buch "Stoner" verwendet J. Williams wenig "inneren Monolog", während er das in dem anderen Buch fast unentwegt tut. Es gibt auch viele Personen, die sehr ausführlich in ihren sehr speziellen Wesenszügen dargestellt werden. Das gibt es auch bei Stoner, z.B. hat man die Figur des Lomax ziemlich deutlich vor Augen. Aber in dem Buch, das ich gerade gelesen habe, wird auch sehr viel Spannung durch Andeutungen erzeugt und die Spannung löst sich erst ganz am Schluss durch die Explosion von ungeklärten Ereignissen aus der Kindheit, von denen der Leser anfangs relativ viel ahnt, aber wenig weiß. Worüber er aber immer mehr wissen möchte, je weiter die Geschichte fortschreitet. Psychologisch gesehen ist die Erzählung logischer und nachvollziehbarer.

Das Thema ist, wie gesagt, wieder ein Kind, das mit seinen Fragen an die Welt der Erwachsenen allein gelassen wird und das dann in keiner Weise vorbereitet ist auf diese Welt. Obwohl es sich in diesem Falle um ein Kind aus materiell gesicherten Verhältnissen handelt, wirken sich die unausgesprochenen Dinge, genau so nachteilig aus wie auf das Gefühlsleben von Stoner als Erwachsener.
Manches mag aber auch an der Übersetzung liegen. Im Original ist manches vielleicht klarer.

Es grüßt Dich
Eleonore
Erna
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Re: John Williams: Stoner

Beitrag von Erna »

Als besonders einfühlsam und damit lesenswert, habe ich die letzten Seiten vom Stoner-Buch empfunden - sein Sterben. Er war so mit sich und auch seinem aus der Welt Scheiden, obwohl er es sich nicht wünschte, im Einklang. dass man es als ein leises Hinübergleiten empfand. Seine Finger glitten noch über den Umschlag seines Buches bis sie diesen auch verließen.
Ich bin beeindruckt.
Erna
Eleonore Zorn
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Re: John Williams: Stoner

Beitrag von Eleonore Zorn »

Ja, liebe Erna, die Beschreibung des Sterbens von Stoner habe ich auch als sehr schön und feinfühlig empfunden.
Seine angeborene oder erworbene Schicksalsergebenheit wird da zum Segen für ihn.
Er hat ja vorher intensiv über sein Leben reflektiert und einiges verworfen und als nicht gelungen erkannt. Dann denkt er an sein Buch, das er ja mit Engagement geschrieben hat und das ja dann auch erfolgreich war. In seinen Wachträumen des Sterbevorgangs ist ihm dieses Buch offensichtlich ein großer Trost und ein Beweis, dass ihm doch auch etwas Großes gelungen war im Leben. Wie tröstlich für ihn und den Leser.

Im Buch hatte ich es sehr bedauert, dass er das Schreiben aufgegeben hat, nachdem ihm kein akzeptables Arbeitszimmer mehr zur Verfügung stand. Da hätte ich ihm mehr Widerstand gewünscht, mehr Aufbegehren, die Suche nach einer Lösung, die ihm das Weiterschreiben ermöglich hätte. Der Welt sind vielleicht gute Bücher von Stoner entgangen, weil er da klein beigegeben hat.

Aber er hatte am Ende Recht. gemessen an dem, was ihm vom Schicksal in die Wiege gelegt worden war am Anfang seines Lebens, war sein Leben erfolgreicher, als man hätte erwarten können.

Eleonore
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