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Ingrid
Böll: Nicht nur zur Weihnachtszeit
ist eine Satire, in der Tante
Milla die ganze Familie durch das Beharren auf permanente Weihnachtsfeier
tyrannisiert und demoralisiert. Doch nicht das Problem altersbedingter
Verhaltensveränderungen ist das Anliegen Bölls in dieser Geschichte,
sondern die spöttisch-witzige Verdeutlichung leer gelaufener bürgerlicher
Konventionen: Weihnachten als Familienidyll mit traditionell geschmücktem
Weihnachtsbaum, Süßigkeiten, Lametta und Gesang. Erschreckend klar zeigt
er den sinnentleerten Ablauf, die Automatisierung von Ritualen. Die
eigentliche Bedeutung des Weihnachtsfestes spielt keine Rolle mehr. In
einer Zeit, in der Lebkuchen und Spekulatius bereits Monate vor dem Fest
verkauft werden und „Süßer die Glocken“-Gedudel vor allem zum Kauf üppiger
Geschenke animieren soll, ist diese Satire Bölls immer noch eine beliebte
Lektüre gerade auch bei jüngeren Lesern. Übrigens wurde Böll nach der
Radioausstrahlung dieses Textes heftig von der kirchlichen
Rundfunkzentrale Bethel angegriffen. Böll fühlte sich völlig
mißverstanden.
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