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Was ist Glück?

Die Vielfältigkeit der Glücksvorstellungen

Bearbeitungszeit 12.08. bis 08.09.2002
Moderatorin Elke Joksch

Kurzreferat
Zusammenfassung

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Kurzreferat

Nicht die Dinge selbst,
sondern nur unsere Vorstellungen darüber
machen uns glücklich oder unglücklich.
Epiktet (50 - 140 nach Chr.)

An den Anfang meines Referats möchte ich meinen Dank an Margit stellen, die mir einige Kapitel aus dem nachstehend angeführten Buch zugänglich gemacht hat, die die Grundlage meines Thesenpapiers bilden.
Wladyslaw Tatarkiewicz "Über das Glück". Klett-Cotta 1984.
Tatarkiewicz (1886-1980) gilt als einer der führenden Philosophen polnischer Sprache im 20. Jahrhundert.

Das Wort "Glück" birgt eine über die Jahrhunderte hinweg angehäufte Vieldeutigkeit, die es erforderlich macht, sich dieser Vieldeutigkeit bewusst zu werden und zwischen den verschiedenen Glücksbegriffen zu unterscheiden. Dabei gehe ich hier nicht auf die Glücksbegriffe der Denker aus verschiedenen Epochen ein, sondern versuche darzustellen, wie wir heute die verschiedenen Glücksbegriffe verstehen.

Vier verschiedene Begriffe des Glücks nehmen breiten Raum in unserem Glücksverständnis ein:
  1. Glück mit einem objektiven Charakter als Positives Ereignis, das jemandem widerfahren ist und nichts anderes als Erfolg oder Wohlstand bezeichnet. Glück in lebensnaher Bedeutung, als günstiges Schicksal. Der Mensch "hatte Glück".

  2. Glück mit einem subjektiven Charakter als Positives Erlebnis, als Erlebnis intensiver Freude. Glück in psychologischer Bedeutung. Der Mensch "hat Glück erlebt".

  3. Glück, wieder objektiven Charakters, in der Bedeutung einer Positiven Lebensbilanz. Man hat die Güter, die man braucht , an denen man sich erfreuen kann, das Gute überwog im Leben. Der Mensch "war/ist glücklich".

  4. Glück, subjektiv empfundenes Glück, das man nur ungenau beschreiben kann mit der Umschreibung "Zufriedenheit mit dem Leben in seiner Ganzheit". Ein "glücklicher Mensch".
Dieser letzte Begriff ist wohl der Begriff, den man tatsächlich meint, wenn man von Glück redet. Er ist nicht identisch mit den anderen Begriffen, die Wohlergehen, große Freude oder Besitz von materiellen Gütern bedeuten. Auch wenn man mit diesen Gütern zufrieden ist, stellen sie an sich noch kein Glück dar. Erst die Zufriedenheit mit dem Leben in seiner Ganzheit bedeutet Glück. Aber auch diese Aussage bedarf weiterer Definitionen. Es sollte eine volle, dauerhafte, ganzheitliche Zufriedenheit mit dem Leben sein. Auch Kant definierte Glückseligkeit ähnlich: Zufriedenheit all unserer Neigungen, sowohl im Hinblick auf ihren Umfang, als auch auf ihre Intensität, sowie auf ihre Ausdehnung (Dauer). Das ist ein Maßstab für ein Glücksideal, das im menschlichen Leben nicht zu erreichen ist. Die Lösung liegt im "Realen Glück", in dem man sich diesem Ideal nähert.

Man kann auch nicht mit seinem ganzen Leben zufrieden sein. Jedes Leben hat Mängel und Leiden, die unvermeidlich und nötig sind, um Gegenpole zu den angenehmen Seiten zu bilden, sonst könnten wir diese nicht schätzen. Aber es kommt darauf an, ob wir sie positiv für uns bewerten können. Das führt dann wieder zu Zufriedenheit. Man erlebt die Zufriedenheit mit einem Teil seines Lebens letztendlich als Zufriedenheit mit seiner Ganzheit.

Niemand kann sich dauerhaft, ständig, ohne Unterbrechung an seinem Leben freuen. Intervalle sind nötig, um danach Freude um so intensiver empfinden zu können. Für das Glück genügt es, sein Leben positiv zu empfinden und zu beurteilen, immer dann, wenn man darüber nachdenkt.

Die dritte Art der Zufriedenheit zum Glücklichsein ist volle Zufriedenheit. Viele Erlebnisse gehen an uns vorüber, ohne dass sie einen tieferen Eindruck hinterlassen, sie bleiben an der Oberfläche. Andere wieder, ob Freude oder Leid, graben sich tief in unser Bewusstsein ein. Auch hier kommt es wieder auf die Bewertung dieser Erlebnisse an. Auch Leid kann man positiv bewerten. Dann wird man auch damit zufrieden sein und es auf der Habenseite seines Lebens verbuchen können. Glück bedeutet hier eine Zufriedenheit, die in die Tiefe unseres Bewusstseins reicht.

Nun lebt niemand ständig in der Tiefe seines Bewusstseins. Über Tage und Wochen wird es von den aktuellen Dingen des Lebens überdeckt. Aber immer wieder einmal wird sich unser tiefer Lebensstrom, unser tiefes Bewusstsein, zu Wort melden. Dann werden wir die Zufriedenheit mit diesen Erlebnissen wieder empfinden und das Gefühl haben, wir sind vollständig zufrieden.

Zufriedenheit ist also zwiespältig. Sie enthält ein gefühlsmäßiges Element und ein intellektuelles Element. Man erlebt gefühlsmäßig etwas Schönes oder Leidvolles und ermisst den Wert dieser Erlebnisse. Wenn sich beide Elemente voneinander lösen führt das zu der Haltung der Menschen, die sagen, ich bin zufrieden aber nicht glücklich.

Das Leben eines Menschen ist die Summe aller Prozesse, an denen er von seiner Geburt bis zu seinem Tod teilgenommen, auf die er reagiert hat. Dazu gehören Erfolge, Misserfolge, Freude, Glücksmomente, die einen nachhaltigen Eindruck hinterließen, Krankheit, Tod der trauern ließ, aber auch Menschen, die für sein Leben wichtig waren und viele Dinge mehr. Mein Leben steht fremdem Leben gegenüber, es gehört nicht mir allein. Eine ganz wesentliche Bedingung, um mit seinem Leben zufrieden zu sein, ist für den Menschen die Überzeugung, dass das Leben einen Sinn, einen Wert besitzt. Dieser Wert muss nicht nur in der eigenen Person liegen, er kann auch in Dingen und Ereignissen liegen, an denen er nur einen Anteil hat.

Dazu zum Abschluss ein Zitat aus dem Buch "Über das Glück".
    "Mein Leben ist wie meine Stadt oder meine Heimat: höchstens ein Teil davon gehört ausschließlich mir. Mein Glück, das ist die Zufriedenheit mit meinem Leben, aber mein Leben hat viele gemeinsame Bestandteile mit dem Leben anderer Menschen."

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Zusammenfassung der Diskussion - Elke Joksch

An der Diskussion des Themas beteiligten sich 13 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit insgesamt 56 Beiträgen.

Die vier Definitionen des Glücksbegriffs, wie sie im Thesenpapier stehen, wurden allgemein als zutreffend angesehen. Dabei wurde klar, dass die deutsche Sprache recht arm ist, um die verschiedenen Glücksarten sprachlich darzustellen. Eine Teilnehmerin verdeutlichte am Beispiel der französischen Sprache, dass dort auch sprachlich zwischen subjektivem und objektivem Glück unterschieden wird. Ähnliches gilt für die italienische und englische Sprache.

Die Unterscheidung zwischen subjektivem und objektivem Glück beschäftigte bereits die antiken griechischen Philosophen, und so finden sich auch in der griechischen Sprache die Termini "eutychia" für das objektive Glück, die Gunst der Umstände, und "eudaimonia" für das Gefühl des Glücklichseins, der Glückseligkeit.

Die Vielfältigkeit der Glücksbegriffe wurde auch durch eine Sammlung von Sprüchen und Weisheiten verdeutlicht, die von verschiedenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zusammengetragen wurden.


In der Diskussion stellte sich heraus, das subjektiv empfundenes Glück ganz persönlichen Charakter hat und in den verschiedenen Lebenssituationen von den einzelnen Menschen ganz unterschiedlich empfunden und bewertet wird:
Glück kann als Gegenpol von Angst empfunden werden. Für eine Mutter bedeutet es Glück, wenn ihre Kinder glücklich sind. Glück kann auch bedeuteten, ein schönes Buch zu lesen, Musik der 60er Jahre zu hören und dabei an (verlorene?) Zeiten erinnert zu werden.
Glück wird aber auch als flüchtiges Ereignis empfunden, dass vorüberhuscht und als Glücksmoment bezeichnet werden könnte.
Ein Teilnehmer beschrieb seine Glücksvorstellung folgendermaßen: "Unter Glück stelle ich mir vor, wunschlos zu sein, zufrieden mit mir selbst und tief verinnerlicht - ohne Empfindung, leer, aber trotzdem voll, fast übervoll vor Ruhe. Das ist kein jubilieren oder triumphieren, das ist gesegnet sein; die Gewissheit haben, da ist eine Macht, die mich glücklich macht, weil mein Leben mit ihr übereinstimmt - wenn auch nur in Sekunden, Minuten."

Die im Chat erörterte Frage: "Trägt der Charakter eines Menschen dazu bei, dass manche Menschen für Glück empfänglicher sind als andere?", führte zu einer Diskussion über Glück und Moral, sowie über Optimisten und Pessimisten und ihre Fähigkeit, glücklich zu sein. Ein Teilnehmer stellte fest, im weitesten Sinne seien die Pessimisten die Realisten und die Optimisten die Traumtänzer.
Zur Rettung der Optimisten bemerkte ein anderer Teilnehmer: "Es waren die Optimisten, die die Welt vorangebracht haben." Spontan fielen ihm dazu Noah, Mose, Jesus, Alexander, Augustus, Karl der Große und einige weitere bis zu Gorbatschow ein.

Bei der Diskussion um Glück und Moral meldete eine Teilnehmerin Bedenken an, ob es uns als relativ "priviligierten" Menschen überhaupt ohne schlechtes Gewisen möglich ist, glücklich zu sein, wenn wir das Los der Menschen außerhalb der sogenannten reichen Länder betrachten. Es sei auf jeden Fall wichtig, bei all unserem "Glück", auch materieller Art, Respekt vor den Menschen zu haben und sie nicht aus den Augen zu verlieren, die nicht in erster Linie das Glück anstreben, sondern das Überleben.

Andere Teilnehmer meinten dazu, dass wir nicht die Welt dadurch verändern, dass wir uns das Glück versagen. Es sei uns aber möglich, als Menschen, die gücklich und zufrieden sind, in unserer nächsten Umgebung etwas zu bewirken. Ein Teilnehmer führt dazu den Zusammenhang von Glückseligkeit und aktivem Handeln, den schon Aristoteles beschreibt, an. Nicht passives Entgegennehmen des Glücks, sondern auch der Wille Gutes zu tun sei die Aufgabe des Menschen. Wer gut handelt, dem geht es gut. Diese Aussage steckt auch in dem Satz von Ernst Bloch: "Der denkende Mensch begnügt sich nicht damit, dass es ihm gut geht."

Ein anderer Teilnehmer zog aus dem "moralischen Gesetz" für sich diese Schlussfolgerung: "Versuchen, soweit es in meiner Macht steht, Gutes zu tun und die Welt ein klein wenig besser machen, freundlicher, liebevoller, einsichtiger, eben menschlicher...".

In diesem Zusammenhang tauchte auch die Frage auf, wie wirken sich Glück und Unglück unserer Nächsten - Familie, Freunde, Nachbarn - auf uns und unser eigenes Glücks- oder Unglücksempfinden aus. Was bedeutet für uns "Nächster", wie nah muss er uns stehen, damit wir sein Glück oder Unglück auch als das unsere empfinden. Eine Teilnehmerin meinte, dass es ein gewisser automatischer Selbstschutz ist, wenn wir nicht das Unglück der ganzen Welt auch als unser Unglück empfinden.

Hier stellen wir einmal mehr fest, dass unsere Diskussion nicht nur ein Streitgespräch, sondern wie es eine Teilnehmerin richtig bemerkte, auch ein Erfahrungsaustausch, ein Versuch voneinander zu lernen und aufeinander zu hören, ist. Es erschließen sich durch die unterschiedlichen Sichtweisen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer immer wieder neue Quellen für das eigene Denken und Leben.

Am Ende unserer Diskussionszeit tauchte noch die Frage auf: "Macht Religion glücklich?" Hier schieden sich die Geister, ob man diese Frage überhaupt diskutieren solle. Einige waren dagegen, andere skeptisch, wieder andere beantworteten die Frage mit "Ja" und "Nein": Religion kann glücklich, aber auch unglücklich machen.

Da wir in unserem Kolleg (fast) alle Senioren und Seniorinnen sind, zitiere ich zum Schluss meiner Zusammenfassung einen unserer Diskussionsteilnehmer, der einen aus seiner Sicht glücklichen Senior beschreibt.
"Ich nannte bereits körperliche und geistige Gesundheit und eine gesicherte wirtschaftliche Situation."
Was noch?
"Harmonie mit der Partnerin, dem Partner, und ein harmonisches Familienleben und berufliche Erfolge der Kinder.
Dann (die Aufzählung ist gewiss nicht vollständig und die Reihenfolge soll keine Gewichtung ausdrücken): Kontakte mit Freunden (u.a. per E-Mail), geistig anregende Aktivitäten wie z.B. Senioren-Studium und andere Weiterbildung, Teilnahme an virtuellen und anderen Gruppen und Vereinen, Lesen, sich über öffentliche Angelegenheiten und Politik zumindest informieren, Hobbys betreiben, Reisen, Kunst sehen und hören, körperliche Bewegung und, nicht zu vergessen, hin und wieder Pausen zur Besinnung. Wichtig ist, bei allem Maß zu halten.
Wessen Leben so ausgefüllt ist, ist ein glücklicher Senior."

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