Trastevere ist ein altes und beliebtes Viertel dessen Wappen das Gesicht eines Löwen mit herausgestreckter Zunge ist. Es ist die Heimat der Familie meines Mannes.
Unsere Fahrt führt uns von Trastevere zum Meer, wobei wir einige Brücken passieren.
Beginnen wir beim Ponte Sisto, von wo aus sich früher die Jungen in den Tiber gestürzt haben. Eine Brücke mit vier Bögen, deren Mittelpfeiler in einer großen Grube, „Occhialone“, steht, wo der Wasserstand angezeigt wird. Die Brücke verbindet den Trilussa-Platz mit der Via Giulia, die im Herzen des Roms der Renaissancezeit liegt.
Doch die eigentliche Brücke von Trastevere ist die Ponte Garibaldi, die den Platz Sonnino mit der Via Arenula verbindet und die früher aus grauem Granit war. Als die Balustraden erneuert wurden, hat der damals siebenjährige Sergio eine Wette über ihre Farbe gewonnen: alt.
Die Ponte Cestio (46 v. Chr.) verbindet Trastevere mit der Insel Tiberina. Die Ponte Fabricio (62 vor Chr.) stellt die Verbindung der Insel zum Ghetto dar. Sie heißt „Vier Köpfe“ wegen der Brüstung mit den vier verschiedenen (heute zwei) Büsten von Giano. Der Legende nach erinnern die Marmorköpfe an die Enthauptung des Architekten, des Maurerpoliers, des Verwalters und einer vierten Person, die, so der Senat, eine teure und wenig stabile Brücke erbaut hatten. Ihre zur Schau gestellten abgeschlagenen Köpfe sollten ewiger Vorwurf sein.
Im Ghetto lebt die jüdische Gemeinde, die früher in Trastevere gelebt hat. Am Ottavia-Tor hat Sergio „bruscolini“, Pizza und steinharte Mostachiolis aus Mehl, Mandeln und Honig gekauft.
Die Brücke Quattro Capi erwies sich dennoch als solide, während flussabwärts von der Ponte Rotto, aus dem 2. Jahrhundert vor Chr. nur noch Ruinen übrig sind. Trastevere ist heute mit dem Viertel Rione Ripa durch die Ponte Palatino verbunden, die aus Eisen ist und keine Bögen hat, um die starke Strömung auszuhalten. Hier mündet die Cloaca Máxima, ein altes Kloakensystem, das noch in Betrieb ist. Weiter weg, vor der Bocca della Veritá, legt eine Marmortränke aus dem sechszehnten Jahrhundert Zeugnis von einem aus alter Zeit stammenden Markt ab.
An jenem Ufer wurde im römischen Zeitalter der Flusshafen, der Porto Fluviale, errichtet: die Ausgrabungen zeigen Weinkeller und Überreste einer Einkaufszone; die Namen des Platzes dell’Emporio und Via Marmorata erinnern an das alte Kaufhaus aus Marmor.
Auf der anderen Seite des Tibers war Ripa Grande der Hafen Roms vom XVI. bis XIX. Jahrhundert. Später wurden Schutzmauern errichtet.
Wollen Sie ein modernes Musikstück hören, das von der Porta Portese inspiriert ist? Hier ist es:
http://www.radicchio.it/cepostaperme/cantaconme/b/baglioni/portaportese/
Wenn man vom Platz dell’ Emporio kommend die Ponte Sublicio überquert, gelangt man zur Porta, wo noch eine riesige Glocke mit dem Wappen des Papstes zu finden ist: in den Zeiten des päpstlichen Roms ging hier wirklich die Bahnstation zur Civitavecchia und die Waren wurden von Schiffen auf die Eisenbahn umgeladen. Ein Jahrhundert später sind hier Sergio und sein Vater mit einer Schubkarre entlang gelaufen, um Kalk zur Reparatur des Hauses zu kaufen.
Das Industriegebiet ist in den letzten Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts entstanden, als sich Rom zur Hauptstadt entwickelte. Davon sind noch der Schlachthof, die Wohnungen der Arbeiter der Viertel Testaccio und Garbatella und die Mühlen in Ostiense übrig.
Aber mit den Erhebungen Ende des Jahrhunderts wurde beschlossen, dass in Rom, wo König und Verwaltungsapparat residierten, nur in geringem Umfang in Flussnähe Produktionsstätten angesiedelt werden sollten: Glasfabriken, Eisenhütten und das Gasometer.
Mein Mann erinnert sich noch an den Kran im Hafenbecken des neuen Flusshafens, der Kohle, Erz und Holz entladen hatte. Der Flusshafen war Anfang des neunzehnten Jahrhunderts gebaut worden. Heute ist das ganze Gebiet nichts weiter als Industriearcheologie; ein Teil des Schlachthofs wird von der Villa Globale eingenommen, einem von Jugendlichen und Immigranten selbstverwalteten Zentrum. Hierher kommt man zu Konzerten der Ethno-Musik und zu ganz lebendigen Aktivitäten.
Die Ponte dell’Industria, genannt Eisenbrücke (1864), war bis zum Krieg die letzte Brücke der Stadt und bis hierher kam die Eisenbahn. Als Kind hat Sergio begeistert die Güterwagen betrachtet, die sich vom Bahnhof Trastevere dorthin bewegten (aber zu Zeiten seiner Großmutter war der Bahnhof auf der Piazza Ippolito Nievo, wo es heute noch eine alte Dampflokomotive gibt).
Weiter in Richtung Tal, beherrscht die Ponte della Scafa an der Stelle der Fiumara Grande, der größten Tibermündung, das Meer. Im Hafenkanal befinden sich Schiffswerften und die Segelboote unserer Freunde.
In dem anderen Hafenkanal von Fiumicino haben verschiedenfarbige Fischkutter festgemacht. Mit drei Jahren wurde Sergio feierlich in diesem Kanal vom Vater getauft, wobei er ihn an den Fersen festhielt, wie Thetis Achilleus. Trotzdem ist er nicht unverwundbar wieder herausgekommen!
Zwischen den Mündungen erhebt sich die Isola Sacra, die Volute des Kaisers Traiano, wegen ihrer alten Grabstätte auch Coccía de Morto genannt.
Pio IX (1846/78) hatte vorgehabt, die Stadt zu modernisieren:
Einführung von Schienenwegen, Bau der Bahnhöfe Porta Maggiore und Porta Portese, Verbesserung der Häfen von Ripetta und Ripa Grande, Metallbewehrungen der Ponte Sublicio (auf dem Foto) und Bau weiterer Brücken, Beginn des Industriegebiets zwischen Testaccio und Ripa Grande.
Mit der Einheit Italiens stand das Repräsentieren im Vordergrund.
Die gegenwärtige Ponte Sublicio wurde von Piacentini entworfen und während des Ersten Weltkrieges gemauert.
Flussgarnelen
Eine musikalische Begleitung für unsere Flussfahrt gefällig?http://www.romaspqr.it/mp3/Lando Fiorini - Barcarolo romano.mp3
„Ich bin kein Flussmensch“ und zum Tiber ging ich erst, als ich etwa zwölf oder vierzehn Jahre war, um zu rudern, protestiert mein Mann, der sich von den anderen abgrenzen möchte, die sich einfach am Fluss sonnen.
Im Norden, von der Ponte Cavour bis zum Flaminio, gab (und gibt es immer noch) das von den Flussliebhabern bevorzugte Gebiet mit den schwimmenden Barkassen bis zur Ponte Milvio, genannt Ponte Mollo, weil sie von Zeit zu Zeit schaukelt...
Die Barkasse von OMI, einem Freizeitklub der Industriearbeiter, lag vor Anker am Lungotevere degli Ammiragli, in Nachbarschaft zum Seefahrtsministerium, einem imposanten Barockpalast mit riesigen Ankern, die auf einem Marmorsockel befestigt sind. Hier war die Jugendgruppe der Ruderschule.
Sergio übte sich auf der Barkasse mit einem durchlöcherten Ruder und dann fuhr er mit den Ruderern hinaus: Vierer mit Steuermann. Baden im Fluss gab es nicht, denn der war schmutzig. Es gab keine Reinigungsanlagen. Der Tiber war nur vor Rom sauber, in der Nähe von Settebagni.
Heutzutage schwimmen zwischen großen Ratten und Fischottern auch wieder Fische. Doch in den sechziger Jahren ergoss sich der Nebenfluss Aniene in den Tiber wie eine Kloake unter freiem Himmel.
In Settebagni fing Sergio mit sechzehn Jahren Garnelen. Zuerst befestigte er ein Stück Fischernetz an einem Metalldraht, den er zu einem Kreis mit einem Durchmesser von 60 bis 70 cm gebogen hatte. Er band an das Netz, das Herz, Milz oder Lunge eines Rinds enthielt, einen Bindfaden. Dann warf er es ins Wasser. Aber es war verboten, Innereien ins Wasser zu werfen und oft musste er sich mit Kabeljaustücken behelfen. Dann versteckte er sich im Röhricht, bis sich die Garnelen im Netz verfangen hatten. Seinen Fang brachte er in einem schönen Gefäß zu einer Osteria, um es mit Bandnudeln in Knoblauch, Öl und Peperoni, mit Schafskäse bestreut und dazu Weißwein, zubereiten zu lassen.
Flussgarnelen in der Pfanne, ein Segen! Sie hatten einen riesigen wohlschmeckenden Kopf .... eine Sünde, dass durch die Verschmutzung des Wassers verschwunden sind.
Aale fischte Sergio unter der Ponte Palatino mit der „Mazzacchera“, wobei er zuerst nach Regenwürmern scharrte und suchte. Danach wurden sie aufgefädelt vom Mund bis zum Hinterteil und so viele Ketten gebildet, die dann zu einem einzigen Regenwurmbüschel zusammengefügt wurden. Das Ende des Büschels wurde an einem Tuch festgebunden und dieses an eine lange Angel. Die hat er ausgeworfen.
Die Angel wurde über einer Dolle gelegt, wobei man auf das Gleichgewicht achten musste. Sie senkte sich, wenn der Aal, der den Köder nicht abbeißt, sondern ihn nach und nach ablutscht, sehr vollgefressen war.
Ohne Hast und Eile wartete Sergio ein bisschen, dass der Aal sich verschluckte und mit einer geschickten und bedächtigen Bewegung nahm er die Angel hoch, bis der Fisch zu sehen war. Dann warf er ihn mit einer ruckartigen Bewegung hinter den großen auf den Kopf gestellten Regenschirm. Doch wenn er daneben traf, verlor er den Fisch.
Dann legte er ihn in einen Eimer und brachte ihn nach Hause, wo seine Mutter ihn ins Klosett warf, weil sie sich ekelte und ihn nicht kochen wollte. So kam es, dass das Tierchen, quicklebendig, wieder seinen Platz im Fluss einnahm.
Doch Sergio bekam das mit und kostete den Aal dann bei Freunden.
Übersetzung: Christiane Bauer