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Townstories

Stand:


Wie ein Gemälde. Figuren von Gestern

Francesca Pinna

Macomer war schon recht gross und Nachrichten einer bestimmten Wichtigkeit wurden vom oeffentlichen Ausrufer verbreitet. Er hiess Bachis Becca war sehr mager und trug immer schwarz. Er kam frueh morgens und kuendigte sich mit dem Klang seiner leuchtenden Trompete an. Die Nachrichten waren verschiedenster Art: Die Gemeinde oeffnete eine Baustelle und suchte Arbeiter und Handlanger; die Schule fing an. Aber auch dieser oder jener ist gestorben, Tag und Uhrzeit der Beerdigung, die Todesursache; die Fischer aus Bosa verkauften zerri und Sardinen, die aus Oristano frische Meeraeschen.

Man rief den Verkauf "schlecht gestorbenen" Fleisches aus, von Tieren, die nicht geschlachtet worden sind, die entweder wegen Streitigkeiten um die Weiden umgebracht worden sind oder Schafe, die bei der Geburt ihrer Laemmer gestorben sind. Man verkaufte auch die Foeten, sie waren zart rosa und ohne Knochen; sie wurden in Mehl gewendet und frittiert es schienen Krapfen zu sein.

Das Fleisch war ein fuer Festtage reservierter Luxus und man verkaufte es zu einem sehr niedrigen Preis. Oft improvisierte man Staende fuer diese Gueter, andere Male waren die Gelegenheitsverkaeufer in den Laeden einiger Geschaeftsleute zu Gast. Die Laeden waren nichts anderes, als der Eingang in die Wohnungen: Bei Klingeln liess der Verkaeufer (oder meist die Verkaeuferin) seine Hausarbeit ruhen, um die Kunden zu bedienen. Es gab wenige Waren: ein wenig Brot (viele machten es selbst); Nudeln verschiedenster Art, man nahm sie aus den Holzkisten unter der Theke; und dann eingemachte Tomaten, Zucker, Kaffee, Bleichmittel und noch ein paar andere Grundlebensmittel. Alles wurde lose verkauft. Die Waren wurden duerftig in grobes g elbes Papier eingepackt.

Es gab auch einen, der sich sein "Geschaeft" auf die Schultern packte! Er wurde Briefpapier genannt. Er kam alle zwei - drei Monate mit einem grossen Holzkoffer. Er kuendigte sich mit seiner kraeftigen Stimme an und zaehlte alle Waren auf, die er zum Verkauf anbot. Es war immer wieder ein Ereignis: Das war ein Leuchten von Knoepfen in allen Farben, Gummis, Spiegelchen, Scheren, Spitzen, Baender, Kaemme und Buersten, Anstecknadeln und Stecknadeln, Taschen- und Halstuecher, Garnrollen, Haarnadeln und Stoffblummen, Gummipueppchen, Blechpferdchen, Wuerfel, Spielkarten und … Briefpapier!

Viele rundeten die mageren Familieneinkuenfte durch den Verkauf von Produkten, die man im eigenen Garten oder Weinberg angebaut hatte, auf. Auf den Tuerschwellen waren die Koerbe mit Obst und Gemuese sehr einladend: Kleine rote Aepfel verbreiteten ihren suessen, unwiederstehlichen Duft in der Luft. Zum Wiegen gab es die Laufgewichtswaage aus Kupfer. Das Obst und Gemuese wanderte von der Waagschale direkt in die, an beiden Zipfeln festgehaltenen Schuerzen der Frauen, die so zu bequemen und geraeumigen Einkaufstaschen wurden.

In allen Hoefen wurden Huehner gehalten, vor allem wegen der Eier: Sie waren ein guenstiges und energiereiches Nahrungsmittel. Das Huhn, das zum Brueten der Eier bestimmt war, hatte den Vorteil im Warmen sitzen zu duerfen, in der Kueche; es war gut genaehrt und verwoehnt. Wenn sich die Eier endlich oeffneten, war es eine Wonne die runden, gelben Kueken mit Muehe aus der Schale schluepfen zu sehen. Haehne und Huehner bekamen einen Frass aus Kleie; selten bekamen sie Mais, den benutzte man mit etwas Mehl, um Brot daraus zu backen.

Der Krieg war erst seit kurzem zu Ende und das Land war auf Grund und Boden, es fehlte an allem: Man spuerte die Konsequenzen des Embargos, das die Gesellschaft der Nationen Italien fuer die Besetzung Aetiopiens auferlegt hatte. Die Alliierten fingen an, die ersten Lebensmittelhilfen zu verteilen: Milchpulver, Kekse und Schmelzkaese. Viele alte Leute zogen mit einem Aluminiumnapf umher und erbettelten sich etwas Suppe. Die gutbetuchten Leute versteckten die Flicken und die gestopften Stellen auf Pullovern, Hemden und Hosen: rechteckige auf die Knie, runde auf den Hintern. Selten waren sie von der gleichen Farbe und Stoffqualitaet. Jacken und Maentel wurden gewendet, die von den aelteren Geschwistern bekamen die juengeren; wenn sie zu verschlissen waren, machte man Lumpen daraus, die man bis ins Unendliche wiederverwendete. Schuhe wurden mehrmals wiederbesohlt, genaeht und wiederum genaeht, um Steine und Staub, Schnee und Matsch auszuhalten und ueberall hinzugehen: Zur Arbeit, in die Kirche, zum Einkaufen, zum Arzt, zu Verwandten; man machte hunderte von Schritten am Tag.

Es war die Bluetezeit der Schuster, den Handwerkern mit der groessten Kundenzahl. An sonnigen Tagen stellten sie ihre Werkbank auf die Strasse. Sie rochen nach Tannin und Schuhcreme. Die geflickten Schuhe, mit einer grosszuegigen Dosis Schuhcreme eingeschmiert, um das Werk der Ahle zu vertuschen, waren wie neu; der Schuster stellte sie auf seiner Bank zur Schau, damit die Vorbeigehenden sein Geschick bewundern konnten. Man flickte alles, selbst Kuechenutensilien.

Meist improvisierte Handwerker zogen in den Strassen umher, um wenige Lire zu verdienen. Der stagnaro ("Zinner oder Abdichter") hatte einen kleinen Kohleherd: in einem Toepfchen liess er das Zinn schmelzen dann goss er es in den Topf oder den Kessel mit Loch und schon waren sie wieder gebrauchstuechtig. Der ombrellaio ("Schirmer") wechselte die kaputten Staebe der Schirme aus und stopfte sie.

Um zerbrochene Teller zu flicken , hatte der piattaro ("Tellerer") eine Graviernadel, mit der er ein kleines Loch in die beiden Tellerhaelften machte, anschliessend verband er beide Teile mit Draht. Der impagliatore delle sedie (Korb- oder Rohrflechter) kam mit grossen Buendeln von asfodelo; meist waren viele Stuehle neu zu beflechten, und er blieb einige Tage in Macomer. Er schlief unter freiem Himmel, hinter einer Bruchbude und benutzte sein asfodelo als Matratze.