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Townstories

Stand:


Wo ich mich zuhause fühle

Elisabetta Barenghi
Übersetzung Hanns Hanagarth

Ein Mittwochabend im Januar. Einer wie so viele, vielleicht etwas kühler aber voller Sterne in einem gläsernen Himmel. Ich parke mein rotes Auto in der Straße, nehme die köstliche Milch vom Beifahrersitz und gehe mit großen Schritten zum Eingang. Hier bin ich heute morgen um acht aufgebrochen, bin zur Arbeit gegangen, habe bei meiner Mutter gegessen, habe meine Neffen und meine Schwester gesehen, bin im Kino gewesen und schließlich auch im Theater. Ein erfüllter und schöner Tag. Ich öffne das Tor aus Glas und Aluminium, schließe es hinter mir und steige still die ersten ausgetretenen Stufen hoch. Ich gehe weiter und weiter bis ich im 2. Stock bei Nr. 6 meinen Namen sehe. Es ist halb eins und schon Donnerstag. Der Schlüssel dreht sich lärmend im Schloss, aber dann ist Stille. Eine warme und von Stimmen erfüllte Stille. Mein Zuhause. Ich merke, wie ich vor Erleichterung seufze. Wieso Erleichterung ? Heute bin ich in mir bekannten und gewohnten Häusern und Orten gewesen. Wo ein Stück von mir war: die Schule, mein Elternhaus, wo auch mein alter Hund lebt, das unaufgeräumte aber voller Leben steckende Haus meiner Schwester, das Kino, Theater, zwei Orte, die ich liebe, weil sie mir Geschichten erzählen....

In jedem davon steckt ein Stück von mir. Aber in meiner Wohnung bin nur ich. Mit dem Umzug hierher habe ich die Vergangenheit mitgebracht, die Tage, die ich hier gelebt habe, hier ist eine neue Gegenwart und hier spannt sich der Bogen zur Zukunft. In meinem Zuhause sind meine Bücher, meine Musik, Fotos, Erinnerungsstücke aus meinem Elternhaus, der Wecker von Assunta, der nicht mehr läuft und trotzdem noch schlägt, Teppiche, Döschen, Decken, die ich aus fernen Ländern mitgebracht habe, die Blumen, die ich auf dem Balkon gepflanzt habe und die in diesem frühen Frühling jetzt aufgehen.

Es vergeht kein Tag, an dem ich dieses Zuhause nicht schön finde. Echt schön. Wegen der Sonne, die am frühen Nachmittag hereinscheint, wegen des silbernen Lichts, das der Vollmond in mein Schlafzimmer wirft. Wegen der Freunde, die zu mir kommen ,um gemeinsam zusammen zu essen. Wegen der Augenblicke der Liebe ,aber auch der Tränen und der Traurigkeit. Schön, weil ich hier bin, hier an meinem Bezugspunkt, dem Ort, von dem ich aufbreche und dem Hafen, in den ich zurückkehre. Aufbreche zu meinen Reisen, mit dem Rucksack auf dem Buckel, auf zu neuen Ufern, die es zu entdecken und kennen lernen gilt. Und um mich kennen zu lernen. Jedes Mal etwas mehr. Insbesondere dort, wo ich nichts habe, was ich gewohnt bin: Lebensumstände, Essen, Gewohnheiten. Ich erkenne meine große Fähigkeit, überall Wurzeln zu schlagen, selbst an den unvorstellbarsten Orten der Welt. So ist es mir in Mexiko ergangen, wo ich für eine kurze Zeit bei Bauern lebte, morgens Bohnen mit gebackenen Kartoffeln aß, mich mit einem Spritzer Wasser wusch und in einem unbequemen Bett schlief. Und dennoch war ich dort Zuhause, mit diesen Leuten, in dieser Dunkelheit voller Glühwürmchen, in den Sonnenuntergängen wie Feuer und in den Sturzregen. Und etwas aus diesem Haus, aus diesem Land ist heute in diesen so soliden römischen Mauern, die so weit weg sind von diesem mexikanischen Dorf.

Jeden Morgen ritt dort ein Mann mit Aluminium-Kannen auf seinem Pferd durchs Dorf, um Milch zu verkaufen. Er hatte lachende und schöne, dunkle Augen und ein breites Lachen unter seinem Schnurrbart. Menos Mama, Hausfrau und wahres Familienoberhaupt, reichte mir diese Milch in einem hohen, nicht enden wollenden Glas.

In meiner Küche hängen über dem Spülbecken viele bunte Keramik-Tassen. Ich mag beim Frühstück am liebsten die bordeauxblaue, in der die Milch noch weißer scheint, bevor sie sich mit dem Kaffee vermischt. Milch geht in meinem Haus nie aus. Einfach, weil ich sie mag. Und weil ich gerne in der Küche im Schlafanzug frühstücke und Nachrichten höre. Und vielleicht auch, weil es schön ist, den Tag mit etwas Weißem zu beginnen. Weiße Milch, um sie mit Kaffee zu färben, eine weißes Blatt Papier, um es mit einem Teil seiner eigenen Geschichte zu beschreiben. Heißer Milchkaffee, zuhause und in aller Welt. Nah, fern, anstrengend oder leicht. Mein Zuhause ist dort, wartet auf mich. Und auf all die kleinen und großen Geschichten, die ich meinem Zuhause erzähle.