Wenn die Spree durch das Industriegebiet von Schöneweide geflossen ist, muss sie an der linken Seite etwas Wasser abgeben – an den Britzer Zweigkanal. Er verbindet die Spree mit dem Teltowkanal. Der wurde 1905/1906 gebaut. Die Lastschiffe konnten nun die Stadt Berlin umfahren und der Wasserweg zwischen Oder und Elbe verkürzte sich um 16 km.
In der Sumpfgegend von Johannisthal stockten um 1900 einige Bewohner ihr Haushaltsgeld durch den Fang und Verkauf von Kreuzottern auf. Mit dem Bau des Teltowkanals sank der Grundwasserspiegel und die Kreuzottern verzogen sich. Johannisthal, das Johannes Werner 1753 im Auftrag des Preußenkönigs Friedrich II. gründete und das in diesem Jahr sein 250-jähriges Bestehen feierte, wurde mit den Orten Niederschöneweide und Adlershof eine trockene Insel mit viel genügsamen Kiefernwald. Der verschwand dann teilweise, als Johannisthal 1909 durch den Bau des ersten Motorflugplatzes in Deutschland berühmt wurde. Die Massen der Besucher strömten zu den Flugschauen.
Auch einer der ältesten Familienbetriebe von Berlin, der 1720 gegründet wurde und den es heute noch gibt, litt durch den Bau des Teltowkanals. Franz Späth, der Besitzer der damals größten Baumschule der Welt, stellte sumpfiges Land für den Bau des Teltowkanals zur Verfügung. Er erhoffte sich dadurch eine leichtere Ent- und Bewässerung seines Betriebes, aber durch das 1901 entstandene Wasserwerk und den Teltowkanal wurde zu viel Wasser entzogen. So begann er, seine Baumschule ins Land Brandenburg zu verlegen. Aber das damals angelegte Arboretum, ein botanischer Garten für Bäume, erfreut auch heute noch die Besucher.
Claudio Cassetti
Treptower - Landwehrkanal
Die Spree und der Landwehrkanal sind Teile von circa 190 Kilometern Wasserwege in Berlin, einer Stadt, die von 552 Brücken (mehr als Venedig) überquert wird.
Als ich 1982 nach (West) Berlin-Kreuzberg kam, habe ich hier Luft und Freiheit für die Augen gefunden, ein Hauch des Wassers der Adria, des Arno, des Tibers ...
Eine eingeschränkte Freiheit, weil der eiserne Vorhang hier durch die Spree ging, an dem Punkt, an dem der Landwehrkanal in die Spree mündet. Der Landwehrkanal ist vielleicht der einzige Wasserweg, der gänzlich in (West) Berlin liegt.
(West) Berlin war eine kleine Welt, eine komische Welt, aber meine Welt. In (West) Berlin, fast am Ufer vom Landwehrkanal: Kreuzberg - Kleinistambul (66 % deutsche Bewohner), heute Potsdamerplatz: die zeitweilig größte Baustelle Europas, dann das Museum des deutschen Widerstandes, das Bauhaus-Archiv, Hausbesetzungen, der Hexenkessel an der Brandmauer des Kuckucks, Bahnhof Zoo und Nina Hagen, der "spießige" (was heißt eigentlich "spießig"? Was heißt eigentlich "alternativ"?) Ku' damm, Sender Freies Berlin, die Freie Universität, die Glocken der Freiheit, freie Fahrt für freie Bürger (a 200 km/Stunde), wo fuhrt uns die Freiheit hin ...
Am Ende der (westlichen) Welt, vom Rest der Welt durch eine damals ewige Mauer getrennt. Ich fragte mich damals: Wozu die Mauer? Ich fantasierte damals: Um einen Schatz zu schützen! Ich fragte mich noch damals: Ist der Schatz an der anderen Seite der Mauer? Oder sind wir der Schatz? Diese Fantastereien sind vorbei, die Geschichte geht voran. Jetzt ist die Klarheit geblieben, d.h. die Klarheit des riesigen Glashochhauses des Treptowers, der riesigen Molecule-Männer, die sich auf dem Wasser umarmen, während die Sonne auf dem Wasser der Spree unter- und aufgeht.
Karin Manke
Oberbaumbrücke
Immer schmaler werdend fließt mein Fluss am Osthafen vorbei, unter der weit über l00-jährigen - aus rotem Klinkerstein erbauten - Oberbaumbrücke hindurch. Vor der Silhouette der Stadt erscheint sie, mit ihren Türmchen und Schmuckelementen, wie ein vergessenes Kleinod unserer Vor-Vorfahren.
Diese Brücke ist auch ein Wahrzeichen der Stadt, aber vor allem des Stadtbezirkes Friedrichshain/Kreuzberg und besonders beliebtes Fotomotiv.
Acht Jahre lang blickte ich vom 5. Stock des ostberliner Zeitungsvertriebsamtes in der Mühlenstraße aus meinem Büro auf die Spree hinab - dort, wo heute wieder, als wäre es nie anders gewesen, Brücken und Straßen Ost und West miteinander verbinden.
Dort sah ich die Spree lieblich fließen, wie Samt und Seide; sah sie stürmen und toben, aufgepeitscht durch rasende Grenzboote und sich auflehnend gegen die Not ein Grenzfluss zu sein. Ich sah den Fluss auch vereist und zugefroren, meine Gefühle bremsend, die sich oft hinwegsehnten in die unbekannte Stadt, das fremde Land, das ferne Ufer.
Heute trennt die Mauer uns nicht mehr voneinander. Künstler haben sie bemalt und eine East Side Gallery geschaffen, wie zum Hohn, auch einen neuen lebendigen Mittelpunkt, eine touristische Attraktion, allen Berlinern und Gästen.
Wenn dann die Spree das Märkische Ufer erreicht, beginnt sie sich zu teilen. Sie wird zum Rahmen einer Insel, die einst von echten Fischern bewohnt, aber auch Platz bietet dem Schloss, dass nach seiner Zerstörung in den 50er Jahren nun im Gespräch der Politiker ist, wieder aufgebaut zu werden; dem Lustgarten und der Museumsinsel, bevor sich der Fluss wieder mit sich selbst vereint, seinen Weg weiter durch die Großstadt nimmt.
Günter Schöffler
Kupfergraben / Museumsinsel
Es heißt, dass ein Sekt um so besser ist, je kleiner seine Perlen sind. In der Mitte Berlins dagegen umfasst ein Flüsschen namens Kupfergraben eine der größten Perlen der Stadt: die Museumsinsel. Weltkulturerbe der UNESCO. Mit vier weltbekannten Ausstellungshäusern, ein Weiteres ist vom letzten Krieg her noch
eine Ruine. Ich gehe gern in diese Musentempel, um mir die Vergangenheit in eine Gegenwart zu holen, die es oft schwer hat zu bestehen.
Im Pergamonmuseum ist nicht nur der Altar aus Pergamon zu bestaunen, sondern auch die Prozessionsstraße mit dem Ischtar-Tor aus dem alten Babylon. Die konnte ich mir schon im Original anschauen. Das ist nun wieder nicht so ansehnlich wie der gegenwärtige Nachbau mit den originalen farbigen Ziegeln aus der Vergangenheit von 2 1/2 Jahrtausenden.
Gisela Stange
Pack die Badehose ein…
Von der Glienicker Brücke und dem Blick auf Potsdam führt ein Wanderweg direkt am Wasser entlang. Wir sehen erst den Jungfernsee, dann geht es zum großen Wannsee. Er fließt in die Havel. Auf unserem Spazierweg kommen wir am ehemaligen Jägerhof vorbei, der lange Jahre als Erholungsheim für behinderte Kinder genutzt wurde. Rechter Hand liegt der Volkspark Glienicke, der in der Blockadezeit Berlins nicht nur Spaziergängern sondern auch als Zeltlagerstätte den Jugendlichen Westberlins diente. Wir erreichen die Pfaueninsel auf der sich immer schon die Reichen und Politiker angesiedelt haben. Nach der Enteignung der Nazivillen und der Übertragung auf die 12 westberliner Jugendämter, erholten sich hier in den 50er bis 90er Jahren mit der Aktion: „Kinder in Luft und Sonne“ Vorschulkinder und in den Ferien auch Schulkinder der Innenstadt mit ihren Erziehern. Morgens kamen sie mit Sonderbussen und fuhren abends fröhlich wieder nach Hause. Nach der Vereinigung Berlins wurden die Grundstücke privatisiert.
Die Uferpromenade führt uns weiter an Erholungsheimen, Krankenhäuser und Pflegeheime vorbei. Nach den leider abgebrannten Wannseeterrassen geht’s zum Strandbad Wannsee, „der großen Badewanne Berlins.“ Hier sieht man vor allem die Süd-Westberliner am hellen Sandstrand in Strandkörben oder auf Decken oder Handtüchern liegen, wenn sie nicht im Wasser oder an den Spiel- und Sportgeräten der Waldseite sind. Eine Gastronomie unterschiedlicher Art sorgt für Verpflegung.
Im folgenden Lied wird die Atmosphäre dort anschaulich beschrieben:
„Woll’n wir heut ins Kino geh’n und uns mal Tom Mix anseh’n?“
fragte mich der kleine Fritz, ich sprach: „Du machst‚ ’nen Witz!“
Schau Dir mal den Himmel an, blau soweit man sehen kann,
ich fahr raus zum Wannsee und pfeife auf Tom Mix:
Refrain:
Pack die Badehose ein, nimm Dein kleines Schwesterlein
und dann nischt wie raus nach Wannsee!
Ja wir radeln wie der Wind durch den Grunewald geschwind,
und dann sind wir bald am Wannsee!
Hei! Wir tummeln uns im Wasser wie die Fischlein! Das ist fein!
Und nur Deine kleine Schwester, ach, die traut sich nicht hinein.
Pack die Badehose ein, nimm Dein kleines Schwesterlein,
denn um „Acht“ müssen wir Zuhause sein!"
Auszüge aus „Pack die Badehose ein"
Text: Hans Bradtke
Musik: Gerhard Froboess