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Die Rolle der Familie im 21. Jahrhundert

Bearbeitungszeit 09.09. bis 06.10.2002
Moderatorin Angenita Stock-de Jong

Kurzreferat
Zusammenfassung

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Kurzreferat

Wir leben erst im Anfang des 21. Jahrhundert und deshalb ist es sehr schwer den weiteren (sozialen) Wandel in der Familie und ihre damit verbundene Rolle vorauszusehen. Um das Thema dennoch anzugehen, bin ich auf wissenschaftliche Untersuchungen und Ergebnisse angewiesen.

Bevor wir über die "Rolle der Familie" diskutieren können, stellt sich für uns zuerst die Frage: "Gibt es überhaupt noch eine "Normalfamilie"?
Familie (lat. familia) heißt: verwandtschaftlich verbundene Gruppe von Menschen.

Was sich in den letzten drei Jahrzehnten im 20. Jahrhundert schon vollzogen hat, wird sich wahrscheinlich weiter entwickeln.
Es kann von einer zunehmenden Pluralisierung und Individualisierung der Lebensformen auf Kosten der Normalfamilie gesprochen werden.
Seit Mitte der 60-er Jahre sinkt in der BRD die Geburtenrate, die Heiratsneigung geht zurück, und immer mehr Ehen werden geschieden.
Unter den Verhältnissen des Jahres 1998 ist davon auszugehen, dass nur etwa 60% der jüngeren Generation im Leben zumindest einmal heiraten, dass durchschnittlich nur noch 1,4 Kinder je Frau geboren werden und dass mehr als ein Drittel aller Ehen mit einer Scheidung enden.
Im Jahre 2001 wurden z.B. in NRW 46.913 Ehen geschieden, immerhin 3,8 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Damit wurde der Höchststand aus dem Jahre 1998 mit 45.246 Scheidungen übertroffen. Das sechste Ehejahr entpuppt sich dabei als das verflixte, denn in dieser Zeitspanne gab es anteilmäßig die meisten Trennungen. 20 Paare ließen sich aber auch nach 50 oder mehr Jahren scheiden.
Der Anteil der Bevölkerung, der nach konventionellen Mustern lebt, ist stark rückläufig. Die Zahl derer, die nicht-traditionale Lebens- und Beziehungsformen praktizieren, steigt an.

In allen westlichen Industrieländern zeigen sich die gleichen Entwicklungstrends: eine Zunahme von Alleinwohnenden, kinderlosen Ehepaaren, Ein-Eltern-Familien, Stieffamilien, nichtehelichen Lebensgemeinschaften und "living apart together"-Beziehungen (LAT)*. Gleichzeitig erhöht sich der Anteil der Familien, bei denen zwar der kernfamiliale Haushalt - Ehepaar mit Kind(ern) - unangetastet bleibt, die aber in anderer Hinsicht, besonders im Hinblick auf die geforderte Polarität der Geschlechterrollen, vom Leitbild der bürgerlichen Ehe und Familie abweichen.
Angesichts dieser Entwicklungen kann kaum daran gezweifelt werden, dass Ehe und Familie einen bedeutsamen Strukturwandel durchgemacht haben. Unterschiedliche Auffassungen bestehen allerdings im Hinblick auf Art, Richtung und Intensität des sozialen Wandels.
*)   Getrennt-Zusammenleben-Beziehungen; die Lebenssphären der Partner sind mehr oder weniger getrennt
     und werden autonom geregelt


Ich bin bei meinen weiteren Nachforschungen auf drei interessante Thesen gestoßen:
  1. Die These vom Zerfall der Familie, wie sie besonders pointiert von Hoffmann-Nowotny (1995; 1997) vertreten wird, geht von einer weitgehenden Deinstitutionalisierung, einem Verbindlichkeitsverlust der Institution Ehe und einer damit verbundenen Erweiterung der Optionen aus. Die Deinstitutionalisierung führt zu einer weiteren Individualisierung und Pluralisierung der Lebensformen und bei Fortbestehen der engen Verknüpfungen von Ehe und generativem Verhalten, wie es in Westdeutschland der Fall ist, zu einer Polarisierung in einen Familien- und Nichtfamiliensektor mit steigender Kinderlosigkeit und weiterem Fertilitätsrückgang.

  2. Nach der These von der Reduktion der institutionellen Qualität, einer eingegrenzten Deinstitutionalisierung (Tyrell 1988), wird die Institution Ehe zwar nicht durch andere individualisierte Lebensformen ersetzt. Sie verliert aber ihren stark nominierenden Charakter, wird unverbindlicher. Nach diesem Modell ist mit einer Stabilisierung des gegenwärtigen niedrigen Geburtenniveaus und einem Einfrieren der Unterteilung der Bevölkerung im Familienlebensalter in einen Familien- und Nichtfamiliensektor auf dem derzeitigen Niveau zu rechnen. Alles in allem besteht die gegenwärtige Situation fort.

  3. Der These vom institutionellen Wandel zufolge (z.B. Nave-Herz 1989) haben Ehe und Familie einen Bedeutungswandel und nicht einen Bedeutungsverlust erfahren. Der Anteil der individualisierten Lebensformen ist gering. Eine generelle Abkehr von der Ehe ist nicht zu erkennen, wohl aber eine Veränderung des Phasenverlaufs bis zur Eheschließung. Lebensformen, die als echte Alternativen zur Ehe gewählt werden, sind selten. Hauptmotiv für die Heirat ist der Kinderwunsch oder die Geburt von Kindern. Früher legitimierten Ehen Kinder, heute legitimieren Kinder Eheschließungen (Allerbeck/Hoag 1985). Ein Wiederanstieg der Geburtenrate über eine Stärkung der Mehr-Kind-Familie wird zumindest nicht ausgeschlossen.

Welches dieser 3 Modelle entspricht am ehesten der Realität?


Literaturangaben:

Hoffmann-Nowotny, H.-J.: Die Zukunft der Familie - Die Familie der Zukunft, in: Gerhardt, U. u.a. (Hrsg.): Familie der Zukunft, Opladen 1995, 325-348

Nave-Herz, R.: Zeitgeschichtlicher Bedeutungswandel von Ehe und Familie in der Bundesrepublik Deutschland, in:
Nave-Herz, R., Markefka, M. (Hrsg.): Handbuch der Familien- und Jugendforschung, Band 1: Familienforschung, Neuwied/Frankfurt a.M. 1989, 211-222

Tyrell, H.: Ehe und Familie - Institutionalisierung und Deinstitutionalisierung, in:
Lüscher, K. u.a. (Hrsg.): Die "postmoderne" Familie, Konstanz 1988, 145-156

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Zusammenfassung der Diskussion
Angenita Stock-de Jong


Dieses Thema sollte im Diskussionsforum zu einer zukunftsgewandten Diskussion führen. Es war mir von Anfang an klar, dass dies schwer werden würde, denn bei so einem Thema ist man hauptsächlich auf wissenschaftliche Untersuchungen und Ergebnisse angewiesen. Es wurden dann auch dazu nur 12 Beiträge von 8 TeilnehmerInnen eingebracht.

Drei Thesen standen zur Diskussion:
  1. Die These vom Zerfall der Familie
  2. Die These von der Reduktion der institutionellen Qualität
  3. Die These vom institutionellen Wandel
Die Frage war: Welches dieser 3 Modelle entspricht am ehesten der Realität?

In nur 4 Beiträgen wurde explizit darauf eingegangen. Ein Teilnehmer und eine Teilnehmerin waren der Meinung, dass These 3 am ehestens in Frage käme, 2 Teilnehmerinnen entschieden sich für eine Mischung aus These 2 und 3.

In fast allen Beiträgen wurde auf die Veränderungen der Familienformen und das Zusammenleben in der Vergangenheit und Gegenwart eingegangen. Das frühere "große Haus", die sogenannte Sippe ist in die heutige "Kleinfamilie" übergegangen. Sie ist als Faktum unbestritten.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren der Meinung, dass, wenn die Familie in der Zukunft weiter eine Rolle spielen sollte, eine Veränderung in der heutigen Familienpolitik stattfinden müsste.
Steuererleichterung für Familien, bessere Betreuung der Kinder, Ganztagsschulen würden die Geburtenrate eventuell steigen lassen.

Die Definition von Familie wurde nicht eindeutig geklärt.

Die gestellte Frage hat sich wohl von uns nicht eindeutig beantworten lassen. Wir waren uns aber darin einig, dass These 1 nicht in Frage kommt.

Auch die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern angegebenen wissenschaftlichen Studien lassen keine einheitliche Prognose erkennen.
Wenn also die Wissenschaft zu den unterschiedlichsten Ergebnissen kommt, wie sollte es dann für uns möglich sein die Frage zu beantworten.

Ich möchte noch etwas anmerken:
Nach R. Peuckert in "Familienformen im sozialen Wandel" ist die zweite Variante wahrscheinlicher. Mehrere demographische Trends deuten auf eine weitere Polarisierung und Individualisierung der Lebensformen hin. Dazu gehören die steigende Scheidungsneigung, eine rückläufige Heirats- und Wiederverheiratungsneigung, ein Aufschieben der Familiengründung und als zentraler Faktor, der einen weiteren Geburtenrückgang bewirken kann, eine wachsende Kinderlosigkeit auf über 30%. Ein Wiederanstieg der Geburten würde eine Zunahme kinderreicher Familien voraussetzen, was, berücksichtigt man die langfristige Entwicklung niedriger Kinderzahlen, so gut wie ausgeschlossen ist.

In den 4 Chats ging es lebhafter zu. Schon am Anfang waren wir der Meinung, dass wir (freiwillig) in einer Mail unsere eigene Familie vorstellen sollten, damit wir untereinander einen besseren Einblick in die jeweilige Familie bekämen.
In den 4 Chats sprachen wir auch über unsere persönlichen Erfahrungen mit der Familie. Die Schwerpunkte waren:
  1. Kann man ohne Kinder wirklich glücklich sein?
  2. Welche Rolle spielen wir als älterer Mensch noch in der Familie?
  3. Welchen Stellenwert hat die Familie heute noch in der Gesellschaft?
  4. Welche Gründe führen eurer Meinung nach heute zum Anstieg der Ehescheidungen?
Im ersten Chat am 10.09.02 konnte die Mehrzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich ein Leben ohne Kinder nicht vorstellen, aber war der Meinung, dass eine Ehe ohne Kinder (gewollt oder ungewollt) glücklich sein kann.

Das Ergebnis vom zweiten Chat war, dass die Rolle der älteren Menschen in der Familie heute begrenzt ist.
Man wird zwar um Rat gefragt, ist Geldgeber und manchmal auch "Notanker". Als Großeltern aber spielt man eine größere Rolle für die Enkelkinder.
Auch wurde über die Frage diskutiert, ob eine Mutter der Motor der Familie ist und ob sie sie zusammenhält.

Die Frage: "Welchen Stellenwert die Familie heute noch in der Gesellschaft hat" war der Schwerpunkt im dritten Chat.
Es wurde erwähnt, dass der Stellenwert der Familie ideell hoch angesiedelt ist, aber dass es in der Realität ganz anders aussieht. Um ihn zu stärken wurden zum größten Teil politische "Lösungswege" aufgezeichnet.

Über die Gründe des heutigen Anstiegs der Ehescheidungen wurde im letzten Chat ausgiebig diskutiert. Maria hatte uns dazu vorher in einer Mail eine Einleitung geschickt.
Die Diskussionspunkte waren: Wertewandel, gesellschaftliche Akzeptanz, juristische Situation, Situation der Frauen heute, Ehe früher als Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft.

Mit meiner Mail vom 26.09.02 habe ich als Anhang den Artikel "Deutschland im Jahr 2030" zugesandt. Hierin wird auf das Buch "Elementarteilchen" von Houellebecq aus dem Jahr 1999 hingewiesen. Bei diesem Buch handelt es sich um eine Kritik an den "Individualisierungstendenzen in den westlichen Gegenwartsgesellschaften".
Den Artikel und anderes kann man auch im Internet unter
http://www.single-dasein.de/kritik/thema_deutschland2030.htm  nachlesen.                    

Als Fazit unserer Diskussion möchte ich feststellen:
Die Zukunft lässt sich nur erahnen, obwohl "Houellebecqs Vision" uns einen Einblick in eine mögliche Zukunft gegeben hat!!

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