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Townstories

Stand:


Berlin 5 Uhr nachmittags

von Dora Z.


"Und denn wollta mir körpern, da ha´ik ihn eher eene jescheuert!"
Der Satz reißt mich aus meinen Betrachtungen über die Unpünktlichkeit öffentlicher Verkehrsmittel, speziell die des Busses 167. Zwei junge Mädchen stehen rechts von mir:
"Wen haste eene jelatscht und warum?"
"Ne Dennissn, der wollt mir anne Wäsche. Aber der - nee, nich bei mir!"
"Achso, ick weeß schon, Swenm is dir lieber."
Denn stecken sie die Köpfe zusammen und kichern sich eins.
Links von mir hüpft eine etwa Fünfjährige von einem Bein auf das andere und singt vergnügt:
"Ein Männlein steht im Walde."
Die Mutter rügt:
"Hör auf! Steh still!"
Zwei Minuten hört man des Zwitscherstimmchen nicht mehr, es kam ohnehin kaum gegen den Verkehrslärm von Straßenbahn, Lastwagen und PKW an. Denn wieder:
"0h Tannenbaum, 0h Tannenbaum."
Ein bißchen früh im Oktober, denke ich lächelnd. Aber bei dem Wetter! Auch ein älteres Ehepaar schmunzelt wohlwollend.
Zwei Frauen mit dicken Taschen beklagen sich über die hohen Fahrpreise und den schlechten Service:
"Die Baustellen machen einen fertig. Ewig hat der 167or Verspätung."
"Ja, ja, und heute kommt er wohl gar nicht!"
Drei Jungen wollen offensichtlich zum Fußballtraining. Sie schubsen sich unruhig hin und her.
"Mensch, der Manne wird meckern! Wieder zu spät!"
Ein einzelner älterer Mann mit Bierbüchse in der Hand brummelt unverständliche Worte, nimmt einen Schluck so ab und zu. Ein Bierwölkchen umgibt ihn.

Ich rücke ein wenig nach links und höre die Stimme der Mutter:
"Du sollst doch ruhig sein!"
Die Kleine singt weiter vom Tannenbaum. Da wird sie derb am Arm gezerrt:
"Kannst du nicht hören!"
Das Mädchen reißt sich los, stampft mit dem Fuß auf und kreischt:
"Olle Zicke!"
Mutter holt aus, die Ohrfeige sitzt, und nun wird der Verkehrslärm durch Kindergebrüll ergänzt.
Ich beginne zu wandern, der Bus ist sowieso nicht in Sicht. An der Spreestral3e, dem Anfang des Nadelöhrs in Richtung Karlshorst und Lichtenberg, versucht ein überlanger Lastzug nach rechts abzubiegen. Dahinter folgen weitere, Stau - Stau - Stau- auf der Grünauer Straße.
Ist das ein Gestank! Womit fahren die bloß alle?!
Am verlodderten flachen Eckhaus guckt ein junges Paar ins schmuddelige Schaufenster. Beide lachen, und sie sagt:
"Nee, so was nicht, dann lieber gar keine Hochzeit!"
Über der Ladentür lese ich "Palast der Braut". Im Fenster steht eine bedauernwert aussehende Puppe in steifem, leicht angegrauten Hochzeitskleid. Sonst nichts. Die Arme, schon als Braut so verlassen zu sein!
Ich drehe um. Lärm und Abgase der Spreestra6e sind nicht zu ertragen. Ich frage mich , wer wohl in den Neubau mit den offenen Balkons auf der anderen Straßenseite ziehen wird!
Hallo, da kommt ja der Bus! - Nur 14 Minuten Verspätung!
Schnell hinein.
Nichts da, er fährt nur bis Bahnhof Schöneweide, und da stehen wir ja. Alle Hineingeströmten strömen wieder heraus. Der Fahrer schließt eilig die Türen und lauert auf die Grünphase, um sich in Richtung Busbahnhof davonmachen zu können.
Man hört:
"Verdammt, und das bei den Preisen!"
"Mir ist kalt."
"Jetzt kommen wir noch mehr zu spät!"
"Mein Fahrschein ist weg."
"Ick koof mir doch 'n Auto."
Ein ganzer Schwarm junger Leute überquert ohne Rücksicht auf Verkehr und Ampeln die Kreuzung. Bremsenquietschen, Hupkonzert, ein paar Frauen kreischen, ein Glatzkopf ruft seiner Truppe hinterher:
"Eh, wo wollt´ an hin?"
"Zur S-Bahn"
Tönt es zurück.
Warum bin ich nicht auch auf die Idee gekommen? Verbittert bleibe ich stehen. Nein, mit dem Netz voller Katzenfutter und anderem Zeug habe ich keine Lust, die vielen Treppen 'runter und 'rauf und noch den Tunnel zu bewältigen. In Baumschulenweg kommt der 265er Bus sicher auch wieder nicht.
Unsere Wartegemeinschaft, erst vermindert, dann schnell angewachsen, lauert auf den nächsten fälligen Bus. Mürrische Gesichter, muffiges Schweigen.
Am Fenstervorsprung des alten Amtshauses hinter uns lehnt innig umschlungen, selbstvergessen ein sehr junges Pärchen. Wohl Schüler.
"Von mir aus braucht der Bus noch lange nicht zu kommen. Kann meine Mutter wenigstens nicht herumnörgeln. Sie steht bestimmt schon am Fenster und wartet."
Im Vorbeigehen mithörend, muß ich lachen. So also kann man Ausfälle und Verspätungen der öffentlichen Verkehrsmittel auch sehen!
Aber der Bus kommt natürlich doch.
Irgendwann!

Dora Z