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Leipzig 29.Mai 2003 bis 2.Juni 2003

Das Virtuelle Kolleg feiert seinen ersten Geburtstag mit einer realen Zusammenkunft

Das verlängerte letzte Maiwochenende nutzten 12 Kollegiatinnen und Kollegiaten, teils begleitet von ihren "Ex-Verlobten" bzw. "Lebensabschnittsgefährtinnen und -gefährten" zum vergnügten und anregenden Jahrestreffen in Leipzig. Durch unsere wöchentlichen Chats und den intensiven schriftlichen Austausch per E-Mail und im Forum war es, als hätten wir uns erst gestern in Marienheide voneinander verabschiedet.
Volkmar hatte ein gut durchdachtes, abwechslungsreiches Arbeits-, Besichtigungs- und Kulturprogramm zusammengestellt, das den Aufenthalt in Leipzig mit vielen unvergesslichen Eindrücken würzte. Dazu trug das Bachfest vom 23.05. bis 01.06. bei, zu dem viele Künstler aus dem In- und Ausland in einer Fülle von Veranstaltungen musizierten. Und wir hatten auch großes Glück mit dem Wetter, das uns mit herrlichen Vorsommertagen und -nächten verwöhnte.
 
Am Donnerstagnachmittag trafen die meisten in der Pension Lehdenhof ein und begrüßten sich herzlich. Ein gemeinsames Abendessen gab Gelegenheit für erste Gespräche.
Am Freitag früh gesellten sich Alexander und Christian, der sich zur Zeit an seiner neuen Stelle in Düsseldorf einarbeitet, zur illustren Runde und wurden mit großer Freude begrüßt.
Alle bedauerten, dass Madeleine und Horst nicht teilnehmen konnten.
 

Der erste Tag

Den Freitagvormittag verbrachten wir in einem Seminarraum der Uni Leipzig, wo Frau Dr. Nieke vom Bereich Wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium uns willkommen hieß. Das Thema waren Rückblick und Planung unserer gemeinsamen Arbeit im Kolleg.



Mit Beamer und Computer mit Internetanschluss konnten wir mit Stolz unsere inhaltsreiche Website betrachten, Bilanz ziehen und die Vorstellungen zur weiteren Arbeit diskutieren.
Ein ausführlicher Bericht dazu steht im Arbeitsbereich.

Wir befanden uns dabei auf historischem Terrain: Die jetzigen Gebäude des Campus Augustusplatz stehen auf dem Grundstück des im 13. Jahrhundert gegründeten Dominikanerklosters, das nach der Reformation säkularisiert und 1543 der Universität übereignet wurde. Bis 2009, dem 6oo. Jahrestag der Gründung der Universität, soll dieser Gebäudekomplex durch Neubauten erweitert und modernisiert werden.

Nach einem Mittagsimbiss in der Cafeteria der Uni bestaunten wir die vollständig restaurierte Bibliotheca Albertina, die Universitätsbibliothek.
Wir ließen uns von Frau Teichmann, einer Mitarbeiterin, die bewegte Geschichte dieser beeindruckenden Institution erzählen. Ihr Ursprung geht auf die Bestände der Bibliotheken der Leipziger Stadtklöster und weiterer Klöster in Sachsen und Thüringen zurück, die nach der Reformation 1543 der Universität übertragen wurden.
1891 konnte die UB das prachtvolle Gebäude im Stile der Neorenaissance in der Beethovenstraße beziehen.

Es wurde im zweiten Weltkrieg zu zwei Dritteln zerstört und konnte nach Notreparaturen in den 50er Jahren erst von 1992 bis 2002 in alter Schönheit wieder aufgebaut werden. Die Bestände wurden durch Auslagerung während der Kriegszeit weitgehend gerettet.



Gern hätten einige von uns sofort auf den vornehmen Sesseln in den herrlich lichten, modern ausgestatteten Lesesälen Platz genommen und sich in einen Schmöker vertieft!

Der anschließende Spaziergang zurück in die südländisch-heitere Innenstadt mit ihren unzähligen "Freisitzen" (so heißen hier die Straßencafés) führte uns an weiteren bedeutenden Bauwerken vorbei:
  • dem 2002 in Betrieb genommenen Neubau des Geisteswissenschaftlichen Zentrums der Universität auf dem Grundstück des im Krieg zerstörten Gewandhauses,
  • dem ehemaligen Reichsgericht, in dessen Prachtbau seit 2002 das Bundes-   verwaltungsgericht seinen Sitz hat (links),




  • dem Neuen Rathaus (rechts) mit seinem markanten Turm, das um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auf dem Gelände der mittelalterlichen Pleißenburg errichtet wurde. Dort verweilten wir an dem Mahnmal für Carl Goerdeler, dem Leipziger Oberbürgermeister von 1930 bis 1937, der aus Protest gegen die Entfernung des Mendelssohn-Denkmals vor dem Gewandhaus zurücktrat und der wegen seiner Teilnahme an der Bewegung des 20 Juli zum Tode verurteilt und 1945 hingerichtet wurde.


  • Durch die Mädler Passage gelangten wir dann zum Abendessen "ohne Kollektivzwang" in Auerbachs Keller, wo Volkmar einen Tisch für uns bestellt hatte. Auerbachs Keller ist nicht nur durch Goethes Faust weltberühmt und war nicht nur durch die zechenden Studenten mit der Universität verbunden. Seinen Namen verdankt er Heinrich Stromer von Auerbach, der Anfang des 16. Jahr- hunderts Auerbachs Hof mit Weinkeller gründete und Magister, später Professor und zeitweilig Rektor der Universität war.    
    Der laue Frühlingsabend verlockte dazu, im Freisitz einer Kneipe die Freude über unser Zusammensein zu begießen. Nach einigem Suchen fanden wir schließlich einen freien Tisch vor dem Café Küf, einem bekannten Szenelokal.
    Ein wenig müde, aber in fröhlicher Stimmung beschlossen wir schließlich den ersten Tag unseres Treffens in Leipzig.
     

    Der zweite Tag

    Am Samstagvormittag stand ein Stadtrundgang auf dem Programm. Am Hauptbahnhof trafen wir Albert und seine Frau Helga. Sie machten uns gemeinsam mit Volkmar auf einige sehr interessante geschichtliche Zusammenhänge aufmerksam, deren sichtbare Spuren wir entdecken und verfolgen konnten. Um einiges zu nennen:
    Der Brühl und die Nikolaistraße waren einst das Zentrum des Pelzhandels. Von dessen Reichtum zeugen die Fassaden der erhalten gebliebenen, teilweise restaurierten Geschäftshäuser.
    In der Ritterstraße befanden und befinden sich seit dem 15. Jahrhundert Gebäude der Universität, darunter das Kleine Fürstenkolleg, das 1817 errichtete älteste erhaltene Gebäude der Universität, das gegenwärtig saniert wird.




    Die Nikolaikirche und der Nikolaikirchhof waren in den achtziger Jahren Ort der Friedensgebete und im Jahre 1989 Ausgangspunkt der Montagsdemon- strationen, die zum Untergang der DDR führten. Die weiße Säule wurde zur Erinnerung an diese Ereignisse errichtet und ist eine Nachbildung der Säulen im Inneren der Kirche.



    Die Alte Nikolaischule zählte manchen berühmten Leipziger wie Leibniz und Richard Wagner zu ihren Schülern. Sie beherbergt heute das Antikenmuseum der Universität.

    Der neu gestaltete Specks Hof (links) ist neben der Mädler Passage, dem Strohsack und Barthels Hof eine der vielen Passagen in der Leipziger Innenstadt.

    Die Reichsstraße erinnert an die via imperia, die alte Handelsstraße von Skandinavien bis nach Italien, die sich in Leipzig mit der via regia von Frankreich bis Russland kreuzte.
    Diese bevorzugte Lage förderte die Entwicklung des Handelsplatzes Leipzig. Das fand seinen Ausdruck in dem 1165 erteilten Messe-Privileg.

    Zwischen Reichsstraße, Brühl und Katharinenstraße entsteht das neue Museum der Bildenden Künste, an dessen Rohbau wir vorbei gingen. Die Eröffnung soll Ende 2004 erfolgen. Das alte Museum am Augustusplatz fiel dem 2. Weltkrieg zum Opfer. An dessen Stelle steht seit 1981 das Neue Gewandhaus.

    Im Hof der Katharinenstraße 11, dem Fregehaus, findet sich eine interessante Kleinigkeit - ein Spottrelief aus dem Jahre 1535, auf dem am Boden liegend der Mönch Martin Luther und - einig in dessen Verurteilung durch Acht und Bann - der Papst und der Kaiser zu erkennen sind.
    Trotzdem: 1539 wurde mit einer Predigt Luthers in der Thomaskirche die Reformation in Leipzig eingeführt


    Den Markt dominiert das Alte Rathaus, ein Renaissancebau, den der Leipziger Bürgermeister Hieronymus Lotter 1556/57 in nur 9 Monaten zwischen zwei Messen errichtete.

    Auf der Rückseite des Alten Rathauses liegen der Naschmarkt und die Alte Handelsbörse, vor der ein Denkmal des jungen Goethe als Student in Leipzig steht. Er blickt über die Grimmaische Straße hinweg zur Mädler Passage und damit zum Eingang von Auerbachs Keller.

    Die Thomaskirche ist nur wenige Schritte entfernt.


    Wir konnten dort eine Probe des Thomanerchores hören und standen am Grab Johann Sebastian Bachs.

    Nicht weit davon stand die Große Synagoge (in Leipzig lebten bis in die dreißiger Jahre 14.000 Juden), die 1938 von den Nazis niedergebrannt wurde.
    Das Mahnmal besteht aus mehr als 100 leeren Stühlen, die auf der Fläche des ehemaligen Hauptraumes stehen und einem schlichten Stein, der an die dem Verbrechen zum Opfer gefallenen Mitbürger erinnert.

    Auf dem Weg zurück gingen wir an der "Runden Ecke" vorbei, dem Sitz der Staatssicherheit in Leipzig während der Zeit der DDR.

    Was ist noch zu erwähnen?
  • Die zahlreichen renovierten Bürgerhäuser aus verschiedenen Stilepochen und die ehemaligen Messehäuser mit ihren geschäftigen Einkaufspassagen. Dazwischen aber auch noch schmerzhafte Lücken, verfallende Gebäude und stilwidrige Neubauten.

  • Der Promenadenring, eine die Innenstadt umschließende Grünanlage, die Ende des 18. Jahrhunderts auf dem Gelände der alten Stadtbefestigung angelegt wurde.


  • Als Stammgast der historischen Gaststätte Zum Arabischen Coffebaum hatte Volkmar nicht nur einen festlich gedeckten Tisch für uns reserviert, sondern konnte Herrn Steffen, den Wirt, dafür gewinnen, uns die spannende Geschichte des seit 1720 als eines der ältesten Kaffeehäuser Europas bestehenden Hauses zu schildern.
    Wie angenehm fühlten wir uns in die Nachfolge derer aufgenommen, die hier vor uns speisten: Gottsched, Lessing, Robert Schumann, Franz Liszt, Musiker, Schau- spieler, Universitätsprofessoren, nicht zu vergessen August der Starke.
    Im Anschluss an das Mittagessen nutzten einige von uns die Gelegenheit, das Kaffee-Museum im 2. und 3. Obergeschoss zu besuchen. Neben vielen interessanten Informationen zur Herkunft des Kaffees und zu den Gewohnheiten des Kaffetrinkens - nicht nur bei den Kaffeesachsen - findet sich auf einer Schautafel auch diese aufschlussreiche Feststellung:
    Der Leipziger Universitätsprofessor Gellert hatte sich wohl nicht umsonst schon 1746 zu der Einsicht hinreißen lassen: "Schulen und Universitäten sind nicht halb so gut wie die schlechtesten Kaffeehäuser."

    Nach einem ausgedehnten Bummel durch die sommerliche Fußgängerzone trafen wir uns zur Orgelstunde im Großen Saal des Gewandhauses, wo Gunther Rost (Würzburg) an der herrlichen Orgel Bachs Goldberg-Variationen vortrug.

    Danach folgte im wahrsten Sinne des Wortes der Höhepunkt des Tages: Das Abendessen im Panorama-Restaurant in der 29. Etage des City-Hochhauses.
    Von der Aussichtplattform, die wir vorher besuchten, konnten wir uns kaum trennen, so sehr genossen wir den Blick über die Stadt bis weit in das Umland.








    "Bach on Air", ein Konzert unter freiem Himmel auf dem Marktplatz am Alten Rathaus bildete den stimmungsvollen Abschluss des zweiten Tages.


     

    Der dritte Tag

    Den Sonntag verbrachten wir zu Wasser und zu Lande: Eine Bootsrundfahrt auf der Weißen Elster, dem Elsterflutbett und dem Karl-Heine-Kanal zeigte uns Teile des Leipzig von Süd nach Nord durchziehenden Grüngürtels sowie die gelungene Verwandlung eines alten Leipziger Industriegebiets zu einem vornehmen Wohnviertel.








    Karl Heine, ein Leipziger Industriepionier des 19. Jahrhunderts, dessen Verdienst die Ansiedlung und Entwicklung der Industrie im Leipziger Westen war, hatte die Vision, Leipzig durch einen Kanal von der Elster zur Saale, von dort zur Elbe mit Hamburg und den Weltmeeren auf dem Wasserweg zu verbinden. Die bestehenden Fragmente sind eindrucksvolle Beispiele der Wasserbau- und Brückenbaukunst.








    Unvergesslich auch das Seemannsgarn, das der sächsische Käpt'n uns spann!



    Im Biergarten des Mückenschlösschens am Rande des Rosentals wartete ein Tisch auf uns, an dem wir im Schatten der Sonnenschirme die verlängerte Mittagszeit sehr angenehm verbrachten.



    Einige unermüdliche Stadtläuferinnen nahmen die Straßenbahn und nutzten den verkaufsoffenen Sonntagnachmittag für einen Ladenbummel, um nach Mitbringseln und Erinnerungsstücken zu suchen.

    Ein Abendspaziergang durchs Rosental führte uns am Gohliser Schlösschen vorbei zur Gosenschenke "Ohne Bedenken", wo wir auf der Terrasse zum Abschluss unseres Treffens die Gose, ein obergäriges Bier und andere sächsische Spezialitäten kosten konnten.
    Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass auch die Vorbilder unseres Kollegs, die Mitglieder der Leipziger Gelehrten- gesellschaften, der Collegia, im Sommer bei schönem Wetter ihre Diskussionsrunden ins Rosental verlegten.




    Auf dem Heimweg zeigte uns Volkmar noch das Schillerhaus, ein Bauernhaus im damaligen Dorf Gohlis, in dem der Dichter von Mai bis September 1785 gewohnt hat und unter anderem auch die Ode an die Freude geschrieben haben soll.

    Auf der Terrasse unserer Pension in Paunsdorf verbrachten ein paar Unentwegte bei Rotkäppchen-Sekt allerletzte Leipziger Plauderstunden.

    Wir danken Volkmar für die Organisation und Durchführung des Programms, bedanken uns auch bei den Ehepartnerinnern und -partnern für ihre rege und anregende Beteiligung und bei allen für die harmonische und freundschaftliche Atmosphäre.
    Wir freuen uns auf das nächste Jahrestreffen, das Elke und Peter Joksch in Tettnang für uns vorbereiten werden.

    Den Bericht schrieb Margit, Volkmar fügte lokalpatriotische Ergänzungen hinzu.
    Fotografiert haben Bernd, Peter und Volkmar.


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