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Townstories

Stand:


Leben im historischen Zentrum von Rom

von Renata Caratelli


Seit meiner Geburt lebe ich in Rom in der Nähe von Piazza Venezia. Ich lebe folglich in dem historischen Zentrum von Rom und ich finde es wirklich sehr schwer, darüber zu sprechen, denn ich weiß nicht einmal, ob diese Zone ein Viertel genannt werden kann. Heutzutage ist das historische Zentrum von Rom in der Tat mehr ein Handelszentrum für die Touristen als ein Wohnviertel.
Als ich ein Kind war, wurden diese Sträßchen von kinderreichen Familien bewohnt und ich hatte Dutzende von Kinderfreunden. Heutzutage gibt es nur Hotels, Büro Banken, Kaffeehäuser, Restaurants und besonders viele Boutiquen und Jeansläden. Überall Autos und Autos, aber man sieht fast kein Kind oder keinen Bewohner mehr. Es ist unmöglich einen Elektriker oder einen Tischler zu finden. Um auf den Markt zu gehen, muss man durch Mengen von japanischen Touristen durchdringen, die in Richtung Fontana di Trevi zusammenströmen.
Aber alle Denkmäler sind jeden Tag schöner: viele sind restauriert worden und werden neu angestrahlt. Und wie schön ist es, gegen Abend von Piazza del Popolo bis Piazza Venezia spazierenzugehen! Das Gold des Sonnenuntergangs reflektiert sich über den Fassaden der Paläste, während der Weiße Marmor des Vittoriano am Ende der Straße Via del Corso funkelt : Und es ist nicht wichtig, dass der Kohlehändler nicht mehr da ist und auch nicht der kleine Brunnen mit Acqua Marcia, dem alten guten römischen Wasser, das der König Servius Tullius nach Rom mitbrachte...die Kindheitserinnerungen an die Kriegsentbehrungen scheinen unglaublich zu sein!
An der Ecke von meiner Straße sind jetzt die Autos geparkt. Leb wohl , mein alter Sor Gigetto! Wenn mein Vater sonntags alle seine Kinder zu ihm mitnahm , um die Schuhe putzen zu lassen, war das für mich mehr als ein Ritus. Sobald ich mich in den Lehnstuhl setzte, wurde ich von dem Tanz der Bürsten auf meinen Schuhen fasziniert, der war süß und weich wie eine Liebkosung. Obendrein konnten meine kurzsichtigen Augen Sor Gigettos große rote Nase, die seine Schwäche für den Wein enthüllte, ganz aus der Nähe ansehen.
Heutzutage gibt es in Rom keine Schuhputzer mehr, aber die Trinker doch! In meinem Viertel sind heute viele moderne Kaffeehäuser anstelle der alten Kneipen, aber wenn mein Fenster im Sommer wegen der Hitze geöffnet ist, wird mein Schlaf heute mehr als früher manchmal von den Gesängen der Betrunkenen unterbrochen.
Seit langem höre ich nicht mehr das Konzert der verliebten Katzen , die in meiner Straße lebten. Was ist aus ihnen geworden? Vielleicht wohnen ihre Abkömmlinge in den Ruinen auf Piazza Argentina, oder sie sind ins Pantheon emigriert und die Gattare füttern sie. Abends kann man diese entzückenden Frauen treffen: sie kommen mit ihren großen Einkaufstaschen an, und plötzlich schlüpfen Hunderte von Katzen aus den Ruinen, und die Frauen beginnen mit ihnen zu sprechen, weil jede Katze einen Namen und eine Lebensgeschichte hat.
Und wenn die Platanen im Herbst am Tiber entlang rot werden, riechen die Straßen meines Viertels nach dem Duft der Bratkastanien. Aber kein italienischer Bauer kommt mehr in die Stadt, um Kastanien zu verkaufen, nur Bürger eines nicht EU Landes verkaufen sie heute. Wir haben uns daran gewöhnt, diese armen exotischen Leute überall zu sehen, und dennoch hängt die Zukunft meines Viertels auch von ihnen ab.