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Townstories

Stand:


Wo ich mich zu Hause fühle

von Olga Wolfová

Was ist es eigentlich „zu Hause“? Sind das mein Haus, mein Sessel, mein Bett? Oder der Ort, wo ich geboren bin? Vielleicht ist es der Ort, wo ich aufwuchs und mit den anderen Kindern spielte. Es kann aber auch der Ort sein, wo ich jetzt lebe. Bei mir ist es ganz einfach. Ich bin in Prag geboren, ich studierte in Prag, ich arbeitete in Prag, wir bauten ein Haus in Prag, meine Eltern und mein Gemahl sind hier begraben. Ich bin mit Prag fest verbunden. Ich bin bestimmt in Prag zu Hause.
Ich habe hier eine, für mich bequeme, Wohnung, eine schöne Katze und einen kleinen Hund... Die Leute in meiner Umgebung sprechen die Sprache, die ich gut kenne, ich kenne die Gewohnheiten meiner Nachbarn... Ich bin hier zu Hause.

Ich liebe die Karlsbrücke, die beiden St. Nikolauskirchen, den Fluß, die Parkanlagen, den Zoo, das Nationaltheater... Ich liebe meine Stadt, ich bin hier zu Hause.
Ich habe hier aber keine Verwandten, ich konnte keine Kinder bekommen, die Eltern, der Gemahl, die Tante, der Onkel, viele Freunde, alle sind tot. Ich habe natürlich auch jetzt noch Freunde, die haben aber eigene Familien und viele Sorgen damit. Ich bin allein... Bin ich hier wirklich zu Hause?

Im Ausland habe ich viele Verwandte und ich fühle mich bei ihnen auch zu Hause, obwohl die Leute dort eine Fremdsprache sprechen, die ich nicht oder nur sehr schlecht verstehe. Trotzdem würde ich dort sehr gerne leben... Würde ich mich dort zu Hause fühlen? Ich bin viel gereist, ich war in den USA, in Schottland, in Italien, in der Sowjetunion, auch in Taschkent und Samarkand, natürlich besuchte ich auch alle unsere Nachbarländer. Alle christlichen Länder sind mir nahe. Ich fühle mich dort wie zu Hause. Ich liebe alte Gebäude, alte Architektur...

Aber erst nach dem Überschreiten unserer Staatsgrenze bin ich endlich wieder zu Hause. Obwohl es bei uns nicht so glänzend ist, wie in den meisten anderen Ländern in Europa – ich meine natürlich nur in drei Richtungen - bin ich hier doch zu Hause.

Mit der vierten Richtung ist es ganz anders und schlimm. Ich war mehrmals in der UdSSR, wo die Leute auf der Straße meine Muttersprache sprechen, aber wie! Vulgär, grob und mit ganz fremder Intonation. Die meisten Gebäude kenne ich von Kindheit an von Bildern und Erzählungen, die sind mir nahe, ich bin orthodox, die Kirchen sind mir nahe, aber die Leute auf der Straße und leider auch in der Kirche sind meistens unfreundlich… und ich fühle mich im Land meiner Eltern völlig als Fremde...

Aber ich traf dort auch sehr nette Leute, bei ihnen in ihren Wohnungen fühlte ich mich sehr wohl, wie zu Hause...
Wo sind wir zu Hause?