Kurzfassung:
Besonders für Großstädter können Gärten wie Oasen sein. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich in Deutschland die Gartenstadtbewegung. In dem Berliner Stadtbezirk Treptow baute der berühmte Architekt Bruno Taut eine solche Siedlung, in der genossenschaftliches Leben einzog und auch kräftig gefeiert wurde.
Vornweg:
Der Stadtbezirk Berlin-Treptow umfasst, neben reichlich Wald und Wasser, acht Ortsteile. Einige von ihnen waren bis zum Jahr 1920, in dem Berlin sich kolossal ausdehnte, eigenständige Dörfer des Landkreises Teltow, so auch Bohnsdorf.
Beleidigungen gehen manchmal auch nach hinten los. Wie es einem ehrwürdigen Ortsverein passierte, der sich, einen Villenvorort im Sinn, gegen die Anlage einer Gartenstadt für Minderbemittelte mit der Schmähung zur Wehr setzte, dort am Falkenberg in Bohnsdorf entstünde eine ,,Tuschkastensiedlung". Diese Benennung sollte sich schnell zu einem Ehrentitel wandeln.
Der Gartenstadtbewegung entstand in Deutschland um 1910 als eine soziale und ökologische Alternative zum innerstädtischen Mietskasernenbau. Im Jahr 1912 erwarb eine Gemeinnützige Baugenossenschaft jenen Falkenberg, worauf einst Jagdfalken für die Brandenburger Kurfürsten abgerichtet wurden und später Maulbeerbäume für die Seidenraupenzucht wuchsen. 1914 waren bereits 134 Wohnungen einzugsfertig. Diese Heimstätten steckten in Mehrfamilien- oder in Einfamilienreihenhäusern, besaßen 2 oder 3 Zimmer, allesamt sogar ein Bad, dazu Gas, elektrisches Licht und auch noch einen kleinen Garten. Die Kosten mussten niedrig gehalten werden, weshalb einfach gebaut wurde. Es war Vielfalt im Kleinen gefragt. Für die Ansehnlichkeit strich man die Fassaden mit wechselnden, aber immer kräftigen Farben.
Der avantgardistische Architekt der ,,Gartenstadt Falkenberg" war Bruno Taut, 1880 in Königsberg geboren. ,,Die Architektur soll sich dem Wesen der Bauaufgabe unterordnen", gehörte zu seinen Maximen. Für den Falkenberger Entwurf hatte er sich vorgegeben: ,,die einfachen Bedürfnisse klar und unumwunden befriedigen und allein damit, ohne besondere architektonische Scherze, zum Gefühl sprechen." 6000 bis 7000 Menschen sollten lebens- und liebenswerte Hauswesen erhalten, doch der Erste Weltkrieg zerschlug diese Intention. Die ,,Tuschkastensiedlung" war mit ihren 80 Reihenhäusern und 10 Mehrfamilienhäusern eigentlich nur ein kleiner Anfang.
Bruno Tauts Vision von Wohnstätten, in denen ,,das Volk seine Gemeinschaft erleben kann", verwirklichte sich auch in der genossenschaftlichen Arbeit, wenigstens der ersten Jahre. In der siedlungseigenen Zeitung ,,Der Falkenberg" war zu lesen: ,,Nichts führt die Menschen näher und freudiger zusammen als gemeinsames festliches Erleben." Die alljährliche Volksfeste gerieten zu Siedepunkten des Gemeinschaftslebens. Und über Allem wehte die ,,Tautfahne", auch ,,Fahne des Propheten" genannt: ein mit bunten Stofffetzen benähter Lappen.
Die allererste Veranstaltung im Jahr 1915 war mit ,,Fest der Falkenberjer uf'n Akazjenhoff beim Bahnhof Jrünau" betitelt. Für das erste Fest nach dem Weltkrieg (1920) wurde als Losung ,,Till Eulenspiegel" ausgewählt: ,,führt die alte düstre Zeit zu Grabe und Freude wieder zum Leben". Leitsprüche weiterer Festtage waren: ,,Oberammergauner Festspiele" (1923), ,,Chammerfest der Falkenberger Pfahlbauern" (1924), ,,Falkenberger Nepp" (1925) und ,,Bauhütte Berlin" (1927). Die letzte Fete wurde vermutlich 1930 als ,,Fasoka" (für ,,Falkenberger Sommerkarneval") gefeiert. Da verfiel die Weimarer Republik schon in Agonie. Alles andere als karnevalistisch wurden die nachfolgenden Jahre. 1962 versuchte man eine Wiederbelebung der Feste auf Falkenberg, allerdings mit anderen Leitlinien, doch gegen Ende der sechziger Jahre erlosch auch diese Bestrebung.
Der Höhepunkt jeder damaligen Festlichkeit war der Umzug mit mottogerecht geschmückten Wagen, Kostümgruppen und Musikkapellen. Eine Ehrenjungfrau führte die Prozession an. Die umfänglichen Vorbereitungen konnten auf die Schultern vieler Genossenschaftler, zu denen Angestellte und Arbeiter, Beamte und Künstler zählten, verteilt werden. Bis zu zehntausend Besucher kamen, und manch Prominenter trat auf. Der Zielpunkt der Umzüge war eine Festwiese in Hanglage mit Bühne und Tanzfläche. Seitlich stand ein ,,Männeken Pis", dem zur Freude der Kinder Limonade entfloss, und über dessen Kopf ein kernig-frivoles Theorem auf Stein gemalt war: ,,Wer ein ruhiges Gewissen, kann auf alles pissen
Fackeltanz und Feuerzauber beschlossen die Festtage, und für die ,,Falkenberg-hymne" waren womöglich viele Zungen vom Alkohol schon zu schwer: ,,Fern vom Getriebe der Räder, da draußen vor dem Tor, / da ragt in blauem Aether der Falkenberg hervor; / die Falken sind verschwunden, doch Raben gibts noch viel, 7 und hinterm Berg die Unken, die quaken mit Gefühl: / 0 Falkenberg, o Falkenberg, du Wunder der Natur, / der Himalaja ist fürwahr von dir ein Schatten nur.