Die Erinnerung an meine Ankunft in Macomer ruft in mir eine grosse Traurigkeit hervor.
Ich war zehn Jahre alt und hatte einen tiefen Schmerz: meine Mutter war vor kurzem gestorben, und mein Vater hatte beschlossen, das es nicht mehr der Fall war, in Pattada zu bleiben, dem Dorf, in dem ich geboren bin, wo er doch hauptsaechlich in Macomer arbeitete. Hier befanden sich alle wichtigen Kaese-Industrien Sardiniens.
Mein Vater war naemlich Kaesemakler. Bevor wir nach Macomer kamen, stellte er uns seiner Mutter vor, eine uns unbekannte Person. Gross mit einem, harten Gesicht, und einem noch haerteren Charakter, sie trug immer schwarz. Uns bei solch einer Person zu befinden, war fuer uns, die wir sowieso schon sehr hart getroffen waren, ein absoluter Schock. Wir waren gewoehnt, Leute um uns zu haben, die uns, wenn schon nicht sehr, dann wenigstens ein bisschen gern hatten. Vor allen Dingen waren wir bis dorthin frei, zu spielen, laufen, Freunde zu haben und in den Wald in der Naehe des Pfarrhauses zu gehen.
Mit der Ankunft in Macomer hatte das bald ein Ende, wir merkten, dass wir in einer Art Gefaengnis gelandet waren, unserem Haus. Sicher, wir durften auf die Strasse aber wir durften nicht weiter weg gehen. Wir eilten zur Schule und auf dem gleichen Weg mussten wir auch wieder zurueckkommen. Wir wohnten in Via Mazzini. Nicht weit von uns endete das Dorf, und man konnte ein herrliches Panorama bewundern.
Bei meinem Umherbummeln verirrte ich mich manchmal und fand dann auf magische Weise irgendwie den Weg wieder nachhause. An anderen Tagen wagte ich mich bis in den hohen Teil der Stadt, wo die letzten Haeuser das Gleichgewicht ueber dem Abgrund zu halten schienen. Die Aussicht von oben reichte von der steilen Felswand ueber den Bach Adde, der im Tal floss, bis hin zu der kurvenreichen Strasse, die nach Nuoro fuehrt und den Fluss im Tal ueberquert.
Wenn ich etwas mehr Zeit hatte, setzte ich mich und beobachtete die wenigen Autos und alten Omnibusse, die vorbeifuhren und den Zug, der zweimal am Tag muehsam den Berg hochschnaufte.
Andere Male reizten mich die Gaesschen der Altstadt, mit ihren Pflastersteinen und ihren niedrigen Haeuschen, einige mit verzierten Fenster- und Tuerrahmen in aragonisch-gotischem Stil, von Steinmetzen meisterhaft behauen.
In einer von diesen Strassen, in Via Murenu, befindet sich das alte Gefaengnis, heute unbenutzt; als Kinder gingen wir oft dorthin schreien und Radau machen, wenn es vorkam, dass "sie" uns antworteten, fluechteten wir wie erschreckte Wiesel. Bei anderen Gelegenheiten versammelten wir uns in Piazza Santa Croce. In diesem Punkt verschmilzt die Stadt mit dem Land, und wenn wir einmal ueber die Mauer geklettert waren, konnten wir uns ins Abenteuer den Abhang hinunterstuerzen, wo eine Gedenktafel an den Mord von dem blinden Dichter Melchiorre Murenu im Jahre 1854 erinnert. Eine ebenfalls gepflasterte Gasse fuehrte hingegen hinauf zur Kirche von S. Pantaleo, die "grosse" Kirche, wie ich sie nannte.
Sie gefiel mir mit ihren nuechternen, eleganten Linien und ihrem schoenen Glockenturm und weil sie antik war. Weiter vorn war das strenge Rathaus. Aber meine Ausfluege endeten immer mit Angst und Herzklopfen, denn ich durfte nicht zu spaet kommen und musste schnell nachhause laufen.