Kurzfassung:
Die "Geschichte vom strickenden Soldaten" aus Ulm - eine der schönsten Geschichten dieser wunderbaren Stadt. Sie findet sich dokumentiert - in einem Wandrelief, eingelassen in die Ulmer Stadtmauer. Sie assoziiert - bei mir eine ganz andere Geschichte - die Geschichte "vom Stricken wider den Krieg". Wer teilhaben will an dieser Vision, der lese bitte weiter ….
Stricken wider den Krieg
Geschichte und Geschichten ranken sich um die Stadt Ulm, ihre freien Bürger, die mächtige Donau und das liebreizende Umland.
"In Ulm und um Ulm und um Ulm herum" pfeifen es die Spatzen keck von den Dächern. Sie tragen ihre Strohhalme zum Nestbau quer im Schnabel und wurden dafür prompt zum "Ulmer Spatz" - dem Wahrzeichen der Stadt, auserkoren. In wahrer Schildbürgermanier wurde eine Stadt geteilt - nun liegt Ulm in Baden-Würtemberg, Neu-Ulm hingegen im Bayrischen. Auch wohnte hier einst ein tapferes Schneiderlein. Es träumte vom und versuchte sich im Fliegen und ward so berühmt, dass sogar der gute Bert Brecht nicht umhin kam, ein Verslein, "Den Schneider von Ulm", darauf zu dichten.
Liebenswerte Menschen leben hier und tragen die Kunde von ihrer schönen Stadt und ihren Sagen, mit selbstironischem Augenzwinkern köstlich erzählt, weit in die Welt hinaus und erschließen sich so die Herzen der Zuhörer.
Für mich eine der schönsten Geschichten und, den seit ihrem Ursprung vergangenen Jahrhunderte scheinbar zum Trotz, die aktuellste zugleich: "Die Geschichte vom strickenden Soldaten".
Ein Keramikwandrelief aus dem Jahre 1997, eingelassen in die innere Ulmer Stadtmauer, kündet von ihrer allgemeinen Beliebtheit.
Der historische verbürgte Hintergrund - eine Anweisung aus dem Jahre 1610, besagt, dass: "….alle Soldaten im Dienste der Stadt Ulm die Pflicht haben, das Stricken zu beherrschen, auf dass sie in ihrer Freizeit und in Friedenszeiten einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen können….".
Weiser Stadtväter bedarf es für eine solche Anweisung.
Diese Geschichte wurde uns zugetragen und das Wandrelief daselbst besichtigt im schönen Monat Mai des Jahres 2003. Nun traf es sich, dass just im März desselben Jahres, wir trafen uns gerade mit Vertretern der Städte Prag, Madrid, Rom, Ulm und Berlin anlässlich eines europäischen Projektes in Madrid, ein gewisser Bush jun. einen Krieg ums Öl vom Zaune brach. Mehr als 240.000 amerikanische und britische Soldaten waren zu dieser Zeit als Raubritter im Irak stationiert.
Ein schönes, wenn auch bizarres Bild entstand plötzlich, gleich einer Vision, vor meinem inneren Auge. Zweihundertundvierzigtausend Soldaten in grüner Felduniform, sitzend im Schatten ihrer Zelte. In ihrer Freizeit nicht etwa Cola trinkend, Karten spielend und herumhurend - nein, weit gefehlt - bewaffnet allein mit je zwei Stricknadeln und einem Wollknäuel - strickend für den Weltfrieden!
Babyschuhe und Schlafdecken, Pullover und Socken - sie würden mit Nahrung- und Wasserhilfslieferungen an die Not leidende, zivile Bevölkerung verteilt werden.
Und der kleine Mohammed, dessen Vater im Dienste der irakischen Regierung von einer amerikanischen Bombe zerfetzt wurde, trüge nachts einen blauen Pullover mit dem Signum seines Mörders.
Vielleicht aber würde es solch sinnloses Morden im Namen amerikanischer Selbstjustiz a` la Texas-Ranger dann nicht mehr geben - wirkt doch das Stricken, wie jede Handarbeit, beruhigend und nahezu meditativ.
Und mit dem gesunden Humor unserer Großmütter, die zehn Kinder aufzogen und es leid waren, derer fünf und mehr von Kriegsschauplätzen zusammenkratzen zu müssen, würden sich die hartgesottenen GI`s, ganz in der Erzähltradition der alten Märchenerzähler, beim Stricken die Mär vom gerechten Krieg erzählen.
Und vielleicht würden sie eines Tages aufstehen, die Stricknadeln schultern, ein letztes Mal salutieren, abdanken und nach Hause fahren.
Mein Veto für die Neuaufnahme der Anweisung von 1610 in die Statuten der heutigen Soldatenschaft:
" …. ein jeder Soldat habe die Pflicht, zu stricken ….".