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Lachen ist schön - wieso eigentlich?

Bearbeitungszeit 29.12.2003 bis 08.02.2004
Moderator Werner Toporski


Kurzreferat
Zusammenfassung

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Kurzreferat

Jorge:                                     "Christus hat nie gelacht!"               
William von Baskerville:     "Da bin ich mir gar nicht so sicher"
Umberto Eco: "Der Name der Rose"     


Was, zum Teufel, haben wir eigentlich vom Lachen? Wir verbrauchen dabei Luft und Energie, aber es macht uns nicht satt, bewegt uns nicht fort, und mehrt weder Reichtum noch Gesundheit. Was soll's also?

Nun ist Lachen nicht gleich Lachen, und Lächeln wieder ganz was anderes. Also Spaß beiseite! Wir müssen erst mal Ordnung schaffen.

Das Lächeln
Lächeln ist etwas anderes als Lachen. Wir lächeln, wenn wir dem Gegenüber zeigen wollen, dass wir ihm freundlich gesonnen sind. Bei Tieren heißt es "Spielgesicht" und wir sehen es an raufenden jungen Hunden. Auch bei uns gilt eine von Lächeln begleitete Aggression als Spiel: Die Mutter, die mit einem "bububuh" den Bauch ihres Babys küsst, erntet juchzendes Entzücken. Übrigens kann man so auch echte Aggressionen unterlaufen: Durch nichts lässt sich ein tobender Choleriker leichter entwaffnen als durch ein Lächeln. Und so betrachtet ist es sicher auch eine Demutsgeste, die zum Abbruch von Aggressionen führt.

Das Lachen
Was aber ist Lachen? Und was haben wir davon? Und warum tritt es in so vielen unterschiedliche Formen auf?

Wir lachen miteinander
  • wenn wir uns gemeinsam freuen oder einfach Quatsch machen (Kinder!)
  • wenn einer einen Witz erzählt
  • wenn etwas Komisches passiert


  • wir lachen gegeneinander
  • wenn wir einen auslachen
  • wenn wir in einer Männerhorde "brüllend lachen" (die Zote ist eine Aggression!)
  • wenn wir hämisch oder triumphierend lachen


  • Manchmal ist Lachen gar nicht komisch!


    1.  Lachen und Gesellschaft

    Lachen hat also etwas mit Gemeinschaft zu tun. Zwar lachen wir auch über ein lustiges Buch, aber auch das ist ja Kommunikation. Quatsch kann man sowenig allein machen, wie sich selber kitzeln. Der Witz ist ein soziales Erlebnis, und Humor ein Merkmal sozialer Kompetenz ("Es ist schwierig, jemanden nicht zu mögen, der uns zum Lachen bringt"). Kleine Anmerkung: Humor hat nur, wer über sich selber lachen kann.

    Aber man kann auch ganz anders lachen: auf jemandes Kosten zum Beispiel. Indem man im anderen das Komische entdeckt, fühlt man sich selber erhaben ("behagliches Pharisäergefühl"). Diese Art Lachen kann auch eine Gruppe gegen Außenstehende zusammenschweißen, doch in jedem Fall ist es destruktiv. Auslachen ist eine soziale Strafe und demonstriert die Macht des Lachenden. Eine intellektuell verbrämte Form des Auslachens ist die Ironie. Machen wir sie zur Selbstironie können wir aber wieder miteinander lachen.

    Ganz schlimm: Ein Kind auslachen!


    2.  Lachen und wir selber

    Lachen ist befreiend. Wir lachen, wenn eine vermeintliche Gefahr sich als harmlos erweist oder wenn eine Annahme sich unerwartet ins Gegenteil verkehrt. Es werden Spannungen reduziert und man schöpft wieder neue Kraft. Übrigens gibt es eine interessante Wechselwirkung zwischen Hirn und Körper: Unser Gesicht lacht nicht nur, wenn wir der Verstand etwas komisch findet, es gilt auch umgekehrt: Mit einem bewusst erzeugten Lächeln können wir unsere Stimmung heben!

    So ist es kein Wunder, dass das Lachen auch einen erheblichen Einfluss auf unsere Gesundheit hat. "Lachen ist die beste Medizin", heißt es, und das kann man sogar nutzen. Das Immunsystem wird gestärkt, die Überlebensrate bei Krebs ist höher und in der Pädiatrie helfen Clowns beim Heilen.

    Übrigens: Lachen tötet die Furcht! Daher will Jorge (s.o.) es auch nicht zulassen! Und die Geschichte wäre anders verlaufen, hätte man über Hitler oder Stalin lachen dürfen.


    3.  Aber woher kommt unsere Fähigkeit zu lachen?

    Eines ist sicher: Das menschliche Lachen setzt Intelligenz voraus. Denn wir lachen, weil etwas ganz anderes geschieht, als unser Verstand erwartet hatte. Wir lachen über den unlogischen Schnörkel in der von uns ach so logisch sortierten Welt.

    Aber wozu ist es gut? Warum freuen wir uns so, wenn wir lachen? - Da es so starke Gefühle auslöst, steht zu erwarten, dass es in unserer Evolution eine Rolle gespielt hat. Stärkte Lachen den Zusammenhalt in der Gruppe ("Lachen steckt an")? Ließen sich mit dem Lachen Bedrohungen leichter überwinden? Konnten wir im Lachen vielleicht sogar dem allgegenwärtigen Tod leichter ins Auge blicken? - Noch heute sind gute Clowns meist auch traurige Clowns.


    4.  Stellen wir uns also Fragen:

  • Welche Rolle spielt das Lachen für uns selber?
  • Lachen Männer und Frauen verschieden?
  • Welche Rolle spielt das Lachen in der Erziehung?
  • Das Lachen in der Evolution: Was haben wir davon?
  • Wie lustig ist die Spaßgesellschaft?


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    Zusammenfassung der Diskussion

    Zu diesem Thema gab es 37 Diskussionsbeiträge im Forum von 8 Teilnehmern sowie 6 Chats.

    "Lachen ist eine der nettesten Formen, seinen Mitmenschen die Zähne zu zeigen."
    (aufgetrieben von Margit)


    1. Was ist das eigentlich: "Lachen"?
    Die Gelotologie ist die Wissenschaft vom Lachen. Sie lehrt, dass nur der Mensch laut lachen kann. Dass wir es schön finden, liegt an der Freisetzung von Stoffen, die uns auch bei Jogging, Drogen und Sex Wohlbehagen bereiten (Endorphine). Männer und Frauen lachen etwas verschieden, aber nicht sehr. Es ist eine soziale Fähigkeit: Wir lachen nicht nur gern in Gesellschaft, sondern es eint uns auch und macht uns stark. Sind wir einsam, vermissen wir das Lachen der anderen.
    Humor deutet immer auf einen aufgeschlossenen Menschen hin, Lachen allein keineswegs, denn man kann damit andere auch täuschen. Ganz ehrlich lacht nur das kleine Kind. Schon als Schulkind lernt es das Auslachen oder leidet darunter. Lächeln kann soziale Maske sein (Japan), und Lachen eine schreckliche Waffe. Der Hofnarr war ein gefürchteter Mann, dessen Spott zerstören konnte. Nur wenn der Ausgelachte mitlacht, bleibt er Sieger: Er nimmt den anderen die Waffe.
    Kinder lachen mehr als Ältere und können herrlich albern sein. Auch Behinderte lachen gern, ein Zeichen, dass Lachen eher emotionales Bedürfnis als rationales Erkennen von Widersinn ist. Männer lachen eher naiv, Frauen mehr "von innen heraus". Schrecklich ist, wenn man an unpassender Stelle lachen muss (Warum eigentlich nicht in der Kirche?). Übrigens: Auch zur Folter ist das Lachen missbraucht worden (Simplizissimus).
    Der Vielfalt des Lachens entspricht die Menge der darauf bezogenen Ausdrücke sowohl im Deutschen als auch im Französischen.

    2. Lachen in der Erziehung
    Weil Lachen Kommunikation ist, ist es gerade in der Erziehung wichtig. Mit einem befreienden Lachen lässt sich manches lösen, und wo viel gelacht wird, erhält Ernstes einen anderen Wert. Voraussetzung ist, dass Eltern über sich selbst lachen können. Wenn man schimpft und nicht ernst genommen wird, ist das zwar schrecklich aber auch herrlich komisch.
    Erstaunlich, dass selbst der Tod eines Elternteils in einer heiter gestimmten Familie leichter zu ertragen war.
    Im Unterricht kann Lachen der pädagogische Hebel sein, denn fröhlich lernt es sich leichter. Literarisch gefassten Humor dagegen zu vermitteln (Molière) ist nicht immer einfach.

    3. Lachen und Evolution
    Ob die Neandertaler gelacht haben? Wir wissen es nicht, aber bei ihrem Entwicklungsstand kann man es annehmen. Dass das Lachen eine wichtige Rolle in der Evolution gespielt hat, kann man schon daraus schließen, dass es erblich verankert und mit starken Empfindungen verbunden ist. Es festigt den Zusammenhalt einer Gruppe und mindert Streit, ein wichtiger Vorteil in einer Welt voll Gefahr. Vielleicht hat uns ja das Lachen eine Kraft vermittelt, die Tieren nicht zu Gebote stand.
    Auch in der Liebe spielt Lachen eine Rolle. Nicht nur, dass "man sich eine(n) anlacht", Fröhlichkeit ist auch eine Form der Werbung. Ein lachender Mensch ist liebenswerter und ein schüchternes Lächeln ein Zeichen beginnender Gemeinsamkeit. Wäre etwa die Menschheit ohne das Lachen ausgestorben...?
    Nebenbei: Regime, die den Menschen das Lachen austreiben wollten, sind früher oder später stets gescheitert. Mit dem Lachen nimmt man dem Menschen einen Teil seiner Würde.

    4. Witze
    Witze sind Glücksache, oder besser: Sache des Feingefühls. Die Grenzen des Humors sind bei den Menschen verschieden, und was der eine komisch findet, wirkt auf den anderen verletzend. Besonders heikel sind der schwarze Humor und der über das Wechselspiel der Geschlechter. Auch bei Witzen gilt "allzuviel ist ungesund": Witzeerzähler töten jede Geselligkeit.
    Der politische Witz hat Ventilfunktion, er lässt Dampf ab, der anders nicht raus kommt. Deswegen wurden zu DDR-Zeiten viel mehr Witze erzählt als heute.

    5. Wie lustig ist die Spaßgesellschaft?
    Die "Spaßgesellschaft" will nicht eine fröhliche Gesellschaft, sondern Spaß für jeden Einzelnen. Pflicht und Verantwortung stören da. So heißt Liebe nicht mehr, für jemanden sorgen, sondern Spaß haben. Und wer den nicht mehr hat, haut ab. Kinder bereiten Mühe, machen also keinen Spaß. Der "Fun" der "Kids" an elektronischen Geräten führt sie in Vereinsamung, und bei den Großen wird das Reisen zur Flucht vor sich selbst.
    Natürlich gilt das nicht für alle. Und vielleicht ist es ja auch so etwas wie die Abwehrreaktion einer desillusionierten Gesellschaft, letztes Bollwerk gegen die Verzweiflung, Flucht vor dem Ungewissen.

    6. Lachen und Tod
    Nicht immer ist Lachen Ausdruck von Glück. Der schwarze Humor spielt mit dem Tod, um ihm die Schärfe zu nehmen: Worüber ich lachen kann, ertrage ich leichter. Komödie und Tragödie bilden eine Einheit, der Clown tanzt an der Grenze des Verhängnisses und spielt mit unserer Lebensangst.
    So wie das Leben seinen Wert erst vor dem Hintergrund des Todes erhält, so das Lachen vor dem des Weinens.

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