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Lebenslanges Lernen?
Warum? Wozu? Wie? Wieviel?

Bearbeitungszeit 07.10. bis 03.11.2002
Moderatorin Maria Burkard

Kurzreferat
Zusammenfassung

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Kurzreferat



Zwei Gespräche in meinem Bekanntenkreis haben mich zu diesem Thema angeregt.
Hier die entsprechenden Zitate:

Eine Nachbarin.
"Was machst du eigentlich an der Uni?
Warum hängst du deine Zeit an einen unpersönlichen PC?
Weißt du immer noch nicht genug?
Ich brauche so etwas nicht, ich habe jeden Tag genug zu tun, meine Familie und meine Freunde beschäftigen mich rund um die Uhr.
Mein Leben hat mir genügend an Erfahrungen und Erkenntnissen gebracht."


Eine pensionierte Lehrerin, Romanistin, die schon zweimal einen Sprachkurs mit mir zusammen gemacht hat.
"Ich fahre im nächsten Jahr wieder nach Italien, werde aber dieses Mal mindestens 3 Wochen eine Sprachenschule besuchen, ich will unbedingt noch fließend sprechen lernen, diese Sprache finde ich einfach toll und außerdem will ich wissen, ob ich das in meinem Alter noch schaffe."

Lebenslanges Lernen?
Auf den ersten Blick handelt es sich um ein Schlagwort, das heute "in" ist, Google bietet über 25.400 Suchergebnisse an!
Ich habe mir mit Absicht nichts davon angesehen, möchte aber einiges aus meiner Sicht näher beleuchten und vielleicht sogar in Frage stellen.
Sehen wir uns die Begriffe näher an:

Lebenslang
Unsere biologische, soziale und kulturelle Entwicklung vollzieht sich kontinuierlich, also ohne sichtbare Einschnitte. Trotzdem gibt es in unserer westlichen Welt Ereignisse, die im Leben jedes Einzelnen entscheidende Einschnitte darstellen. Für das hier vorgeschlagene Thema bietet sich folgende Einteilung an:
    Vorschulalter
    Schul - und Ausbildungszeit
    Berufsleben
    Ruhestand.

Lernen
Wenn wir Lernen im weitesten Sinn verstehen, lernen wir vom Augenblick der Geburt bis zu unserem Tode. Jeder Kontakt führt zu Erfahrungen, die uns und unser Verhalten prägen. Wahrscheinlich lernen wir nie soviel wie in den ersten Lebensjahren. Aber genau diese Art des Lernens ist nicht gemeint, wenn wir von "lebenslangem Lernen" sprechen; denn es geschieht nur selten bewusst und durch eigene Willensentscheidung.
Anders verhält es sich im 2. Lebensabschnitt, hier wird "Lernen" zum Programm. Wir lernen das, was als Allgemeinwissen bezeichnet wird und wir sammeln Spezialwissen, das es uns ermöglicht, einen Beruf auszuüben. Seit sich Kenntnisse und Wissen rasant vermehren, wird auch im Berufsleben Weiterbildung zur Selbstverständlichkeit.
Für viele Menschen bedeutet das Ende des Arbeitslebens das Ende von Stress und die Möglichkeit "nichts" mehr tun zu müssen. Andere wiederum sehen hier die Möglichkeit, auch in diesem Lebensabschnitt noch etwas zu lernen. Ausdruck dieser Tendenzen sind die rasch wachsenden Bildungsmöglichkeiten für Senioren:
Universitäten des dritten Lebensalters, Internetgruppen, virtuelle Lerngruppen, Volkshochschulen usw.
Dabei zeigen sich recht unterschiedliche Vorstellungen über Ziele und Methoden.
Hier eine Auswahl der Möglichkeiten:
    Wissenschaftliches Arbeiten in einem genau definierten Gebiet
    Erwerb von Wissen in einem bestimmten Bereich oder auch recht allgemein
    Austausch und Weitergabe von Erfahrungen
    Sammeln vom Informationen, die das tägliche Leben erleichtern.

Ich halte es für unwahrscheinlich und auch nicht für erstrebenswert, dass wir eine von uns allen akzeptierte Definition von dem finden, was wir unter lebenslangem Lernen verstehen. Ziel dieser Diskussion könnte es sein, ein möglichst breites Spektrum zu erarbeiten, das es dem Einzelnen erleichtert, für sich selbst eine sinnvolle Antwort zu finden.

Als Einstieg für die Diskussion schlage ich folgende Punkte vor:
    Was verstehen wir unter lernen?
    Was? Wie? Mit welchen Mitteln?
    Welche Erfahrungen haben wir dabei gemacht?

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Zusammenfassung der Diskussion
Maria Burkard


Zu diesem Thema gab es nicht so viele Beiträge wie zu den vorhergehenden (13 von 8 Teilnehmern).
Ich sehe hierfür zwei Gründe, einen zufälligen und einen, der in der Themenstellung begründet ist:
     1. Einige Teilnehmer konnten sich wegen Urlaub oder Krankheit nicht so intensiv
         beteiligen.
     2. Die allgemeine Akzeptanz ermöglichte nur ansatzweise eine kontroverse
         Auseinandersetzung.
Wir waren uns alle einig, dass der alte Spruch
"Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr"
heute nicht mehr stimmt.
Er war wohl doch mehr auf die Disziplinierung der Kinder gerichtet zu einer Zeit, als "Lebenslanges Lernen" noch nicht zur Diskussion stand.

Lebenslanges Lernen, so wie wir es heute sehen, nimmt über das Berufsleben hinaus einen hohen politischen Stellenwert ein, da es verstanden wird als "Ausbildung von Fähigkeiten zur Teilhabe an einer tradierten Kultur, als Voraussetzung der Erbringung von Sinn- und Orientierungsleistungen, der aktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt und der Geschichte."

Es bleibt also Aufgabe dieser Zusammenfassung, einige von allen akzeptierte Gedanken wiederzugeben.
Halten wir uns dabei an die Fragen, die auch im Eingangsreferat gestellt wurden.

Warum?
Die Antworten reichen von der persönlichen Feststellung:
"Nachholen, was mir in der Jugend nicht möglich war."
über allgemeinere Kommentare:
"Im lebenslangen Lernprozess können wir ständig altes Wissen gegen besseres Wissen austauschen. Einmal Gelerntes und das Erfahrungswissen reichen heute nicht mehr aus." bis zu grundsätzlicheren Überlegungen:
"... dass die Seniorenstudierenden diese Möglichkeit des Lernens im Alter für Wissenserwerb nutzen, um den Horizont zu erweitern und den Geist frisch zu halten. Das hilft auch bei der Wahrnehmung gesellschaftlicher Pflichten und bürgerschaftlichem Engagement auf den verschiedensten Gebieten."
Am Treffendsten lassen sich die Gründe vielleicht in zwei Zitaten zusammenfassen:
"Lernen ist Wachstum, ist Werden."
"Lernen ist wie flussaufwärts zu rudern: Wenn man nicht weiterkommt, fällt man zurück." (chinesisches Sprichwort)

Wozu?
Eigentlich ist diese Frage schon fast beantwortet.
Deswegen nur noch einige Zitate, die zeigen sollen, was WIR durch das Lernen im Alter gewonnen haben:
"Ganz allgemein wurde meine Lebensqualität gesteigert ... ich bin heute besser in der Lage mich in komplexen Situationen zu orientieren. Gelernt habe ich auch, meine Meinung besser zu fundieren und die Meinung der Andersdenkenden ernst zu nehmen und zu tolerieren."
"Mein Selbstbewusstsein hat sich weiter gestärkt, denn neue Herausforderungen nehme ich schneller an. Eine Herausforderung war z.B. der Umgang mit dem Computer! Heute empfinde ich das gemeinsame Lernen und den Austausch im Internet, wie es unsere Gruppe praktiziert, als sehr stimulierend."

Wie?
Wenn sich in der Gruppe Meinungsunterschiede erkennen ließen, dann hier. Es ging dabei um die Frage: Wie ernst nehmen wir unser Lernen? Sie wurde je nach Temperament mehr oder weniger "ernst" genommen und dementsprechend beantwortet.
Die verschiedenen Formen, wie das Lesen im "stillen" Kämmerlein, die Teilnahme am Seniorenstudium und natürlich auch das virtuelle Lernen, lassen sich ohne Schwierigkeiten kombinieren. Ausschlaggebend ist dabei, ob für den Einzelnen Wissenserwerb an erster Stelle steht und wie wichtig die Kontakte mit anderen Senioren bzw. mit den jüngeren Studenten sind.
"Das Lernen im Alter darf allerdings nicht immer nur mit 'Wissenserweiterung' gleichgesetzt werden, es kann/sollte auch der Entspannung dienen".
"Man lernt auch einfach zum Spass, 'just for fun'. Da keine Prüfung, keine Berufsausbildung, kein Leistungsdruck droht, hat man vom Lernen nur das Schönste: das Wissen. Falls man scheitert, ist es nicht schlimm. Dadurch lernt man ohne Stress. Schade, dass es in der Jugend nicht so sein kann!"
Es gibt vieles, was das Lernen im Alter nicht nur sinnvoll, sondern auch angenehm macht. Wir dürfen jede Möglichkeit der Erweiterung unserer Erfahrungen mit einbeziehen. Hierzu gehören auch Hinweise auf ganz andere Arten des Lernens. So hat eine Teilnehmerin entdeckt, dass selbst "Aerobic", wenn sie altersgemäß betrieben wird, entspannend sein kann und gleichzeitig Kopf und Körper trainiert. Ihr Kommentar: Kann man auf anderen Gebieten in 50 Minuten so viel "lernen"?

Wieviel? Was?
"Der Ältere konsumiert nicht wahllos neues Wissen, sondern wählt aus, knüpft neue Bedeutungen aus seiner Erfahrung heraus."
Oder ein Auszug aus einem recht persönlichen Beitrag:
"Die Rentner lernen alles, was es ihnen ermöglicht, sich an das moderne Leben anzupassen. Es ist eine Art 'Umschulung'" für sie. Z.B. muss man Autofahren können, einen Computer, ein Handy, allerhand Geräte benutzen können. Auch Englisch sollte man können, will man die Muttersprache verstehen!"
Wenn eine Teilnehmerin schreibt: "Lebenslanges Lernen: eine notwendige, angenehme aber auch manchmal übertriebene Modeerscheinung", so will sie damit auch auf die Gefahr einer übertriebenen Hektik und eines übersteigerten Aktionismus im Alter hinweisen.
"Wer gern zu Hause sitzt und liest, im Garten arbeitet, Karten spielt oder Pilze sammelt lernt anders aber genau soviel wie der Senior, der die Uni besucht. Nicht jeder braucht einen 'Lehrer'. Ja, Vorsicht mit dieser Mode des lebenslangen Lernens. Es darf keine Pflicht sein. Abstand nehmen ist wichtig, nachdenken, entspannen, spielen (mit den Enkeln oder mit dem Haustier), ausruhen, ja faulenzen sind lebenswichtig. Man kann auch für die Verständnis haben, die nach einem anstrengenden Berufsleben einfach das Leben genießen wollen."
Ob die Seniorenuni je einen Kurs anbietet, der heißen würde: "Wie wird man Lebenskünstler in 10 Lektionen?"

Eine Teilnehmerin machte auf die Bedeutung der Geschlechterrollen auch bei unserem Thema aufmerksam und stellte die These auf:
"Altenbildung ist heute im Wesentlichen Frauenbildung".
Sie schreibt u.a.
"Deshalb begrüße ich es sehr, dass vor allem die älteren Frauen heute in der Lage sind, durch die verschiedensten Bildungsangebote, Zeitungen, Nachrichten und Dokumentationssendungen im Fernsehen alles in Frage stellen zu können, was uns von alters her überkommen oder in Erinnerung geblieben ist".
Sicher hat sie Recht. Es ist allerdings zu fragen, welche Frauen und wie viele in der Lage sind, solche Chancen zu nützen.

Ein Problem, das uns sicher alle betrifft, darf allerdings nicht verschwiegen werden:
"Lernen im Alter wird leider durch das Versagen des Gedächtnisses erschwert. Also darf man nicht zu viel erwarten. Man bildet sich weiter, man interessiert sich für neue Bereiche, man wiederholt, was man schon lange verlernt hat. Ob man aber richtig lernt?"
Zum Abschluß noch ein Zitat, das trotz aller positiven Aspekte zum Nachdenken anregen soll:
"... wer viel gelernt hat, sollte auch wissen, dass eines Tages die Zeit kommt, wo das Gedächtnis oder sogar bei manchen Krankheiten des Alters der Geist schlechthin versagen. Dann sollte die Weisheit kommen und einen Wissensdurst ablösen, der fehl am Platz wäre: man muss einsehen, dass man nicht alles lernen kann. Ja, im hohen Alter ist Bescheidenheit angebracht."

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