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Gefährdet die Verwendung von Anglizismen unsere Sprachkultur?
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Kurzreferat
Was ist Sprache? Sprache ist ein Kommunikationsmittel, welches nur dem Menschen in dieser vollendeten Form zur Verfügung steht. Tiere kennen auch eine Art Verständigung durch Laute, was jedoch nur instinktive, reflexartige Handlungen zur Folge hat. Wir hingegen benutzen die Sprache zum Gedankenaustausch und können diese Gedanken seit Erfindung der Schrift auch nicht anwesenden Personen übermitteln. Sprache ist jedoch nicht statisch sondern "lebt". Sie wird vom Menschen seinen Vorstellungen aber auch seinen Zwecken angepasst. Was beeinflusst die Sprache? Es gibt unzählige Sprachen (ein Lexikon spricht von 3500 - 5000) Sie entwickeln sich nicht isoliert, sondern durch Kontakt zu Nachbarn und entfernten Völkern. Dies geschieht durch Jagdzüge, Wanderungen, Beutezüge oder Kriege. Ferner Forschungs-, Entdeckungs- und Handelsreisen und noch später Urlaubs- und Erholungsreisen. Eroberungen und Kolonisierung können sogar das Aussterben von Sprachen bewirken. Auch die Entwicklung des Menschen für sich gesehen bewirkt eine Entwicklung der Sprache. Philosophen, Wissenschaftler aller Fachrichtungen entwickeln neue Gedanken und fügen so der Sprache neue Begriffe hinzu. Es entwickeln sich Fachsprachen. Die Gesellschaftsklassen und die Jugend haben eigene Sprachen. Politiker, insbesondere in Diktaturen, bedienen sich der Sprache über Sprachregelungen, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Dass eine Sprache lebt, wird auch daran erkennbar, dass wir von einem passiven und einem aktiven Wortschatz sprechen. Passiv sind die Worte, die zur Zeit noch verstanden aber im allgemeinen Sprachgebrauch nicht mehr verwendet werden. Zwei, drei Generationen weiter sind diese Worte nur noch in der Literatur zu finden und jungen Menschen unbekannt. Dieser Vorgang ist in besonderem Maße bei Dialekten zu beobachten. Einen besonderen Einfluss übt die Gesellschaft auf die Sprache aus. In Kreisen des Adels und des Großbürgertums war es eine lange Zeit üblich, französisch zu sprechen oder zumindest französische Worte ins Gespräch einzuflechten. Heute sind Worte wie: Trottoir, Coupe', Fond, Perron u.s.w. völlig ungebräuchlich bis unbekannt. An Universitäten dagegen ist es üblich, möglichst viel in Fachausdrücken bzw. mit Fremdwörtern zu formulieren. Besonders auffällig ist bei uns in den letzten 50 Jahren die Zunahme des Gebrauchs von Wörtern englischen oder amerikanischen Ursprungs. Diese Entwicklung wurde eingeleitet durch den verlorenen Krieg, die Besetzung eines Teils von Deutschland durch Engländer und Amerikaner, durch eine zunehmend stärkere wirtschaftliche Bindung an Amerika und durch die verschiedensten technischen Entwicklungen. Begonnen hat es 1945 mit der Musik. Ich erinnere mich noch genau an die erste Begegnung mit dem Jazz. Da gab es für uns nur noch Jamsessions, die Trommeln wurden zu drums und der Schlagzeuger war der Drummer. Diese Übernahme der englisch-amerikanischen Ausdrücke griff dann natürlich auf alle Gebiete über. Nun kommt seit den 70er/80er Jahren die Technik des Computers hinzu. Wenn auch die Erstentwicklung dem Deutschen Zuse zugeschrieben wird, so erfolgte doch die Entwicklung zur Serienreife und zur allgemeinen Nutzbarkeit in Amerika. Und dies hat natürlich amerikanische Fachausdrücke zur Folge. Diese Fachausdrücke entwickelten sich zu einer Art Fachsprache, bei der in fast allen Sprachen bestimmte Ausdrücke in der englischen Version verwendet werden. Dies dient natürlich auch der besseren Verständigung von Land zu Land. Aber reden die Mediziner nicht auch in einem länderübergreifenden Latein miteinander? Gleichzeitig erleben wir die Entwicklung der Globalisierung. Englisch ist nun einmal Weltsprache, und so ist es nicht weiter verwunderlich, wenn englische Ausdrücke in jeder Wirtschaftssparte gang und gäbe sind. Jemand, der sich heute um einen leitenden Posten bewirbt, weiß, dass er ohne Englischkenntnisse kaum eine Chance hat. Dann aber, und das ist das Ärgerliche an dieser Entwicklung, bemächtigte sich die Werbung des Englischen. Jeder soll und will sich ein modernes Image geben. Wir kennen alle die entsetzlichen Beispiele ob bei der Bahn, bei der Telekom, eigentlich überall. Da wimmelt es nur so von: Call Centern, shops, surf&rail, Service Center, Information Points u.s.w. Die Werbung erkannte diesen Zug der Zeit (Trend) und bediente sich in allen Sparten dieser Moderichtung. Sie versucht damit das Gefühl zu vermitteln, dass sich sowohl Anbieter als auch Konsument als junge, dynamische, moderne, weltoffene Menschen sehen. Auf Internetseiten werden als Gründe für die übertriebene Verwendung von Anglizismen viele Gründe angegeben. Z. B.: Die Werbung, die politische und wirtschaftliche Vormachtstellung der USA, die weltweite Ausbreitung des "American way of life", geringe Treue zur eigenen Sprache, gierige Bereitschaft zur Anbiederung an die englische Sprache, Prahlwörter, Imponiergefasel. Aus einem Interview mit einem Werbefachmann stammt der Ausspruch, den man meiner Meinung nach auch auf Anglizismen anwenden kann: Der Ungebildete gebraucht Fremdwörter verkehrt, denn er hat es nicht besser gelernt; der Halbgebildete gebraucht sie richtig, denn er möchte sich Ansehen verschaffen; der Gebildete gebraucht Fremdwörter gar nicht, denn er beherrscht die Muttersprache. Ich bin der Meinung, unsere Sprache ist stark genug, um auch diese Phase zu überstehen. Wenn es Mode wird, unsere Sprache mit Anglizismen und Fremdwörtern zu überhäufen, sollten wir es wie mit der Kleidermode machen: was uns missfällt, benutzen (kaufen) wir nicht. Dann reguliert sich auf Zeit gesehen diese überaus ärgerliche und schlechte Gewohnheit von selbst. Eine Regelung durch Gesetz, wie in Frankreich, halte ich für zu dirigistisch und nicht für erfolgversprechend. Für dieses Referat wurden verschiedene Angaben aus dem Internet benutzt. Diese stammen von nachstehenden Internetadressen. (Einige musste ich löschen, da sie nicht mehr erreichbar sind).
http://www.vds-ev.de/verein/index.php http://www.deutsche-sprachwelt.de/berichte/raupach01.shtml http://www.jungle-world.com/_2001/10/24a.htm http://www.dreigliederung.de/news/010211.html http://www.vds-ev.de http://home.debitel.net/user/thomgeist/index.html http://www.beepworld.de/members6/deutschesprache/ http://www.ngfg.com/texte/ae025.htm http://vds-ev.de/presse/zeitungsartikel/mannheimer_morgen_2002_03_12.txt Seitenanfang Zusammenfassung der Diskussion Peter Joksch
Ich stand vor einem großen Problem. Wie fasse ich 21 Beiträge von 14 Teilnehmern und die Gedanken und Ideen aus 4 Chats auf 2 DIN A 4 Seiten zusammen? Ich musste weglassen, kürzen, auswählen und entschuldige mich schon jetzt bei allen, deren Beitrag nicht erwähnt, verkürzt oder gar sinnentstellt wiedergegeben wird. Wahrscheinlich habe ich auch den einen oder anderen Gedanken übersehen. Das Thema wurde unter folgenden Aspekten diskutiert. Eine Sprache lebt und ändert sich. Gründe: In all diesen Punkten herrschte Einigkeit. Sprachen nehmen seit jeher fremde Wörter auf. Beispiele: Pullover; Soße; Wörter, bei denen sich kaum jemand der fremden Herkunft bewusst ist. Man importiert, was man im Land nicht findet. Wer weiß denn schon, dass Thomas Mann in einem Kommentar zu "Peter Schlemihl" von Chamisso (1781 - 1838) über eine "Garden Party" schreibt? Die Empfindungen beim Gebrauch von Anglizismen sind jedoch unterschiedlich. Zunächst wurden wir uns darüber klar, dass wir in "verschiedenen Sprachen" kommunizieren und je nach "Art der Sprache" unterschiedliche Empfindungen auftreten. Als Spracharten wurden genannt: Hochsprache, Fachsprachen, Jugendsprache, Umgangssprache, die Dialekte und als Sonderform die Sprache der Werbung. Aussagen dazu: Man muss Anglizismen nicht mögen, aber man kann sie verwenden, oder: Es kann eine Bereicherung der Sprache sein aber auch eine heimtückische Versuchung. Einig war man sich darüber, dass die Werbebranche einschließlich ihrer Auftraggeber (wie auch viele Betriebsanleitungen) völlig unnötige z. T. auch nicht jedem verständliche Anglizismen verwenden. Ebenso abgelehnt wurde das Imponiergehabe (Imponiergefasel) Einzelner oder auch bestimmter Berufsgruppen. In der Werbung und zur Demonstration persönlichen "In seins" ist es eine Variante der Dummheit. Es wurde festgestellt, dass auch im Computerbereich nicht alles durch Anglizismen ausgedrückt werden müsse. Man müsse nicht "forwarden" oder "downloaden". Als Gründe für den Gebrauch dieser Wörter wurden angeführt: Zeitmangel, Gedankenlosigkeit, Bequemlichkeit, Faulheit, Nichtbeherrschung der Muttersprache, verlorengegangenes Sprachgefühl. Aber auch im Alltagsleben ärgert, dass Geschäfte closed oder open sind. Muss sich eine deutsche Universität für angewandte Wissenschaften "University of Applied Sciences" nennen? Eine Ausnahme bei der Verwendung von Anglizismen könnten internationale Treffpunkte (Flughäfen; Bahnhöfe) sein. Dort werden wir schwerlich darum herumkommen. Am Wort "Job" rieb sich das Sprachgefühl ganz gewaltig, wobei Begriffe wie Beruf, Arbeit oder seinen Job machen unserer Meinung nach eben etwas anderes ausdrücken als das Wort Job. Als ärgerlich wurde z. T. auch empfunden, dass die Anglizismen im Gebrauch mit deutscher Grammatik benutzt werden. Wird ein Anglizismus jedoch angenommen, wird er zwangsläufig auch der deutschen Grammatik unterworfen werden. Wir werden uns an "gemailt", "gechattet" oder "gecancelt" wohl oder übel gewöhnen müssen. Aber muss es ein Service Point, ein Cleaning Point oder muss eine Reisebeschreibung mit Ausdrücken wie: Road Trip, Skiguide, Quarterpipe, Handrail und Pleasure Spring Session aufgemotzt werden? Warum flyer, booklet und nightliner? Und ob die Manager, die den "turn around" geschafft haben oder die Sache "relaxter" angehen die besseren Chefs sind, das ist noch die Frage. Es wurde auch angeführt, dass die Anglizismen die Gefahr der Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsteile sein könnten. Dagegen wurde gesagt, dass sich das Sprachniveau nicht nach dem Schwächsten richten könne. Als abschreckendes Beispiel wurden die sog. "Pidginsprachen" angeführt. Niemand der Teilnehmer verstand sich als Sprachpurist und alle gaben zu, dass Anglizismen durchaus praktisch da griffig und damit besser als die deutsche Umschreibung sein können. Beispiele: T-Shirt, Top, Party, Inlineskates, Trend, Babysitter. Auch Software und Hardware gelten als schwer zu umschreiben. Bei Timing und Standing Ovations schieden sich jedoch die Geister. Die gleichen Ausdrücke erschienen natürlich auch bei der Frage: Welche Anglizismen benutze ich selber? Es wurde jedoch darauf hingewiesen, man solle beim Gebrauch von Anglizismen immer sensibel sein, also hier verstärktes Sprachgefühl zeigen. Das Wort "Message" wurde als unnötig angesehen, der "Mailkasten" wurde als eine Neuschöpfung betrachtet, die Mailbox war allen geläufig. Das Date wurde als Scherz und als der Jugendsprache zugehörig eingestuft. Snob ja, aber bei fifty-fifty, dressing, sorry waren wir uns nicht einig. Interessant war jedoch, dass unterschieden wurde zwischen Sprache und Schrift. Beim Schreiben wird erheblich vorsichtiger mit dem Gebrauch von Anglizismen umgegangen als beim Sprechen. Immer wieder kamen wir auf das Thema: Die Sprache wandelt sich, da sie lebt. Sie sei ein Teil der Kultur und ändere sich wie diese. Allerdings ist die Geschwindigkeit mit der dies geschieht heute erheblich größer als früher und wird auch extremer betrieben und genutzt. Wie sagte eine Teilnehmerin? Ohne Austausch kein Leben, keine Kultur. Eine Sprache kann sich nicht abkapseln. Es würde für sie das Aussterben bedeuten. Dann wurde die Frage aufgeworfen, ob die Anreicherung einer Sprache mit Anglizismen zu einer Art Einheitssprache führen könne bzw. ob Englisch überhaupt zur Europasprache werden wird oder ob die Nutzung englischer Wörter mit deutscher Grammatik zu einer künstlichen Sprache führen könne. (Zu Denglisch vielleicht?). Ein Aspekt war auch: Eine Einheitssprache würde das Europaparlament preiswerter machen. Benötigen wir im Zeitalter der Globalisierung eine einheitliche Zweitsprache?, Die Kunstsprache Esperanto hat sich allerdings nie durchgesetzt. Auf vielen Gebieten ist Englisch "Verkehrssprache" und unsere Enkel korrespondieren, lesen, sprechen ganz selbstverständlich Englisch. Dass die Dialekte verloren gehen, wurde von allen als bedauerliche Tatsache gesehen, ein Verlust der Nationalsprachen wurde überwiegend jedoch nicht befürchtet. Die Schweiz wurde als Beispiel des Erhalts der Nationalsprachen angeführt. Im Übrigen vertrauten die Teilnehmer auf die Selbstreinigung der Sprache. Im Robert Lexikon für Anglizismen werden (10 Jahre alte) Zahlen genannt, wonach 2,5% der 50.000 französischen Wörter Anglizismen sind. Benutzt wird davon aber nur ein Viertel. Es wurde jedoch auch die Meinung vertreten, es sei Pflicht des Staates, seinen Bürgern die Garantie zu geben, die Sprache des Landes zu verstehen. Das "closed" oder "open" werde wieder verschwinden. Die Sprache eines Landes mache mit der Zeit ihre Rechte wieder geltend. Die Historie lehre uns, dass die Sprache sich wehrt. Die Mehrheit der Sprecher entscheide darüber, wie gesprochen wird und die Sprache gehöre dem, der sie gebraucht. Welche Meinungen gab es noch? Die Übernahme von Anglizismen sei keine vorübergehende Phase, vor allem bei einer vollständigen Einigung Europas nicht. In Südtirol werde mit Selbstverständlichkeit italienisch und deutsch gesprochen. So werde es auch mit Englisch und der Muttersprache kommen. Was ist überhaupt ein Anglizismus? Sind Pullover oder Training oder Baby noch Anglizismen? Ist es göttliches Programm, dass wir keine einheitliche Sprache sprechen? Ist es eine Strafe wegen des Turmbaus zu Babel? Oder ist es zu einseitig es als Strafe zu sehen? Ist es Gottes pädagogische Methode? Jeder Versuch, die Sprache zu reglementieren, sei fehlgeschlagen. Wenn alle mehr oder weniger Englisch könnten, brauchte niemand mehr mit Anglizismen anzugeben. Dann gab es ein Abgleiten in das Thema, dass Jugendliche heute ihre Gedanken nur schwer ausdrücken können. Als Gründe hierfür wurden genannt: Es wird nicht vorgelesen und als Folge davon später nicht gelesen; es wird zuwenig miteinander gesprochen. Eine Großmutter, die ihren Enkeln Märchen erzählt oder Kinderreime vorsingt oder ein Lehrer, der die Schüler mit den schönen Texten der Literatur vertraut macht, haben mehr für die Rettung der Sprache getan als alle Gesetze der Welt. Im Deutsch der Literatur werden kaum Anglizismen beobachtet. Auch das Thema "Die Zukunft der Sprache" überhaupt wurde angesprochen. Während einige befürchten, dass die Sprache immer mehr verkomme halten andere dies für übertrieben. Die Sprache sei nicht nur ein Kommunikationsmittel, sie sei auch ein Kunstwerk. Aber genau wie beim Musizieren oder beim Malen gibt es eine große Bandbreite der Beherrschung. Und als Schlusssatz möchte ich eine Teilnehmerin zitieren: Unsere Sprache sollte uns so wichtig sein, wie dem kleinen Prinzen seine Rose. "Ich bin für meine Rose/Sprache verantwortlich." Seitenanfang Druckversion (pdf) |