Es war ein nebeliger Morgen, am 1. März 1980, dem Tag, an dem ich in Macomer ankam, um hier auf der Post meinen Dienst anzutreten.
Ich hatte Macomer gewählt, weil es das grösste Zentrum in der Nähe meines Dorfes, Mara war (von dem es nur 30 km entfernt ist), aber vor allem, weil es im Zentrum Sardiniens liegt, mit Zufahrts- und Fluchtwegen in alle Richtungen; das gab mir das Gefühl von einer möglichen Freiheit…..
Ich fuhr früh los, um um acht auf der Arbeit zu sein. Ich hatte in mir die Anspannung, die jeder Wechsel mit sich bringt. Auf der Hochebenen von Campeda wurde der Nebel immer dichter….
Die Strasse war leer, die Landschaft archaisch, bewegend in ihrer Unbeweglichkeit, in der fast unglaublichen Stille. Es wäre besser gewesen, diese Orte per Pferd zu durchqueren. Die Geschwindigkeit und der Lärm des Motors schufen einen schrillen Kontrast.
In der Ebenen angekommen, erblickte ich die Konturen eines Nuragen. Der imposante Turm war für mich, wie ein Leuchtturm, der mir, nach meinem Segeln durch den Nebel, die Ankunft in den Hafen anzeigte. Dieser Nurage war und ist noch immer für mich die Pforte Macomers. Von hier aus begann ich meine Besuche der archeologischen Fundorte in der Gegend.
"Steine suchen" ist meine alte Leidenschaft. Steine sprechen. Die Steine, aus denen die Dolmen, die Gräber der Giganten, die Nuragen zusammengestellt sind, sind Ausdruck unserer Kultur und verleihen mir ein intimes Gefühl von Zugehörigkeit.
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Frühling und Herbst sind geeignete Jahreszeiten, um aufs Land zu gehen und heilige Brunnen, Gräber, Domus de Janas und vor allen Dingen Nuragen zu besuchen. In der Umgebung von Macomer gibt es Dutzende. Viele sind verfallen, aber lesbar; andere, wenn auch von den Jahrtausenden gezeichnet, erzählen noch heute von der Kraft und dem Wissen, der Völker, die sie erbaut haben.
….Die "Pforte Macomers", ..Succoronis, ist ein wunderschöner, gut erhaltener Turm, mit Zeilen von Steinen, eine auf die andere geschichtet, als hätte man ihn gerade erst erbaut. Man hat Zugang ins Innere und kann auf den Gipfel steigen. Von hier herrscht man über ein immenses Panorama, das bis zur Kette des Marghine reicht.
Ganz in der Nähe der Stadt befindet sich der Berg Manai. Auf halber Höhe errichtet sich der imposante Zentralturm des Nuragen S. Barbara. Er ist ca. 15 Meter hoch und besteht aus zwei übereinanderliegenden Kammern, von einer dritten ist nur noch der Fussboden übrig. Ringsum lagen noch vier Türme, jetzt nur noch Ruinen, die dem Komplex einen viereckigen Grundriss gaben.
Was für eine Funktion hatte der Nurage für seine Erbauer? Wie haben sie es geschafft ihn zu erbauen? Welches Wissen hatten sie sonst noch, abgesehen von der aussergewöhnlichen Fähigkeit, Nuragen zu bauen. Das Geheimnis verwundert und fasziniert mich zugleich.
Vom Nuragen S. Barbara schweift der Blick zu den Hügeln ringsum und zu der Ebenen, wo man andere, meist nur eintürmige Nuragen sehen kann. Einige davon sind hoch und imposant andere niedriger und bescheidener.
Tamuli ist ein anderer interessanter Ausgrabungs-Ort nur wenige Kilometer von der Stadt entfernt. Dort befinden sich mehrere Nuragen, die so angeordnet sind, dass man den einen vom anderen aus sehen kann. Zu Füssen von einem von ihnen befinden sich die Reste eines Dorfes. Ein paar dutzend Meter weiter drei Gigantengräber: In einem von ihnen kann man genau den Korridor, die Eingangsschwelle der Grabkammer und die vorstehende Exedra erkennen. Drum herum stehen behauene Steine, die von der Grandiosität des Monumentes zeugen.
Links vom Grab stehen sechs keilförmige Steine aufrecht im Boden, die "Betili" (perdas fittas oder perdas marmuradas), drei davon mit Brüsten stellen das weibliche Element dar, die anderen drei stellen das männliche Element dar. Es waren Fruchtbarkeitssymbole.
Tamuli ist ein magischer Ort. Je nach Jahreszeit ändert sich der Lichteinfall und der Eindruck. Jedesmal spürt man eine andere Art von Energie.