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Inhaltsangabe: Thomas Brussig, Am kürzeren Ende der Sonnenallee
Um auch die Diskussion über das Buch von Th. Brussig ins Laufen zu bringen, oder sie zumindest verfolgen zu können oder um nach langer Zeit sich wieder zu erinnern, worum es eigentlich ging, soll hier zunächst ein Text aus dem Netz eine ersten Hilfe sein. Kommentierte Inhaltsangabe, Kommentare und Stellungnahmen sind darüber hinaus aber gerne gesehen und gelesen – hier und im Forum.
Thomas Brussig: Am kürzeren Ende der Sonnenallee
Verlag Volk & Welt, Berlin 1999
Autor
Thomas Brussig, 1965 in Berlin geboren, wuchs im Ostteil der Stadt auf und arbeitete nach dem Abitur u.a. als Möbelträger, Museumspförtner und Hotelportier. Er studierte Soziologie und Dramaturgie und debütierte 1991 unter Pseudonym mit einem Roman. 1995 erschien bei Volk & Welt sein in zahlreiche Sprachen übersetzter und auch als Bühnenfassung erfolgreicher Roman „Helden wie wir“. 1999 erhielt er - zusammen mit Leander Haußmann - den Drehbuchpreis der Bundesregierung. Thomas Brussig lebt in Berlin.
Inhalt:
Am kürzeren Ende der Sonnenallee, im Ostberliner Stadtteil Baumschulenweg, wohnt Micha Kuppisch – gleich neben der Mauer. Wenn er aus der Haustür tritt, hört er die Rufe westlicher Schulklassen vom Aussichtspodest: „Guckt mal, ‘n echter Zoni!“ Doch Micha macht sich nichts daraus, er hat eine andere Sorge: Miriam. Sie ist das schönste Mädchen weit und breit, doch leider schon vergeben. Und so grübelt Micha tagein und tagaus, wie er es anstellen könnte, in Miriams Nähe zu sein. Pointenreich und mit köstlichem Humor erzählt Thomas Brussig, wie im Schatten der Mauer auch die Sonne schien. Micha, Miriam und die anderen lieben und lachen, tricksen und träumen. Sie schmieden Pläne, wie man der Musterung entgeht oder wie man einen Liebesbrief hervorangelt, den der Wind in den Todesstreifen geweht hat. Sie hören Jimi Hendrix und lesen Sartre, sie schaffen sich, spitzbübisch und erfindungsreich, eine eigene Welt. Manche allerdings sind zu blöd, ein Radio einzuschalten, wie der Grenzer, der heimkehrenden Tagesbesuchern vertraulich zuzwinkert: „Keine Angst, wir holen euch da raus.“ Onkel Heinz aus Westberlin, der sich dreißig Pfund abhungert, um unterm Anzug einen zweiten Anzug über die Grenze zu schmuggeln, Wuschel, dem ein Stones-Album das Leben rettet, oder die Existentialistin, die im Trabi ihr Baby bekommt- sie alle vom kürzeren Ende der Sonnenallee „haben die Luft bewegt“: „Mein Gott, waren wir komisch, und wir haben es nicht einmal gemerkt…“
Textauszug:
Es gibt im Leben zahllose Gelegenheiten, die eigene Adresse preiszugeben, und Michael Kuppisch, der in Berlin in der Sonnenallee wohnte, erlebte immer wieder, daß die Sonnenallee friedfertige, ja sogar sentimentale Regungen auszulösen vermochte. Nach Michael Kuppischs Erfahrung wirkt Sonnenallee gerade in unsicheren Momenten und sogar in gespannten Situationen. Selbst feindselige Sachsen wurden fast immer freundlich, wenn sie erfuhren, daß sie es hier mit einem Berliner zu tun hatten, der in der Sonnenallee wohnt. Michael Kuppisch konnte sich gut vorstellen, daß auch auf der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945, als Josef Stalin, Harry S. Truman und Winston Churchill die ehemalige Reichshauptstadt in Sektoren aufteilten, die Erwähnung der Sonnenallee etwas bewirkte. Vor allem bei Stalin; Diktatoren und Despoten sind bekanntlich prädestiniert dafür, poetischem Raunen anheimzufallen. Die Straße mit dem schönen Namen Sonnenallee wollte Stalin nicht den Amerikanern überlassen, zumindest nicht ganz. So hat er bei Harry S. Truman einen Anspruch auf die Sonnenallee erhoben- den der natürlich abwies. Doch Stalin ließ nicht locker, und schnell drohte es handgreiflich zu werden. Als sich Stalins und Trumans Nasenspitzen fast berührten, drängte sich der britische Premier zwischen die beiden, brachte sie auseinander und trat selbst vor die Berlin-Karte. Er sah auf den ersten Blick, daß die Sonnenallee über vier Kilometer lang ist.
Ein Text erstellt vom Goethe-Institut Montreal
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