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Kommentierte Inhaltsangabe von Gertraud und Siegfried Obermann, Nürnberg
Monika Maron: Stille Zeile Sechs
Für das Verständnis des Romans ist es wichtig, dass er Mitte der 80er
Jahre spielt, 1991 geschrieben wurde. Der Titel führt auf die Wohnadresse
des Funktionärs Beerenbaum hin.
Die Historikerin Rosalind Polkowski hat beschlossen, nicht mehr "für Geld
zu denken", ein Zeichen des äußersten Widerstands gegen die Gesellschaft.
Sie gibt ihre Stellung auf, trifft zufällig auf den alten Herbert
Beerenbaum, der seine Memoiren schreiben will und nichts weiter als eine
Schreibkraft dafür sucht. Beider Wünsche treffen sich. Doch schnell kommt
es zum Konflikt, da die systemkritsche Rosalind die aufgeblasenen Thesen,
Lügen und Selbstgerechtigkeit des ehemaligen hohen Funktionärs Beerenbaum
nicht ertragen kann. Doch ist der Roman nicht ausschließlich eine
Auseinandersetzung mit den politischen und gesellschaftlichen Zwängen der
DDR, er ist vielschichtiger, denn Rosalind sieht in Beerenbaum auch ihren
systemtreuen Vater, muss in der Konfrontation mit ihm auch ihre
persönliche Unterdrückung bewältigen. Rosalinds Freiheitsstreben wird
gleich zu Beginn des Romans dargestellt am Beispiel einiger wild lebender
Katzen, die sie von ihrem Küchenfenster aus beobachtet. Dies
Freiheitsstreben nimmt so groteske Züge an, dass sie sich unter anderem
auch vornimmt, die Rezitative aus "Don Giovanni" zu übersetzen, obwohl sie
kein Italienisch kann. In ihrem Freiheitsbedürfnis ist also auch Scheitern
eingeschlossen.
Der Roman ist in eine Rahmenhandlung - die Beerdigung Beerenbaums -
eingebettet. Die Beerdigung ist wohl symbolisch als Vorausnahme des
Untergangs der DDR zu sehen.
Was Gertraud und Siegfried zum Verständnis des Romans fehlte, waren
detaillierte Kenntnisse zu Vorgängen im Hotel Lux in Moskau. Wer über
Stalins Terrorregime und über Rosa Luxemburg Bescheid weiß, tut sich
leichter mit dem Roman, der trotz vieler Rückblenden von der Sprache her
leicht zu lesen ist.
Durch die zahlreichen Zeitsprünge und Ortswechsel wird der Roman äußerst
inhaltsreich und spannend. Wir haben viel daraus erfahren, waren oft genug
betroffen.
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