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Leben wir in einer glücklichen Zeit?Bearbeitungszeit 02.12.2002 bis 19.01.2003
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Kurzreferat Zusammenfassung Beispiele Dem Abgrund entgegen? (Ein Artikel aus Le Monde) Druckversion (pdf) |
Kurzreferat
Diese Frage, die unser neues Thema bezeichnet, kann man nicht einfach mit ja oder nein beantworten. Man muss sie näher betrachten und herausfinden, was sich dahinter verbirgt. Wir haben über die Vielfältigkeit der Glücksvorstellungen diskutiert und dabei festgestellt, dass Glück und Glücklichsein jeder nur für sich selbst bestimmen kann. Ob wir in einer glücklichen Zeit leben, hängt also davon ab, welche Art Glück gemeint ist. Auch mit der Bedeutung der Zeit haben wir uns beschäftigt und dabei unterschiedliche Definitionen gefunden. Im Sinne unserer Fragestellung können das Tage, Jahre, Geschichtsepochen sein, auf jeden Fall aber ein Zeitabschnitt - kein Zeitpunkt. Schließlich: Wer ist mit wir gemeint? Die ganze Menschheit? Die Europäer? Die Deutschen? Die Familie? Der Einzelne? Können wir aber überhaupt davon sprechen, in einer glücklichen Zeit zu leben, wenn wir täglich von Krieg, Terror, Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, Naturkatastrophen, Hunger und Elend in der Welt hören? In wenigen Wochen ist Weihnachten und wir hören häufig das alte Weihnachtslied O du fröhliche, o du selige Gnadenbringende Weihnachtszeit. Fröhlich, selig, gnadenbringend - das sind in ihrer Summe Synonyme für glücklich. Weihnachten ist, besonders in Deutschland, eine Zeit im Jahr, in der Sorgen verdrängt werden und eine freudige Stimmung dominiert. Die gläubigen Christen unter uns werden vor allem das Fest der Geburt Jesu feiern, die weniger religiös Gebundenen vor allem die Besinnlichkeit der Advents- und Weihnachtstage genießen, die Kinder in freudiger Erwartung der Geschenke sein. Das ist nicht neu und auch nicht einmalig. Um die Zeit der Wintersonnenwende wurden z.B. im antiken Rom die Saturnalien, ein Fest zu Ehren Saturns, gefeiert. Bei den religiösen Zeremonien wurden die Teilnehmer durch den Priester begrüßt:
als genug Nahrung war für jedermann und die Menschen den Reichtum teilten, den sie besaßen, und keiner jemals stahl oder kämpfte oder log. ... Aber bis diese glückliche Zeit kommt, in dieser, der kältesten Zeit des Jahres, begeben wir uns in Gedanken in Saturns kaltes Reich um zu erwecken den alten freundlichen König, und ihn zu bitten, erneut mit uns zu gehen und für diese kurze Zeit mit uns zu leben, und mit uns zu feiern und zu ehren das Goldene Zeitalter. Zum Zeitraum Zur Gruppe (Aus einem Zeitungsartikel vor der Wahl) (Zur Rolle des Spiegel nach dem Tod Augsteins) (Aus einem Horoskop) Zur Art des Glücklichseins (Die frühere Spitzenturnerin Erika Zuchold) (Über das Leben Paul Spiegels während der Nazi-Zeit) (Aus einer Rezension zu Günter Grass "Mein Jahrhundert") Ich habe diese Beispiele unter vielen anderen gefunden. Sie lassen sich fortsetzen, es finden sich aber immer die Elemente Zeitraum, Gruppe/Individuum und Glücksverständnis. Ich versuche deshalb eine Verallgemeinerung. Die Beantwortung der Frage, ob wir in einer glücklichen Zeit leben, hängt davon ab, was eine definierte Anzahl von Menschen für einen definierten Zeitraum als Glücklichsein empfindet. Die Anzahl der möglichen Antworten ist unendlich groß. Es gibt sechs Milliarden Menschen, und sechs Milliarden Wege zum Glück. (Stefan Klein, Die Glücksformel, S.283; Rowohlt 2002) Aber: Die einzig absolut glückliche Zeit in unserem Leben ist die, welche wir schlafend verbringen, behauptete Klaus Mann. Seitenanfang Zusammenfassung der Diskussion Volkmar Gimpel
An der Diskussion im Forum zu diesem Thema über den Jahreswechsel 2002/03 beteiligten sich 9 Teilnehmer mit 19 Beiträgen und es gab 5 Chats von je einer Stunde Dauer. In meinem Kurzreferat hatte ich einleitend gesagt: Diese Frage ... kann man nicht einfach mit ja oder nein beantworten. Man muss sie näher betrachten und herausfinden, was sich dahinter verbirgt. Die Diskussion bestätigte das. Eine Teilnehmerin fand das Thema komplizierter als von vornherein gedacht, sehr kompliziert sogar, also interessant. Eine andere Teilnehmerin kam nach einem längeren Gespräch mit einer Bekannten zu dem Schluss "... es ist schon ein schwieriges Thema". Die Schwierigkeit (oder auch Tücke) des Themas besteht vor allem darin, dass das subjektive Empfinden des Glücklichseins mit der abstrakten Größe Zeit verbunden werden soll. "Glückliche Zeit" ist eine umgangssprachliche Floskel, die sich gegen eine wissenschaftliche Definition sperrt. Es wurde schließlich auf die Unzulässigkeit des Verbindens von Zeit mit einem menschlichen Prädikat verwiesen und daraus der Schluss gezogen, dass der Begriff unlogisch und darum falsch ist. Gibt es objektive Kriterien für glückliche Zeit? Das spielte besonders zu Beginn der Diskussion eine Rolle und war auch Gegenstand eines Chats. Zunächst wurden solche Faktoren genannt wie langdauernder Frieden, soziale Sicherheit, materieller Wohlstand, medizinischer Fortschritt, längere Lebens-erwartung, die Möglichkeiten für die Frauen usw.. Im Verlaufe der Auseinandersetzung setzte sich aber die Meinung durch, dass Glücklichsein in einer bestimmten Zeit subjektiv bestimmt ist. Nur so ist es zu erklären, dass in einer definierten Gruppe sich die einen glücklich fühlen und andere unter gleichen Bedingungen nicht. Einer Umfrage in Österreich vom November 2001 zufolge erklärten 36 %, "wir leben in einer glücklichen Zeit" und 47 % "in einer schwierigen Zeit". Ein Jahr zuvor war das Ergebnis umgekehrt. Das langjährige Mittel seit 1973 ist für 38,8 % glücklich, für 41,1 % schwierig. Für Deutschland sind mir derartige Umfrageergebnisse nicht bekannt, man kann aber sicher annehmen, dass sie ähnlich sein würden. Interessant ist hier, dass "schwierige Zeit" als Alternative zu "glückliche Zeit" genannt wird. Ein Teilnehmer unserer Diskussion schlug vor, an Stelle von "glücklicher Zeit" besser davon zu sprechen, dass eine Zeit günstig oder ungünstig sein kann, je nachdem, in welche Bedingungen sie uns stellt und Glück hingegen erst das ist, was wir individuell daraus machen. In diesem Zusammenhang wurde auch der "Zeitgeist" als gesellschaftliche Strömung ins Gespräch gebracht, der auch den Wertewandel zum Ausdruck bringt. Nur kurz erwähnt wurde das Problem, dass die gleiche Zeitperiode für den gleichen Betrachter je nach Blickwinkel sowohl als glücklich wie auch als nicht glücklich empfunden werden kann. Auch der Zeitpunkt der Bewertung kann zu einer Veränderung des Ergebnisses führen. Ein Teilnehmer verwies auf die mögliche Divergenz von objektiver Lage und subjektivem Empfinden. Wer wird unter "wir" verstanden Auch das wurde neben dem Forum in einem Chat erörtert. Die Meinungen gingen weit auseinander. Genannt wurden die gesamte Menschheit, die Europäer oder die Einwohner der Länder der Europäischen Gemeinschaft und der USA, die Deutschen, die Teilnehmer des Kollegs, die Familie, der Einzelne. Es setzte sich schließlich mehr und mehr durch, dass jeder nur für sich sprechen kann, dass man nicht WIR sagen, sondern die Antwort nur für MICH gegeben werden kann. Das deckt sich auch mit der bereits getroffenen Feststellung, dass unterschiedliche Personen die gleiche Situation in der gleichen Zeit unterschiedlich bewerten. Deshalb sollte "wir" auch nicht nur als Gruppe mehrerer verstanden werden, sondern durchaus auch als "ich", als Individuum. Wenn man die unterschiedliche Bestimmung des "wir" betrachtet, wird auch daran deutlich, dass es eine einheitliche, objektive Antwort auf die Frage nach der glücklichen Zeit nicht gibt, nicht geben kann. Eine schlüssige Antwort ist am ehesten dann zu finden, wenn die Gruppe "wir" klein ist. Aber selbst ein eng miteinander verbundenes Zweierkollektiv wie ein Ehepaar kann - auch bei gutem Verstehen - zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Der Zeitraum Wir diskutierten verschiedene Möglichkeiten des zu betrachtenden Zeitraumes: das 20./21. Jahrhundert, das Jahr 2003, die Kindheit und Jugend, die Gegenwart, die jüngste Vergangenheit, auch die nächste Zukunft. Ein Teilnehmer kam zu dem Ergebnis, dass es für die Weltbevölkerung seit der Vertreibung aus dem Paradies keine glücklichen Zeiten mehr gegeben hat. Wenn das stimmen würde, lebt die Menschheit im irdischen Jammertal, aus dem der Einzelne erst mit dem Tod und die Rückkehr ins himmlische Paradies erlöst wird. Dem entgegen steht das menschliche Streben, das Leben mit jedem Tag ein wenig besser zu machen. Am Ende stellen wir fest, dass in jedem Zeitabschnitt der Geschichte das Leben sowohl als glücklich wie auch als nicht glücklich empfunden werden kann - wiederum abhängig vom Standort des Betrachters. Ist der Schlaf die einzig absolut glückliche Zeit? Dieses Zitat Klaus Manns war ebenfalls Gegenstand eines Chats. Es gab Übereinstimmung, dass diese Auffassung nicht richtig sein kann. Das Empfinden von Glücklichsein setzt ein waches Bewusstsein voraus, das aber während des Schlafens nicht gegeben ist. K. Mann war eine sehr widersprüchliche Persönlichkeit, die unter Depressionen litt und schließlich an einer Überdosis Schlaftabletten starb. Er wird mit diesem Satz seine Verzweiflung am Leben zum Ausdruck gebracht haben. Kann die Teilnahme am Widerstandskampf eine glückliche Zeit sein? "Seine Zeit als Résistance-Kämpfer zwischen 1941 und 1944 erlebte er trotz aller Gefahren und Bedrohungen als eine erfüllte und glückliche Zeit, ehe er der Gestapo ins Netz ging." Dieser Satz aus den Erinnerungen eines Franzosen war Gegenstand unseres letzten Chats zum Thema glückliche Zeit. Ich zitiere hierzu die Meinung unserer französischen Teilnehmerin: "Natürlich war es sicher für diese Helden eine glückliche Zeit, da sie nicht passiv blieben, da sie kämpften, da sie ein Ideal retten wollten für sich und die Mitmenschen, ungeachtet der Gefahr missverstanden zu werden, da sie mit ihrem Opfer beschlossen hatten, Wahrheit und innere Freiheit höher zu stellen als das Leben selbst." Das fand allgemeine Zustimmung. Es wurde in diesem Zusammenhang aber auch die Frage gestellt, wie z.B. die Kriegsbegeisterung vieler Deutscher zu bewerten ist. Eine Teilnehmerin sagte dazu, dass die französischen Résistance-Kämpfer im Gegensatz zu den Deutschen auf der richtigen Seite waren. Auch die Möglichkeit der Manipulierbarkeit wurde erwähnt. Das Fazit Die Diskussion hat bestätigt, dass die Frage "Leben wir in einer glücklichen Zeit?" - wenn überhaupt - nur individuell beantwortet werden kann. Ich verweise dazu auf meine Verallgemeinerung am Ende des Kurzreferats. Seitenanfang Beispiele der Verwendung des Begriffs glückliche Zeit
Die nachfolgenden 26 Beispiele mit Angabe der Quellen enthalten unterschiedliche Verwendungen des Begriffs "glückliche Zeit". Es sind sowohl die bereits im Kurzreferat enthaltenen als auch weitere, die ich aus den fast 1.800 Adressen, die Google unter dem Stichwort "glückliche Zeit" anbietet, ausgewählt habe. Das erfolgte nicht nach festgelegten Kriterien, und sie werden weder kommentiert noch interpretiert. Aus dem Magazin von ['solid] - die sozialistische Jugend, Nr.7 Frühjahr 2002: Stoiber soll Deutschland - ähnlich wie Bayern - aus einem wirtschaftlichen Tief in eine glückliche Zeit führen. http://www.dieware.de/7/dieware7_3.pdf Condoleezza Rice, Sicherheitsberaterin von Präsident Bush: Rice sagte der "Financial Times", es sei keine glückliche Zeit mit Deutschland. SPIEGEL ONLINE vom 21.09.02 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,215087,00.html Über einen schizophrenen Mörder seiner Mutter: Stimmen gaukelten ihm eine glückliche Zeit vor Neue Osnabrücker Zeitung Online, 18.01.2000 http://www.neue-oz.de/_archiv/noz_print/stadt_osnabrueck/2001/01/mord_an_mutter.html Aus dem Fragebogen der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung für Bewerber des Programms "Big Friends for Youngsters" Wie würden Sie Ihre eigene Kindheit und Jugend - aus heutiger Sicht - beschreiben? - Es war schon eine glückliche Zeit, jedes Kind sollte es so haben. - Ich war nicht unglücklich, würde einem Kind aber doch etwas Besseres wünschen. - Es war keine glückliche Zeit. http://www.biffy.de/fragebogen.doc Aus einer Umfrage in Österreich vom November 2001: 36 % erklären, wir leben in einer glücklichen Zeit, 47 % in einer schwierigen Zeit. Ein Jahr zuvor war das Verhältnis umgekehrt. Langjähriges Mittel (seit 1973): 38,8 % glücklich, 41,1 % schwierig. IMAS-Report Nr. 23 http://www.imas-international.com/report/2001/23-11.pdf Nach Samuel P. Huntington, "Kampf der Kulturen": Der Kalte Krieg muß eine glückliche Zeit gewesen sein. Wohl stand die Menschheit wiederholt am Rande der nuklearen Apokalypse, aber zu einer direkten, militärisch ausgetragenen Konfrontation ist es, eben deshalb, nicht gekommen; jedenfalls nicht auf der nördlichen Halbkugel, für deren gedeihliche Entwicklung die Ordnung des Kalten Krieges ja erfunden worden war. Aus Gregor Schöllgen, "Hat der Westen eine Zukunft?", DIE ZEIT 50/1996 http://www.zeit.de/1996/50/Politik/1996_zukunft.html Zum SPIEGEL nach dem Tod Augsteins: Seine Midlife-Crisis hat der Spiegel zwar hinter sich, aber er laboriert immer noch daran, dass seine Geschichten einen "hohen menschlichen Bezug haben" müssen, so steht's in seinem Statut. Der Gegner, den das Blatt ins Visier nimmt, braucht ein Gesicht und einen Namen, und darum war das Bonner Treibhaus eine glückliche Zeit. Aus Thomas Assheuer, "Auf dem Meer der Ratlosigkeit", DIE ZEIT 47/2002 http://www.zeit.de/2002/47/200247_ratlos#top Aus der Besprechung der Novelle "Über das Wasser" von H. M. van den Brink (aus dem Niederländischen): Auch David ist nicht mehr in der Stadt. Er ist spurlos verschwunden, nur die Erinnerungen an die gemeinsame, glückliche Zeit sind geblieben. Van den Brink gelingt in dieser Novelle das Kunststück, mit wenigen Worten die Größe wahrer Freundschaft und die Trauer um den Verlust eines geliebten Menschen für den Leser erlebbar zu gestalten, ohne jemals pathetisch zu werden. http://www.fragmentum.de/Buchkritik/Brink_Wasser.htm Aus einem Horoskop: Während Stiere der mittleren Dekade astrologisch gesehen eine angenehme, vielleicht sogar glückliche Zeit vor sich haben, könnten die Stiere der dritten Dekade von Pannen und Irritationen heimgesucht werden. http://www.wrage.de/kgs/0601horoskop.htm Aus einenm Satiremagazin über die 70er Jahre: Die Siebziger waren an sich jedoch eine glückliche Zeit, alles schien so neu und revolutionär. Der Silikonbusen war noch nicht erfunden, genausowenig wie das HI-Virus, dafür hatte die Antibabypille ihre grosse Zeit - und so konnte der Mann sich mit allem ehrlich einlassen, was sich anbot. Und das Angebot war riesig im Anbetracht der sexuellen Revolution und aufkeimenden Emanzipation, die das Verbrennen von Büstenhaltern als Mittel der Befreiung der Frau von den männlichen Ketten betrachtete. http://www.zyn.de/sventies_die Aus Schuberts Leben: Mit seinem Freundeskreis ist Schubert viel zusammen, man unterhält sich, unternimmt Pfänder- und Gesellschaftsspiele, Landpartien und - gestaltet musikalische Zusammenkünfte, eben jene Schubertiaden. Selbst wenn dies glückliche Tage für Schubert sind, ist er besorgt. Er hat keine bezahlte Arbeit und keine eigene Unterkunft. ... Der Sommer 1819 ist eine glückliche Zeit für Schubert. Nach ersten Aufführungen im Hause von Ignaz Sonnleithner und der Gesellschaft der Musikfreunde unternimmt er zusammen Vogl eine Reise nach Steyr, Linz und Kremsmünster. http://home.swipnet.se/~w-18046/dslife.html Über die Wechselbeziehungen zwischen Wolf und Beute: "Die glückliche Zeit" der Wölfe schien angebrochen. Die Wölfe hatten es zunehmend einfacher, ihre geschwächte Beute zu erlegen. Denn da die von den Elchen bevorzugten Weichlaubhölzer weitgehend abgeweidet waren, fehlte es den Tieren an Nahrung. Immer häufiger wurden auch Elche mittleren Alters Beute der Wölfe. Hinzu kam, das eine besonders hohe Biberpopulation den Wölfen auch im Sommer eine gute Nahrungsgrundlage lieferte. http://home.t-online.de/home/grey-wolf/wolfnprey.htm Aus einem Interview des MDR mit der früheren Spitzenturnerin Erika Zuchold: Doch eigentlich bin ich jetzt mit dem Turnen im Reinen, es war eine harte, aber auch sehr glückliche Zeit. http://www3.mdr.de/turnfest/tagebuch/inhalt_80862@.html Priesterlicher Spruch zu den Saturnalien: Seine glückliche Herrschaft wurde das Goldene Zeitalter genannt, als genug Nahrung war für jedermann und die Menschen den Reichtum teilten, den sie besaßen, und keiner jemals stahl oder kämpfte oder log. ... Aber bis diese glückliche Zeit kommt, in dieser, der kältesten Zeit des Jahres, begeben wir uns in Gedanken in Saturns kaltes Reich um zu erwecken den alten freundlichen König, und ihn zu bitten, erneut mit uns zu gehen und für diese kurze Zeit mit uns zu leben, und mit uns zu feiern und zu ehren das Goldene Zeitalter. http://www.uni-leipzig.de/~geschalt/pag/zeremon.html Aus 20 Tipps, um glücklicher zu leben: "Die einzig absolut glückliche Zeit in unserem Leben ist die, welche wir schlafend verbringen", wußte schon Klaus Mann. http://www.unicum.de/beruf/b-06-00/ei2-0600.htm Aus einem Interview mit Dr. Peter Pentchev, Pionier in der Erforschung der Niemann-Pick C Erkrankung: Doch sehr bald habe ich meine erste Frau dort kennengelernt und dann eine sehr glückliche Zeit meines Lebens in München verbracht. Leider habe ich meine erste Frau einige Jahre später durch einen tragischen Unfall verloren und habe eine lange Trauerzeit durchleben müssen. http://www.aafnp.org/german/itwpenta.html Aus der Geschichte von Werdenfels: 500 Jahre lang, bis zur Enteignung der kirchlichen Güter im Jahre 1802, gehörte Werdenfels zu Freising. Es soll eine glückliche Zeit gewesen sein, in der Handel und Verkehr blühten, so daß man Werdenfels "das Goldene Landl" nannte. http://www.werdenfels.de/landinfo/geschichte.html Aus den Erinnerungen an die Schulzeit in Mariazell: Obwohl ich nach der Volksschule noch die verschiedensten Schulsessel strapaziert habe, hat doch diese Zeit an "unserer Volkschule" eine tiefe Furche in meinem Leben hinterlassen, sozusagen eine Spur im Leben. Es war eine wirtschaftlich schwere Zeit, für uns Kinder jedoch eine glückliche Zeit. http://www.mariazell.at/volksschule/november2001.html Über die Entwicklung des Badminton: Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts stieg die Zahl der Vereine im Vereinigten Königreich um mehr als des Zehnfache: Die Zeit Edwards war eine glückliche Zeit für Badminton. http://www.badminton-illingen.de/sonstiges/geschichte.htm Erinnerungen eines Franzosen, der einmal Deutscher war: Seine anschließende Zeit als Résistance-Kämpfer zwischen 1941 und 1944 erlebte er trotz aller Gefahren und Bedrohungen als eine erfüllte und glückliche Zeit, ehe er am 11. Februar 1944 der Gestapo ins Netz ging und schließlich ins Konzentrationslager Dachau deportiert wurde. Aus der Rezension des Buches von Joseph Drovan, Zeitschrift für KulturAustausch 4/2001 http://www.ifa.de/zfk/rezensionen/drovan.htm Zu einer Sonderausstellung im Europäischen Industriemuseum für Porzellan, Selb-Plößberg: Es herrschte allgemein eine positive Grundstimmung, begünstigt auch dadurch, dass der französische Staat als Vorreiter Künstler bewusst in öffentliche Vorhaben einbezog, auch indem 1% des staatlichen Zuschusses für Projekte an die Kunst ausgereicht wurde. Wandgestaltungen aus Keramik waren sehr gefragt, jedoch wegen des sensiblen Materials Ton eher für den Innen- als den Außenbereich. All dies trug dazu bei, dass junge Künstler Fuß fassen und sich entwickeln konnten. Für die Keramiker eine glückliche Zeit. http://www.dt-porzellanmuseum.de/schultze1.htm Aus den Erinnerungen eines ehemals Drogenabhängigen: Im Rückblick auf meine Kindheit kann ich sagen, dass es eine glückliche Zeit war, obwohl mein Vater immer wieder im Ausland arbeitete und meine Mutter, mein Bruder und ich oft alleine waren. http://www.vollhigh.ch/berichte/reto.php Aus den Erinnerungen Paul Spiegels an seine Kindheit im 2. Weltkrieg: Eines Tages erschien die Mutter, packte den Jungen und brachte ihn zu einer belgischen Bauernfamilie. Sie nahm das Kind auf wie ein Familienmitglied. Dort erlebte Paul Spiegel eine "glückliche" Zeit, in der er als Christ lebte. Den Rosenkranz, den er während dieses Aufenthalts geschenkt bekam, hat er bis heute verwahrt. http://www.osnabrueck.de/archiv/2002/20455.html Aus einem Dokumentarfilm Leipziger Schülerinnen und Schüler: "Wir haben das nicht gewusst!", versichert Elisabeth Lochmann nachdrücklich. Während sie zur Schule ging und nachmittags mit ihren Freundinnen unterwegs war, wurden in ihrer Nachbarschaft Häuser geplündert und Mädchen, so jung wie sie, von der Polizei abgeholt. Etwa 14.000 Leipziger Jüdinnen und Juden fielen dem nazistischen Terror zum Opfer. "Es war eine glückliche Zeit mit Feiern, wunderbare Hochzeitsfeiern, da wurde von diesen Dingen nicht gesprochen, auch kein Lehrer verlor je ein Wort darüber", erinnert sich die alte Frau heute. Sie erzählt vom Zusammensein im Bund Deutscher Mädels -- "es waren sehr intelligente junge Frauen" -- und von ihrer 17-jährigen Enkelin, die ihr heute nicht glauben will, dass sie nichts wusste. Dann schweigt Elisabeth Lochmann, und ihr Blick bittet um Verständnis. http://d-a-s-h.org/projekte/modell2001/09_wider_weiter.html Aus einer Rezension zu Günter Grass "Mein Jahrhundert" Doch zurück in die 30er Jahre: Wie Millionen anderen bescherten sie mir eine glückliche Zeit. Mitten in den Alpen begegnete ich meiner späteren Frau und als Marinepfarrer lernte ich Meere, Ozeane und ferne Länder kennen. Von Konzentrationslagern, Reichskristallnacht, Liquidierungen und Kriegstreiberei ahnte ich nichts. Nach dem Krieg war unsere junge Familie nur froh, diese dunkle Zeit heil überstanden zu haben - um den todbringenden Einsatz an der Front war ich herumgekommen. Meine Erinnerung? Die kennt nur Schmach und Schande. http://www.bennoshuette.de/ausgabe_01/artikel_jahrhundert.htm Zu den Kaisern Nerva und Traian: Marius Coeccius Nerva (96-98). Nerva wurde ausgewählt, weil er kinderlos war und deshalb keinen direkten Nachfolger bestimmen konnte. Der Senat hatte sein Ziel erreicht, den Kaiser nach vernunftmäßigen Kriterien auswählen zu können. Nerva zog einen Schlussstrich unter die Politik seiner Vorgänger und schwor, keinen Senator umbringen zu lassen. Er verfolgte Domitians Anhänger und ließ sie später unter Druck hinrichten. Als er 98 starb, hatte er seinen ausgewählten Nachfolger Traian (98-117) bereits adoptiert. Mit ihm, so glaubte der Senat, hatte man den bestmöglichen Nachfolger gefunden, was sich bald bewahrheiten sollte: Unter ihm begann eine glückliche Zeit für das römische Reich - es erlangte seine größte Ausdehnung. http://www.latein-pagina.de/index.html?http://www.latein-pagina.de/iexplorer/nerva.htm Seitenanfang Dem Abgrund entgegen? Edgar Morin - Soziologe
Der wissenschaftliche Fortschritt hat die Herstellung und Verbreitung nuklearer, chemischer und biologischer Massenvernichtungs-Waffen ermöglicht. Technische und industrielle Entwicklung haben einen Prozess der Verschlechterung der Biosphäre hervorgerufen, und der Teufelskreis von Wachstum und ökologischer Verschlechterung weitet sich aus. Die Globalisierung der Märkte, ohne Regulierung von außen oder wirkliche Selbst-Steuerung, hat neue Inseln des Reichtums geschaffen, aber auch ständig wachsende Armuts-Gebiete; sie hat reihenweise Krisen verursacht und tut dies auch weiterhin, und ihre Ausdehnung droht, mit aller Macht ein Chaos herbeizuführen. Die Entwicklungen der Wissenschaft, der Technik, der Industrie und der Wirtschaft, die zukünftig das Raumschiff Erde ins Schleudern bringen, werden weder von der Politik noch von Ethik gesteuert. Also das, was den Fortschritt zu sichern schien, fördert zwar die Möglichkeiten weiteren Fortschritts, bringt und vergrößert aber auch Gefahren. Die genannten Entwicklungen sind von vielen oft barbarischen Rückschritten begleitet. Immer mehr Kriege gibt es in der Welt, und sie sind mehr und mehr ethnisch-religiös bedingt. Überall geht bürgerliches Bewusstsein zurück und Gewalt zersetzt die Gesellschaft. Mafioses Verbrechertum herrscht weltweit. Das Gesetz der Rache ersetzt die gesetzliche Rechtsprechung und gibt vor, das wahre Recht zu sein. Manichäische Konzepte beherrschen das Denken derer, die sonst Rationalität zum Prinzip erklären. Die, die fanatisch an Gott glauben und die, die nur das goldene Kalb verehren, wüten gegeneinander. Aber wenn beides übertrieben ist, so gibt es doch eine Gemeinsamkeit: die wirtschaftliche Globalisierung fördert die Finanzierung des Terrorismus, der gerade diese Globalisierung tödlich treffen will. In diesem Bereich, wie auch in anderen, werden die hasserfüllten Barbareien, die es schon im Dunkel der Nacht der frühen Geschichte gab, mit der anonymen und eiskalten Barbarei, die unserer Zivilisation eigen ist, fortgesetzt. Es gibt immer mehr Austausch auf der Welt, aber die Fälle, wo man sich nicht versteht, werden auch immer zahlreicher. Die gegenseitige Abhängigkeit der Gesellschaften wird größer, und trotzdem zerfleischt man sich immer häufiger gegenseitig. Die westliche Kultur breitet sich weltweit aus, aber das ruft Identitäts-bestimmte, ethnische, religiöse und nationale Reaktionen bei denen hervor, die damit nicht einverstanden sind. Irrationale und nur vermeintlich sichere Überzeugungen breiten sich wieder aus, aber die abstrakte, kalkulierende, wirtschaftliche, vom Manager-Denken bestimmte, technokratische Vernunft vermag ihrerseits nicht, die Probleme der Menschlichkeit weltweit zu erfassen. Die abstrakt denkenden Geister sehen die Blindheit der Fanatiker, aber nicht ihre eigene. Diese beiden Sichtweisen, beide gleich blind, nämlich die des konkreten Irrationalismus und die der abstrakten Rationalität, wetteifern darin, das gerade beginnende Jahrhundert zu verdunkeln. Ich habe seit langem betont, dass der Vordere Orient mitten in einer Erdbeben-Zone liegt, wo sich die verschiedenen Religionen, Religionen und Laizismus, Ost und West, Nord und Süd, arme und reiche Länder gegenüberstehen. Der Konflikt zwischen Israel und Palästina, mitten in dieser Beben-Zone, stellt sich wie ein Krebsleiden dar, dessen Metastasen sich auf die ganze Welt auszubreiten drohen. Der Teufelskreis aus massiven Angriffen des Tsahal auf palästinensisches Gebiet und Selbstmord-Attentaten in Israel wird sich bald auch auf andere Gebiete ausdehnen. Es ist doch so, dass die mörderische Unterdrückung durch Israel in der moslemischen Welt eine unglaubliche anti-jüdische Welle ausgelöst hat, die die alten Themen der Juden-Feindlichkeit im Christentum und in den westlichen Nationen wieder aufnimmt, sodass der Hass gegen Israel zum Hass auf die Juden ganz allgemein wird. Die blinde Gewalt der palästinensischen Kamikaze-Angriffe, dann die Attentate von Al-Quaida, haben die Anti-Islam Welle verstärkt - nicht nur in Israel, sondern auch im Westen, nicht nur bei den Juden in der Diaspora, sondern in den verschiedensten Bereichen. Davon zeugt das Buch von Oriana Fallaci gegen den Islam ("Die Wut des Stolzes", Verlag Plon) und die fanatische und rückständige Seite dieser Religion. Die Verschlimmerung der Situation könnte neue Konfliktherde innerhalb der Nationen erzeugen. Frankreich, mit seiner zahlreichen Bevölkerung moslemischen sowohl wie jüdischen Ursprungs, konnte bisher vermeiden, dass die Gewalttaten der jungen Araber und die pro-israelische Verzweiflung zu Auseinandersetzungen führten. Ein neuer Ausbruch von Gewalt im Vorderen Orient würde anderswo zu einem Anstieg des Hasses und der Gewalt führen, und das laizistische Frankreich würde zum ethnisch-religiösen Kriegsfeld zwischen zwei Gruppen seiner Bevölkerung werden. Zudem hat Al-Quaida, obwohl es gar nicht aus dem Konflikt zwischen Israel und Palästina entstanden ist, nach den Attentaten in Kenia die Sache der Palästinenser zum Vorwand für seine Massaker gemacht. Der israelisch-palästinensische Teufelskreis wird weltweit, und der circulus vitiosus Westen-Islam wird immer heftiger. Der Irak-Krieg wird einen schrecklichen Tyrannen ausschalten, aber er wird die Konflikte verschärfen, den Hass, die Revolten, Unterdrückungen und den Terror, und kann womöglich einen Sieg der Demokratie in den Sieg des Westens über den Islam verwandeln. Die Wogen der Juden-Feindlichkeit und der Islam-Feindlichkeit werden noch heftiger werden, und das Manichäertum wird zu einem Aufeinanderprallen von Barbareien, das man "Zusammenprall der Zivilisationen" nennt. Der Führer der größten westlichen Macht ist zum Zauberlehrling geworden; in seinem kurzsichtigen Kampf gegen den Terrorismus verstärkt er dessen Ursachen, und in seinem Widerstand gegen wirtschaftliche und ökologische Vereinbarungen fördert er die Zerstörung der Biosphäre. Die Barbarei des 20. Jahrhunderts hat in vielen Bereichen der Menschheit die Geißeln von zwei Weltkriegen und von zwei Super-Totalitarismen entfesselt. Die Barbareien des 20. Jahrhunderts setzen sich im 21. Jahrhundert fort, aber die des 21. Jahrhunderts - Hiroshima war das Vorspiel - führen womöglich zur Vernichtung der ganzen Menschheit. Im 20. Jahrhundert gab es polizeilichen und politischen Terror und Konzentrationslager. Im 21. Jahrhundert kann die Barbarei, nach dem 11. September 2001, sich unbegrenzt auf unseren ganzen Planeten ausdehnen. Die Nationen können der weltweiten Barbarei nur widerstehen, indem sie sich auf sich selbst zurückziehen - was wiederum die Barbarei verstärken würde. Europa ist unfähig, sich politisch zu bestätigen, unfähig, sich zu öffnen indem es sich reorganisiert, unfähig sich zu erinnern, dass die Türkei seit dem 16. Jahrhundert eine große europäische Macht war, und dass das osmanische Reich zu seiner Zivilisation beigetragen hat. (Es vergisst, dass gerade das Christentum sich in der Vergangenheit intolerant gegenüber allen anderen Religionen gezeigt hat, während der andalusische und osmanische Islam Christentum und Judentum akzeptiert hat). Überall, aber getrennt, bildet sich Bewusstsein. Ein internationales Staatsbürgertum ist im Embryonal-Zustand. Eine weltweite bürgerliche Gesellschaft erscheint noch nicht. Die Vorstellung einer weltweiten Schicksalsgemeinschaft ist nur vereinzelt vorhanden. Eine echte Initiative ist noch nicht formuliert. Die Idee der Entwicklung, die ja eine "dauerhafte" sein soll, zeigt, dass auch unsere Zivilisation sich in einer Krise befindet, d.h. dass sie selbst sich reformieren muss. Dies verhindert, dass die Welt andere Entwicklungs-Formen findet als die, die den Westen kopieren, und dass eine Symbiose der Zivilisationen gebildet wird, die die besten Seiten der westlichen Zivilisation einbeziehen würde (Menschenrechte und Rechte der Frauen, Demokratie), nicht aber deren schlechten Seiten. Die Entwicklung wird von ungesteuerten Kräften angeregt, die die Katastrophe herbeiführen. Jean-Pierre Dupuy fordert in seinem Buch "Für eine aufgeklärte Katastrophen-Behandlung" ("Die Farbe der Ideen", Verlag Seuil), dass die Unvermeidbarkeit der Katastrophe erkannt werden muss, um sie verhindern zu können. Aber abgesehen davon, dass das Gefühl der Unvermeidbarkeit zur Passivität führen kann, setzt Dupuy, mißbräuchlich, das Wahrscheinliche mit dem Unvermeidbaren gleich. Für einen Beobachter in einer Zeit und an einer Stelle, wo man über sehr verlässliche Informationen verfügt, erscheint aber das, was wahrscheinlich ist, als die Zukunft. Und tatsächlich führen alle gegenwärtigen Vorgänge zur Katastrophe. Aber das Unwahrscheinliche bleibt möglich, und die Geschichte zeigt uns, dass das Unwahrscheinliche das Wahrscheinliche ersetzen kann. Ein Beispiel : Ende 1941 / Anfang 1942 schien eine lange Herrschaft des Hitler-Reiches über Europa wahrscheinlich, aber sie wurde unwahrscheinlich und stattdessen gab es den wahrscheinlichen Sieg der Alliierten. Tatsächlich haben ja in der Geschichte alle großen Neuerungen das überwunden, was wahrscheinlich war: so war es mit der Sendung von Jesus und Paulus, mit der von Mohammed, mit der Entwicklung des Kapitalismus und dann des Sozialismus. Die Tür ist offen für das Unwahrscheinliche, selbst wenn das gegenwärtige Anwachsen der Barbarei in der Welt dies kaum vorstellbar macht. Es erscheint widersinnig, aber das Chaos, in dem die Menschheit unterzugehen droht, enthält in sich eine letzte Chance. Warum? Zunächst, weil die Nähe der Gefahr das Bewusstsein ihrer Bedrohlichkeit verstärkt. Und dieses Bewusstsein breitet sich aus und kann eine breite Politik des Heils dieser Welt hervorbringen, vor allem aus folgendem Grund: wenn ein System unfähig ist, seine Existenz-Probleme zu bewältigen, dann löst es sich entweder auf, oder es schafft es, sich während seiner Auflösung in ein stärkeres Meta-System zu verwandeln, das dann seine Probleme bewältigen kann. Die Menschheit ist gegenwärtig nicht fähig, ihre lebenswichtigen Probleme zu lösen, angefangen bei dem des Überlebens. Sie ist zwar technisch, aber nicht politisch, fähig, den Hunger in der Welt abzuschaffen. Diese Unfähigkeit kulminiert in dem Paradox Argentiniens, wo die Nahrungsmittel-Erzeugung fünf mal so groß ist wie der Bedarf der Bevölkerung, aber eine große Zahl von Kindern (25 % in der Provinz Tucunan) an schwerer Unterernährung leidet. Ja wirklich, in der unserer heutigen Welt ist es unmöglich, das Mögliche zu tun. Hier erscheint uns die Idee des positiven feed-back (Rückkopplung) sinnvoll. Dieser Begriff, von Norbert Wiener formuliert, deutet auf die unkontrollierte Beschleunigung und Ausbreitung einer Tendenz hin, die unserem System innewohnt. In der physischen Welt führt ein effektives feed-back unfehlbar zum Zerfall des Systems. Aber in der menschlichen Welt, wie Magoroh Maruyama es dargestellt hat, kann das positive feed-back, indem es die alten verknöcherten Strukturen auflöst, Kräfte der Verwandlung und der Regeneration wachrufen. Die Metamorphose der Raupe zum Schmetterling ist da eine interessante Metapher: wenn die Raupe zur Larve wird, dann zerstört sie ihren Raupen-Organismus, und dieser Prozess ist gleichzeitig die Bildung des Organismus des Schmetterlings, der sowohl derselbe, wie ein anderer als der der Raupe ist. Und genau darin besteht die Metamorphose. Die Verwandlung in den Schmetterling ist vorgegeben. Die Metamorphose der menschlichen Gesellschaften in eine "Weltgesellschaft" ist ungewiss, unsicher, und sie ist tödlichen Gefahren ausgesetzt, was aber unvermeidbar ist. So kann es der Menschheit geschehen, dass sie bei der Geburt ihrer Zukunft verunglückt. Und dennoch: wenn auch unser Organismus unterschiedlich befähigte Zellstämme enthält, die wie beim Embryo zur Bildung all unserer verschiedenen Organe führt, so birgt auch die Menschheit die schöpferischen Gaben, die Neues hervorbringen können; und wenn wirklich solche Begabungen eingeschlafen sind, verschüttet durch Spezialisierung und Erstarrung unserer Gesellschaften, so können doch die Krisen, die die Welt erschüttert haben und noch erschüttern, die lebenswichtige Metamorphose bringen. Deshalb: möge die Überwindung der Hoffnungslosigkeit uns hin zu neuer Hoffnung führen. Le Monde Januar 2003 Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche von Dieter Böckmann Seitenanfang Druckversion (pdf) |